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Peter Feldmann: Normalität und Wahlkampf

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Von: Georg Leppert

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Peter Feldmann muss mit seiner Abwahl rechnen.
Peter Feldmann muss mit seiner Abwahl rechnen. © Oeser

Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann agiert, als gäbe es die Vorwürfe gegen ihn nicht. Gleichzeitig macht er deutlich, wie er um sein Amt kämpfen wird. Eine Analyse.

Normalität. Es ist der Wunsch nach Normalität, der den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) im ersten Teil der Stadtverordnetensitzung am Donnerstag umtreibt. Es ist die Sitzung, in der es um seine Karriere geht. In der die Politikerinnen und Politiker am späten Abend mit großer Mehrheit ein Misstrauensvotum und ein damit verbundenes Ultimatum beschließen werden: Entweder Feldmann tritt bis zur nächsten Sitzung am 14. Juli zurück, oder er wird abgewählt. Dann gäbe es vermutlich sechs Monate später einen Bürgerentscheid, den Feldmann abwertend als „Bürgerbefragung“ bezeichnet. Stimmt die Mehrheit der Frankfurter:innen gegen ihn und besteht diese Mehrheit aus mehr als 30 Prozent der Wahlberechtigten, wäre er abgewählt. Das ist eine ernste Angelegenheit. Doch Peter Feldmann macht erst einmal Witze.

In der Fragestunde piesackt ihn Nico Wehnemann (Die Partei). Ob er denn nun die Namen der Eintracht-Spieler, die in Sevilla den Europapokal holten, nennen könne. Feldmann, dem beim Empfang für die siegreiche Mannschaft mehrere Patzer unterlaufen waren, als er zum Beispiel Verteidiger Makoto Hasebe als „Hasabi“ vorgestellt hatte, lacht. „Ich kann die Namen singen“, ruft er Wehnemann zu.

Frankfurt: Feldmann zeigt Präsenz

Dann geht Feldmann zu den Journalistinnen und Journalisten. Auch das hat Tradition. Ein kleiner Plausch hier, ein paar nette Worte da. Viele der Reporterinnen und Reporter auf der Pressebank hatten zuletzt seinen Rücktritt gefordert. Über einige der Berichte, die von eben diesen Leuten verfasst wurden, wird er sich später in seiner Rede in weinerlichem Tonfall beklagen. Doch ein Faustgruß und ein paar Freundlichkeiten müssen sein. So war es immer in Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung, so soll es bleiben, findet Feldmann.

Wieder in der Fragestunde. Es geht um die Betreuung für unter Dreijährige, die fortan zum Teil kostenlos sein soll. Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) beantwortet die Frage der Linken. Eigentlich ist alles gesagt, dann meldet sich Feldmann zu Wort und setzt sich noch einmal vehement für kostenlose frühkindliche Teilhabe ein. „Frankfurt ist zu reich für arme Kinder“, ruft er.

Frankfurter Stadtverordnete sind genervt

Die meisten Stadtverordneten sind von diesem Auftritt genervt. Das ist gut für Feldmann, denn sie sind immer genervt, wenn er in der Fragestunde spricht. Sie waren schon genervt, als das leidige AWO-Thema noch nicht alles beherrschte und die jetzt vom Landgericht zugelassene Korruptionsanklage in ganz weiter Ferne war. Schon damals fanden es die Stadtverordneten blöd, dass Feldmann die Beantwortung mancher Fragen nicht einfach den Dezernent:innen überlässt, die dafür zuständig sind, sondern selbst zu oft langatmigen Ausführungen ansetzt. Auch diesmal stöhnen wieder manche Politikerinnen und Politiker im Saal. Wie früher eben.

Vermutlich stellt sich Feldmann die kommenden Monate, wenn nicht Jahre genauso vor. Auf der einen Seite sind da die Krise, die Rücktrittsforderungen, die drohende Abwahl, das Gerichtsverfahren. Er will sich alledem stellen. Aber auf der anderen Seite möchte er agieren, wie Peter Feldmann eben agiert, seit er 2012 einigermaßen überraschend zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Er will sich für „seine“ Themen einsetzen, will „Frankfurt sozialer machen“, wie er immer sagt. Unabhängig von der Korruptionsanklage.

Am Donnerstag vollzieht sich der Seitenwechsel um 21.01 Uhr. Jutta Ditfurth hat genau auf die Uhr gesehen und die Zeit auf Twitter mitgeteilt. Später wird die Ökolinx-Stadtverordnete eine vielbeachtete Rede halten, in der sie deutlich macht, warum Feldmann für die Frankfurterinnen und Frankfurter eine Zumutung ist, eine Abwahl aber trotzdem falsch wäre. Ditfurth wird recht kühne Überlegungen darüber anstellen, aus welcher Haltung heraus Feldmann seinen sexistischen Spruch im Flugzeug nach Sevilla machte. Feldmann wird ihr dafür den Vogel zeigen, was eigentlich eine Ungeheuerlichkeit ist, aber an diesem Abend keine Rolle spielt. Doch um 21.01 Uhr spricht erst mal Feldmann.

Frankfurt: Feldmann im Opfermodus

Seine Rede ist nicht weniger als der Auftakt des Wahlkampfs zum Bürgerentscheid. Feldmann stellt seine Erfolge vor, die kostenlose Kitabetreuung, den Mietenstopp bei der ABG, den freien Eintritt für Kinder in Museen und Schwimmbäder. Das sind alles gute Errungenschaften, die ihm niemand mehr nehmen kann.

Dann aber wechselt Feldmann in einen Opfermodus, der unangebracht wirkt. Er redet über Schmähplakate gegen ihn, als ob es nicht auch unter seinen Gegnern unstrittig wäre, dass das Motiv „Feldmann entsorgen“ gänzlich unmöglich ist. Auch die Presse ist Ziel von Feldmanns Attacken, namentlich die „Bild“. Er kritisiert die Bezeichnung „Pattex-Peter“, die das Blatt ihm gegeben hat, da Pattex-Hersteller Henkel ein „nationalsozialistischer Musterbetrieb“ gewesen sei. Angesichts seiner Mitgliedschaft in der jüdischen Gemeinde, die Feldmann sonst fast nie erwähnt, sei der Name „zumindest geschichtsvergessen“. Viele Stadtverordnete können der Argumentation nicht folgen, viele fragen sich auch, warum Feldmann seinerzeit eigentlich ausgerechnet der „Bild“ das erste Interview zu seiner Rolle in der AWO-Affäre gegeben hatte.

Frankfurt: OB befürchtet „Negativkampagne“

In diesem Duktus geht es weiter. Feldmann klagt schon jetzt über die schmutzige „Negativkampagne“ gegen ihn, die es vor dem Bürgerentscheid geben wird, wie Grünen-Fraktionschef Dimitrios Bakakis zuvor in bemerkenswerter Offenheit angekündigt hatte. Die müsse es nicht geben, findet der Oberbürgermeister, die Stadtverordneten hätten die Wahl, ob sie es so weit kommen lassen wollten. Möglich sei auch eine Mediation. Jutta Ditfurth sagt dazu das Passende: „Eine Mediation ist etwas für Eheleute, die sich scheiden lassen wollen.“ Tatsächlich ist es Feldmann, der den Stadtverordneten keine Wahl lässt. Nicht zum ersten Mal verwechselt er an diesem Abend Ursache und Wirkung.

Gegen 22 Uhr ist der Tagesordnungspunkt vorbei. Viele Stadtverordnete und Journalist:innen verlassen umgehend den Saal. Dabei geht es danach um bezahlbares Wohnen für Studierende, einen wichtigen Punkt. Planungsdezernent Mike Josef (SPD) merkt zu Recht an, man könne nicht kritisieren, dass die Debatte über Feldmann keinen Raum für andere Themen lasse, und dann aus dem Saal stürmen, wenn es endlich um Inhalte geht.

Aber so sieht die Realität in Frankfurt im Frühsommer 2022 eben aus. Die politische Debatte ist geprägt von einem Mann, der den Spagat zwischen vorgespielter Normalität und Wahlkampf für den Bürgerentscheid versucht. Wenn im Juli die Abwahl im Stadtparlament ansteht, wird sich dieses Schauspiel genauso wiederholen.

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