Zoff in der Heinrich-Lübke-Siedlung

In der Heinrich-Lübke-Siedlung in Praunheim kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Jugendlichen und alten Menschen. Polizei, Vermieter und Sozialeinrichtungen versuchen, zu schlichten.
Eigentlich könnte die Welt für alle in Ordnung sein. 600 helle und modern sanierte Wohneinheiten mit großzügigen Balkons, alter Baumbestand, freundliche helle Wege, sechs Spielplätze mit phantasievollen Kletter- und Schaukelgeräten, schmucke Innenhöfe, ein großer Supermarkt und kleine Geschäfte.
Auf den ersten Blick ist in der Heinrich-Lübke-Siedlung nichts mehr übrig von dem, was ihr vor der Sanierung 2012 einen verheerenden Ruf eingebracht hatte. Dennoch kommt schleichend ein Problem zurück. „Wir werden von Kindern und Jugendlichen bedroht. Wir trauen uns kaum noch ‚raus zum Einkaufen“, berichten mehrere Bewohnerinnen und Bewohner der Senioreneinrichtung, die aus Sorge vor Repressionen namentlich nicht genannt werden möchten.
Seit April sorgen sich die alten Leute um ihre Sicherheit. Besseres Wetter, weniger Corona-Einschränkungen und Frühlingsgefühle haben junge Leute nach draußen gelockt. „Ständig fliegen seither Bälle an und auf Balkons, der Lärm ist unerträglich“, beklagt ein Bewohner. Die Kids träten in Gruppen auf, die meisten Seniorinnen und Senioren seien alleinstehend. „Da kommt man nicht durch. Die sind frech und viel stärker als wir“, heißt es.
Die Seniorinnen und Senioren suchen Rat und Hilfe bei der Polizei und sozialen Einrichtungen. Sowohl mit dem Schutzmann vor Ort als auch direkt über Anzeigen versuchen sie Abhilfe zu schaffen. „Ja, es gibt entsprechende Anzeigen“, bestätigt ein Polizeisprecher. „Zugrunde liegt ein länger andauernder Streit zwischen den Bewohnern der Seniorenanlage sowie Kindern und Jugendlichen, die Innenhöfe als Treffpunkt und zum Fußballspielen nutzen. Auch sollen zwischen den Senioren und den Kindern und Jugendlichen teils rassistische Äußerungen gefallen oder Senioren als Nazis beschimpft worden sein.“ Es habe mehrere Einsätze wegen Ruhestörungen gegeben und Anzeigen wegen Beleidigungen, Sachbeschädigungen und Bedrohungen.
Das Problem wird ernst genommen. Ständig sind seither die Polizei, die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG, Quartiersmanagement, Jugendclub und Begegnungszentrum in Kontakt und suchen Lösungen.
„Die Siedlung liegt uns sehr am Herzen“, sagt ABG-Chef Frank Junker. Es wurden Schilder aufgestellt, die das Fußballspielen an den Häusern verbieten. „Wir suchen auch das Gespräch mit den Störern und versuchen, die Situation zu deeskalieren. Dass Senioren als ,Nazis‘ tituliert werden, geht gar nicht“, so Junker, der auf wechselseitige Rücksicht und einen „vernünftigen Ton“ zwischen den Generationen setzt. „Kinder müssen spielen können. Jugendliche müssen Rücksicht auf Alte nehmen.“
Das Quartiersmanagement setzt ebenfalls auf ein Miteinander. „Wir haben bereits ein gemeinsames Waffelessen angeboten“, sagt Quatiersmanager Malte Stieber. Eines der Probleme sei das mangelnde Angebot für Jugendliche. Auch er sucht das Gespräch mit beiden Seiten. „Ideal wäre es, wenn es vermehrt zu generationsübergreifenden Aktivitäten käme. Wenn man sich besser kennt, geht man auch anders miteinander um.“ Er sammelt gerade Ideen, um Jung und Alt locker näher zusammenzubringen.
Verena Weis vom Begegnungszentrum Praunheim nimmt die Sorgen der Seniorinnen und Senioren ebenfalls sehr ernst. Sie sagt: „Es ist ein lebhafter Stadtteil und Abhilfe funktioniert leider nicht von heute auf morgen.“ Immerhin hätten sich einige Jugendliche vor kurzem entschuldigt und aufgeräumt, als sie auf einem Balkon einen Schrank mit einem Ball erwischt haben. „Ein kleiner Anfang zur Annäherung“, findet Verena Weis.
Die Seniorinnen und Senioren sind indessen weiterhin verunsichert. „Wir haben Angst“, sagen sie. Deshalb werden sie auch ermuntert, bei Vorfällen die Polizei zu rufen und Anzeige zu erstatten. Auch sollten grundsätzlich die sozialen Akteure informiert werden. Die ABG jedenfalls hat die Situation im Blick. „Wir nehmen das Problem ernst und handeln“, versichert Junker. „Es lässt sich lokalisieren und betrifft nicht die ganze Siedlung.“
Vor zwölf Jahren musste die städtische Wohnungsgesellschaft dort Wachmänner mit Hunden Streife gehen lassen. Auch damals wurden alte Leute bedroht.