Feldmann fühlt sich von Teilen der Frankfurter SPD verraten

Der abgewählte Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann hat ein Buch geschrieben, hadert mit dem Gerichtsurteil gegen sich und wünscht Mike Josef trotz allem viel Glück für die OB-Wahl.
Frankfurt – Zweieinhalb Monate sind vergangen, seit Peter Feldmann (SPD) als Frankfurter Oberbürgermeister abgewählt wurde. Im FR-Interview in einem Café in der Innenstadt wird schnell klar: Dass seine eigene Partei das Verfahren unterstützt hat, hat Feldmann der SPD-Spitze nicht verziehen. Sein vor kurzem vorgelegtes Buch wäre deshalb wie geschaffen für eine Abrechnung. Doch die Abwahl kommt in der Autobiografie ebenso wenig vor wie der Korruptionsprozess, der kurz vor Weihnachten mit einer Geldstrafe (180 Tagessätze zu 175 Euro) endete.
FR-Interview mit Peter Feldmann
Herr Feldmann, beim Karnevalsumzug wird es einen Wagen mit Ihnen als Schwellkopp geben. Daneben steht: Angeklagt, abgewählt, verurteilt, Revision. Wenn so ein Wagen bei der Fastnacht durch Frankfurt fährt – überwiegt dann bei Ihnen der Ärger über den Spott oder doch die Freude darüber, dass man vier Monate nach der Abwahl weiterhin über Sie spricht?
Eher überwiegt ein Schmunzeln, ich scheine tatsächlich noch im Gespräch zu sein... Aber spätestens am Aschermittwoch ist das vorbei, und dann geht der Blick wieder auf die Themen. Preiswerter Wohnraum, Kinderarmut, Bildung, Internationalität, Altern in Würde, dass sind auch meine zentralen Schwerpunkte. Vielleicht stößt mein Buch ja auch deshalb auf großes Interesse.
Warum kommen in dem Buch weder Ihre Abwahl noch das Urteil gegen Sie vor?
Weil ich es schon im Sommer 2022 geschrieben habe. Vielleicht ist das ja ein Thema für eine Fortsetzung. Schauen wir mal.
Warum haben Sie mit dem Buch nicht bis zum Urteil gewartet? Dieser Prozess ist doch ein wesentlicher Teil Ihres Lebens.
Es ist eben kein Buch, um Prozesse geradezurücken. Es ist eine Autobiografie, in der ich versuche, mir selbst und auch denjenigen, die an mir Interesse haben, einen Schlüssel anzubieten zur Erklärung meiner Person, meines Charakters, meines Lebens. Auch: meiner Kindheit und Jugend, der Anfänge des politischen Engagements und meiner Zeit in Israel. Was mich motiviert hat, mich immer wieder neu politisch zu engagieren. Was mich motiviert hat, für Inhalte mit dem Fokus auf soziale Gerechtigkeit, insbesondere für eine gesellschaftliche Umverteilung von Macht, für eine Öffnung von oben nach unten zu kämpfen.
Sie thematisieren in dem Buch, dass Sie Jude sind. Das war während Ihrer gesamten Amtszeit als Oberbürgermeister nie Thema. Warum jetzt in dem Buch?
Ich finde es gerade schön, in einer Stadt zu leben, in der das eben kein Thema ist. Als ich gewählt wurde, erschienen in Tel Aviv, London und New York große Artikel, in denen es hieß, dass Frankfurt jetzt einen Oberbürgermeister hat, der Mitglied der jüdischen Gemeinde ist. In den Frankfurter Medien hat das erfreulicherweise nie eine Rolle gespielt. Diese Selbstverständlichkeit ist etwas Faszinierendes in unserer Heimatstadt. Das ist es, was in dem Buch steht!
Aber ist es dann nicht paradox es jetzt zum Thema zu machen?
Nein, denn natürlich hat die Mitgliedschaft in der jüdischen Gemeinde und dem jüdischen Gemeinderat meinen Wertehorizont geprägt. Das gehört zu meinem Leben und damit auch zu meiner Biografie. Ich wollte als Oberbürgermeister aber nie in diese Schublade gesteckt werden. Das hat glücklicherweise weit über zehn Jahre geklappt.
Es war eine von der CDU orchestrierte Hetzkampagne
Peter Feldmann über seinen Fehler vor der Abwahl
In Ihrem Buch erwähnen Sie an mehreren Stellen, dass Sie immer wieder in die Hochhaussiedlungen gegangen sind und Ihnen die Menschen jenseits von Oper und Wirtschaft sehr wichtig waren. Wenn dem so war, warum haben dann 200.000 Menschen Sie abgewählt?
Es war eine von der CDU orchestrierte Hetzkampagne. Es gab satte Rabatte in den Medien für Anzeigen gegen mich, sagt der Übermedien-Podcast. Und Sie können auch fragen, warum fast 60 Prozent der Menschen nicht mitgemacht haben. Ich werde mich wahrscheinlich mein Leben lang ärgern, dass ich nicht dazu aufgerufen habe, mit Nein zu stimmen.
Warum haben Sie es nicht getan?
Ich hatte gehofft, dass dieses Prozentquorum nicht erreicht wird. Das war sicherlich ein großer Fehler. Ich werde nie erfahren, wie viele Leute wirklich an meiner Seite gestanden haben. In Siedlungen, Hochhäuser und Firmen gehe ich übrigens immer noch. Das habe ich vor meiner Amtszeit gemacht, das mache ich weiter. Das Feedback dort zeigt mir, wie wichtig es ist, meine Arbeit fortzusetzen.
Wie es für Peter Feldmann weitergeht
Wie geht es für Sie weiter?
Ich werde unter anderem mit der Initiative gegen Kinderarmut, „Mainkind“, die ich selbst mitgegründet habe, zusammenarbeiten. Und die Frauen von „Familien in Not“ unterstützen. Denn mit den Themen, die ich auf den Weg gebracht habe, das kostenfreie Schwimmen für Kinder, die abgeschafften Kita-Gebühren, der freie Besuch in Museen und Zoos, ist das Ende noch lange nicht erreicht. Ich möchte bei den Punkten mit großen Defiziten, beispielsweise der versprochenen kostenlosen Krippenbetreuung, Partner finden. Ich finde, was in Koalitionsverträge und Parteiprogramme geschrieben wurde, muss auch gelten. Im letzten Jahr konnte ich zu Mieterinitiativen und Wohnungsgenossenschaften Kontakt finden, die neue Formen von gemeinschaftlichem Leben wie Familiengenossenschaften, generationsübergreifendes Wohnen, oder Frauengenossenschaften erkämpfen.
Finden diese Gruppen gut, dass Sie sich engagieren? Oder merken Sie Vorbehalte, dass Sie als abgewählter Oberbürgermeister, gerade nach dem Prozess, vielleicht nicht ein Aushängeschild sind?
Ich glaube, dass sich viele in der Stadt freuen, wenn der Alt-Oberbürgermeister sich für ihre Anliegen einsetzt. Weil der Bekanntheitsgrad natürlich hilft, sozialpolitische Schwerpunkte zu setzen. Die Rundschau hat dankenswerterweise beigetragen, dass die Schwächen der ersten Instanz, die Kritik an der Befangenheit des Gerichtes klar und eindeutig berichtet wurde. Insofern merke ich da bisher keine Vorbehalte.
Wir haben Sie direkt vor Ihrem letzten Arbeitstag gefragt, ob Sie Mike Josef Glück wünschen, wenn er antritt. Nun tritt er an. Wünschen Sie ihm immer noch Glück?
Ja, klar.
Ja, klar? Dass Ihr Verhältnis zur SPD zerrüttet ist, ist kein Geheimnis.
Ich kenne Mike Josef lange und wünsche ihm das Beste. Wir haben auch in den schwierigsten Phasen der letzten drei Jahre sehr vertrauensvoll und wirklich eng zusammengearbeitet.
Aber?
Aber ich fand es zumindest befremdlich, wie die vergangenen Monate gelaufen sind. Ich bin schon mit 14 vor fast 50 Jahren in die SPD eingetreten, habe damals schon Plakate aufgehängt, Flyer verteilt, Wahlkämpfe organisiert. Tausende Stunden freiwilliger und ehrenamtlicher Arbeit geleistet. Habe jahrelang Mitgliedsbeiträge und eine hohe Mandatsabgabe bezahlt. Nach fast 50-jähriger Parteimitgliedschaft sah ich nun auf einmal Plakate der SPD mit der CDU gegen mich, die auch von diesem Geld finanziert wurden. Mit dem Logo meiner Partei. Natürlich ist das enttäuschend, erst gefeiert, dann fallen gelassen. Platzeck, Beck, Lafontaine, Nahles, Schulz auf der Bundesebene. Beispielsweise Rudi Arndt und Volker Hauff in Frankfurt. Leider bin ich nicht der einzige der diese Erfahrungen mit Teilen der SPD-Spitze macht. Ja, das ist eine krasse Enttäuschung, und ich habe mich von Teilen der Parteispitze verraten gefühlt. Sie wissen ja, dass Enttäuschungen durch Freunde besonders wehtun.
Bleibt Peter Feldmann in der SPD?
Treten Sie aus der SPD aus?
Das werde ich zeitnah entscheiden. Immer mit der Ruhe!
Was hätten Sie denn an Stelle der Parteiführung getan? Die Anklage gegen Sie hat doch der SPD geschadet.
Ich hätte verlangt, dass sich der Oberbürgermeister erklärt. Was ich ja auch mehrfach getan habe. Drei Jahre lang. Aber dann hätte ich dem OB nicht nur formal die Unschuldsvermutung zugestanden, sondern ich hätte sie auch realpolitisch gelebt.
Teile der Parteispitze haben das getan und sind der CDU auf den Leim gegangen
Was heißt realpolitisch die Unschuldsvermutung leben?
Wenn jemand sagt, dass er nicht korrupt ist, dass er auch kein Geld genommen hat, dann sollte zumindest die eigene Parteispitze ihm das auch glauben. Man kann nicht sagen: Ja, ja, die Unschuldsvermutung. Und dann macht man mit Plakaten und Anzeigen beim Feldmann-Bashing mit. Aber: Teile der Parteispitze haben das getan und sind der CDU auf den Leim gegangen. Es gibt aber auch Hunderte ehrenwerte SPD-Mitglieder, die sich anders oder zumindest passiv verhalten haben und von denen ich bis heute mit vielen gut zusammenarbeite. Das wird unabhängig von meiner politischen Zukunft so bleiben. Menschen, zu denen ich stehe, die ich mag und die mir immer geholfen haben.
Zwischenzeitlich gab es aber ein Urteil ...
... gegen das ich Revision eingelegt habe. Damit ist es bekanntermaßen nicht rechtskräftig. Es bleibt dabei: Ich bin nicht korrupt, ich habe in keine Kasse gegriffen.
Mal angenommen, die SPD hätte es geschafft, ein Abwahlverfahren zu verhindern. Wären Sie dann jetzt – nach dem Urteil – zurückgetreten?
Dazu wäre es doch gar nicht gekommen. Ich hatte ja bekanntermaßen meinen Rückzug für Ende Januar angeboten. Das wird in der Debatte gerne vergessen. Aber nochmals: Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Das Buch
Die Autobiografie von Peter Feldmann trägt den Titel „Sozi. Jude. Oberbürgermeister“. Auf 128 Seiten erzählt der SPD-Politiker seinen Werdegang. Er schreibt über sein Elternhaus, seine Zeit in Israel und seine Mitgliedschaft in der jüdischen Gemeinde, seine Aufgabe als Leiter eines Jugendhauses und seine Zeit als Frankfurter Oberbürgermeister. Das Buch endet vor seiner Abwahl.
Erschienen ist das Buch im Nomen-Verlag. Es kostet zehn Euro. geo
Peter Feldmann über seine Zukunft
Was macht Peter Feldmann im Jahr 2033?
Immer noch politisch aktiv sein.
Was heißt das?
Das heißt, dass ich mich in Initiativen engagiere. Aber auch in der Kommunalpolitik. Ich finde die nächste Kommunalwahl interessant.
Wollen Sie auf der Liste der Linken antreten?
Wie kommen Sie denn darauf?
Sie sprechen Themen an, die sich bei der Linken finden. Und die Partei der Linken hat nicht zu Ihrer Abwahl aufgerufen.
Ja, ich merke, dass ich eine große Distanz habe zu meiner Partei. Da ist viel Kälte. Und dass ich das weiter aufarbeiten muss. Ob mich das dann automatisch irgendwann in eine andere Partei führt, kann ich heute noch nicht sagen. Ich brauche jetzt erst einmal ein bisschen Luft und Zeit. Spannende Bücher und zwei bezaubernde Töchter sind bei mir endlich auf Platz eins.
Interview: Sandra Busch, Thomas Kaspar und Georg Leppert