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Nach Radentscheid: Stadtpolitik einigt sich auf ein neues Verkehrskonzept

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Die Straße am Hauptbahnhof, Frankfurts fahrradunfreundlichstem Ort, wird umgebaut.
Die Straße am Hauptbahnhof, Frankfurts fahrradunfreundlichstem Ort, wird umgebaut. © peter-juelich.com

Die Koalition im Römer einigt sich mit dem Radentscheid Frankfurt auf eine umfassende Förderung des Radverkehrs, auch zulasten der Autofahrer.

Frankfurt - Die Erleichterung, dass die Einigung mit dem Radentscheid Frankfurt geklappt hat, war am Dienstag im übervollen Sitzungssaal des Verkehrsdezernats deutlich zu spüren. „Das ist ein guter Tag für Frankfurt“, sagte Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) - ein Satz, der sonst mit Häme bedacht worden wäre, erntete nun spontanen Applaus.

Revolution in der Frankfurter Verkehrspolitik

Acht Mal haben sich der Stadtrat, die verkehrspolitischen Sprecher der Koalition und die Vertrauensleute des Radentscheids seit Januar getroffen. Die Unterschriftensammlung des Radentscheids, bei der mehr als 40 000 Frankfurter unterschrieben, ist ein Jahr her. Im Frühjahr erklärte der Magistrat das Bürgerbegehren für unzulässig, führte aber die Verhandlungen fort. Nun das Ergebnis: „Unsere sieben Forderungen wurden vollumfänglich erfüllt“, sagte Alexander Breit vom Radentscheid. Oesterling drückte es so aus: „In der Frankfurter Verkehrspolitik wird eine neue Seite aufgeschlagen.“ Schon in diesem Jahr beginne der Umbau von Hauptstraßen in Frankfurt (siehe Kasten). Sieben Hauptstraßen werden zunächst provisorisch umgebaut, etwa mit sogenannten Klemmfixen, testweise für ein Jahr. Eine Forderung der CDU.

Neuausrichtung der Frankfurter Verkehrspolitik

„Auch die CDU-Wähler fahren Fahrrad“, sagte deren verkehrspolitische Sprecher Martin Daum, der sich einen „sicheren und komfortablen Radverkehr“ wünschte, „für alle von 9 bis 99 Jahren“. Allerdings wolle die CDU die „Gesamtverkehrssituation“ nicht aus dem Blick verlieren. Falls also der Verkehr zusammenbricht, ist mit dem provisorischen Radweg auf der jeweiligen Hauptstraße, zum Beispiel der Friedberger Landstraße, schnell wieder Schluss. Falls es zu Problemen kommt, wird nachgebessert. Falls alles reibungslos funktioniert, wird der Radweg nach der Testphase in Beton gegossen.

Und weil jeder meine, die CDU habe arg mit sich ringen müssen, schob Daum hinterher: „Die Abstimmung in der Fraktion war nicht einstimmig, aber die überwältigende Mehrheit war dafür. Wir tragen das Papier voll und ganz mit.“ Auch dafür gab es spontanen Applaus.

„Es ist eine Zeitenwende“, sagte Wolfgang Siefert, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion und Vorsitzende des Verkehrsausschusses. Er meinte damit die Neuausrichtung der Frankfurter Verkehrspolitik, die auf eine gesellschaftliche Entwicklung reagieren muss. Jeden Freitag gehen Hunderte, an Aktionstagen sogar Tausende Schüler, Studenten, Eltern und Lehrer in Frankfurt auf die Straße, um bei „Fridays for Future“ auf die Bedrohung durch den Klimawandel aufmerksam zu machen. Beim Radentscheid Frankfurt unterschrieben mehr Menschen, als die SPD in Frankfurt Stimmen bei der Europawahl 2019 bekam.

Radeln auf der Schweizer Straße zwischen Autotüren und Gleisen. Das soll sich ändern.
Radeln auf der Schweizer Straße zwischen Autotüren und Gleisen. Das soll sich ändern. © peter-juelich.com

Der Anteil der Radfahrer in Frankfurt lag 2016 bei 16 Prozent am Gesamtverkehr, entwickelte sich aber in Richtung 20 Prozent, wie Stadtrat Oesterling sagte. „Der Radverkehr bekommt nun in der Innenstadt den Platz eingeräumt, der ihm gebührt. Das geht auch zulasten des Autoverkehrs. Zu diesem Prinzip bekennen wir uns.“

Radentscheid in Frankfurt: Politik denkt nun um

Dass damit nicht jede Interessengruppe in der Stadt einverstanden sein kann, liegt auf der Hand. „Das nun vorgestellte Papier ist eine verpasste Chance, die klar zu erkennenden Bedarfe in einem umfassenden Konzept zu integrieren und so auch die Realitäten des Wirtschaftslebens in Frankfurt einzubeziehen“, teilte Bernd Ehinger mit, der Präsident der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, die rund 153 000 Handwerker vertritt. „Der Radverkehr sollte mit Augenmaß entwickelt werden“, sagte der neue Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt, Ulrich Caspar. „Dass Hauptverkehrsachsen in ihrer Leistungsfähigkeit jetzt massiv beschnitten werden, ist für die Erreichbarkeit von Unternehmen bedenklich“, meinte er.

„Mehr Radwege, Busspuren, höhere Parkgebühren etc. – es sieht nicht gut aus für die Autofahrer in Frankfurt“, so die AfD-Fraktion im Römer. Sie schlägt vor: „Massive Einschränkungen zulasten des Autoverkehrs sollten durch andere Maßnahmen zumindest teilkompensiert werden“.

„Dass Frankfurt weitreichende Maßnahmen ergreifen möchte, um fahrradfreundlicher zu werden, ist ein Gewinn für die Verkehrssicherheit und das Stadtklima“, sagte indes die Frankfurter Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen (SPD). „Über bessere Radverkehrsbedingungen ist es möglich, das Stauaufkommen zu verringern, die Luftqualität anzuheben, Menschen zu gesünderem Lebenswandel zu verhelfen und den Verkehrsfluss insgesamt zu verbessern“, sagte die Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Wiesmann.

Drinnen im Sitzungssaal betonte Eugen Emmerling, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, unterdessen, dass nicht nur die Stadt Frankfurt, sondern die gesamte Region eine neue Verkehrspolitik brauche. Auch die Sperrung der nördlichen Mainuferstraße ab August sei ein Baustein einer solchen neuen Verkehrspolitik.

Der Radentscheid Frankfurt sieht sich mit der erzielten Einigung noch nicht am Ziel. Denn die Berliner Straße und die Eschersheimer Landstraße wurden bislang aus den Planungen ausgeklammert. „Wir kämpfen um weitere Lückenschlüsse“, sagte Norbert Szép vom Radentscheid.

Ab 2022 müsse der gemeinsame Antrag der Koalition, der den Titel „Fahrradstadt Frankfurt am Main“ trägt, weiterentwickelt werden, so Alexander Breit vom Radentscheid. Dann aber in einer neuen Koalition. Denn 2021 sind Kommunalwahlen.

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