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Regenwurm wird in der Krume geduldet

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Verein bestellt in Eigenanbau bio-veganen Acker. Viele Vorteile auch für Boden und Gewässer.

Die erste Saat für Spitzkohl, Salat, Zwiebeln, Dicke Bohnen und Spinat ist im März in den Boden gebracht worden. Damit die Arbeit nicht vergebens war, wurde die Saat mit Vlies gegen die letzten Frostnächte im Frühling geschützt. Nun bangen Yvonne Kretschmar und ihre Mitstreiter wegen der Trockenheit. Zwei Mal 36 Beete à 50 Meter Länge hat die Gärtnerin mit Helfern auf dem 7500 Quadratmeter großen Acker des Wölfersheimer Biobauern Jens Dieffenbach angelegt. Die 70 Beteiligten des Frankfurter Vereins Guter Grund werden in diesem Jahr die erste Ernte einfahren. Das Besondere an dem Projekt: Es handelt sich um eine solidarische Landwirtschaft (Solawi), deren Erzeugnisse ausschließlich bio-vegan angebaut werden, für eine umweltverträgliche Landwirtschaft und das Tierwohl.

Das Vorhaben hat einen langen Vorlauf. „Vor rund fünf Jahren hörten einige der heutigen Mitglieder von Guter Grund einen Vortrag der Organisation Tierbefreiung Frankfurt über bio-veganen Anbau“, sagt Jochen Bauer, einer der Sprecher von Guter Grund. Im Jahr darauf wurde der Verein gegründet, der in Arbeitskreisen für verschiedene Aufgaben wie Anbauplanung strukturiert ist. Im Februar 2018 war es so weit, dass eine Kleingartenscholle gemeinsam beackert werden konnte. Der Verein versteht sich jedoch nicht als Vollversorger, Kartoffen und Getreide gibt es nicht.

Mitglieder im eigentlichen Sinn hat der Verein wenige, das Gros bilden Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich jeden Februar aufs Neue um Anteile bewerben. Wer mitmachen wollte - keineswegs nur Veganer - zahlte in diesem Jahr durchschnittlich 70 Euro im Monat. Einen fixen Preis gibt es nicht, so Bauer. Zur Solawi gehöre, dass jeder das zahlt, was er geben kann - auch damit die vom Verein Beschäftigten einen fairen Lohn erhalten. Ende 2019 kam der große Schritt zum Kontakt mit dem 38 Jahre alten Bioland-Bauern Dieffenbach, man begegnete sich bei einem Vortrag des Forschungsinstituts für biologische Landwirtschaft.

„Guter Grund hat mich angesprochen“, sagt Dieffenbach. Und fand in ihm schnell einen Partner. Der Verein pachtet ein Feld, das in Eigenregie bewirtschaftet wird. Dazu hat Guter Grund eine Gärtnerin mit Know-how im bio-veganen Anbau und zwei 450-Euro-Kräfte unter Vertrag. Wer unter den Anteilseignern mag, kann selbst mitarbeiten.

„Ich leiste auch Maschinenhilfe, etwa beim Vorbereiten des Feldes für die Saat“, sagt Dieffenbach. Außerdem beliefert er die Depots in Frankfurt und Offenbach, wo sich die Teilnehmenden ihren Anteil abholen. „Aus den beiden Städten sind rund die Hälfte der 70 Beteiligten, die anderen holen die Erzeugnisse direkt von meinem Hof ab“, erläutert Dieffenbach.

Die bio-veganen Produkte sind nicht zertifiziert. Dazu hätte der gesamte Hof umgestellt werden müssen, was aus wirtschaftlichen Gründen nicht machbar sei, sagt Dieffenbach, der rund 80 Hektar Felder bewirtschaftet. Bio-veganer Anbau heißt ökologische Landwirtschaft, die zusätzlich auf tierischen Dünger wie Mist, Horn- oder Knochenmehl verzichte, erläutert Jochen Bauer. „Das verlangt nach einem Bodennährstoffmanagement aus Fruchtwechseln und Kompost.“ Hierbei stehe der Verein im Erfahrungsaustausch mit der Solawi Wildwuchs im nordrhein-westfälischen Gehrden.

„Mir ist nicht bekannt, dass es beim Ertrag große Unterschiede zum typischen Bio-Anbau gibt“, so Bauer. Humus vereine zudem viele Vorteile auf sich. Der Boden speichere mehr Wasser und CO2. Kein Thema seien Nitrate, die Grund- und Fließgewässer belasten können. Nicht zuletzt heißt es: „Wenn Tiere auch zum Düngen nicht gebraucht werden, gibt es noch einen Grund weniger, sie zu halten.“

Allerdings bedeutet dies nicht, dass auf jede tierische Hilfe verzichtet wird. Asseln, Milben oder Regenwürmer sind in der Krume sogar ausdrücklich nötig, damit jeder Teilnehmer mit ausreichendem Ertrag für seinen Monatsbeitrag auf seine Kosten kommt. Und haben die Beete ihre Winterruhe, übt man sich in der Vorratshaltung. „Außerhalb der Haupterntezeit werden Einmachkurse, etwa mit Gurken oder Weißkraut, angeboten“, sagt Bauer.

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