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Paulskirchenfest in Frankfurt: Volles Haus bei „Römer Open“

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Von: Florian Leclerc

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Im Kaisersaal des Römers blicken momentan nicht die Kaiser auf die Gäste hinab, sondern Frauen der Ausstellung „Revolutionärinnen“ – die Ausstellung läuft noch bis 26. Juni.
Im Kaisersaal des Römers blicken momentan nicht die Kaiser auf die Gäste hinab, sondern Frauen der Ausstellung „Revolutionärinnen“ – die Ausstellung läuft noch bis 26. Juni. © Monika Müller

Das Rathaus Römer in Frankfurt lockt Tausende an, die am Rednerpult im Plenarsaal stehen, ins OB-Büro linsen oder Kulis sammeln.

Die Schlange ist sehr, sehr lang am Samstag um 12 Uhr vor dem Rathaus Römer – um 13 Uhr lassen die Mitarbeiter:innen schon niemanden mehr herein, wenn nicht vorher jemand hinausgegangen ist. So beliebt sind die „Römer Open“, der Tag der offenen Tür im Rathaus, wie man sich das bei Wahlen wünschen würde: Die Politikinteressierten rennen den riesigen Gebäudekomplex quasi ein. Die Stadt zählt insgesamt rund 22 000 Besucherinnen und Besucher.

„Die Führungen sind bis zum Nachmittag ausgebucht“, sagt eine Standmitarbeiterin und schleust den Reporter und die Fotografin dennoch mit hinein. Schon führt die Gästeführerin die Gruppe vom Innenhof, wo die Dienstwagen des Magistrats oft parken, über einen Eingang in das sogenannte Kapellchen: ein historistischer Prachtraum mit Elementen aus Neogotik und Neorenaissance, geschmückt von einen buntem Glasfenster, das schon bei der Pariser Weltausstellung 1900 zu sehen war.

Im Ludwig-Landmann-Saal tagt normalerweise der Magistrat auf bequemen Stühlen.
Im Ludwig-Landmann-Saal tagt normalerweise der Magistrat auf bequemen Stühlen. © Monika Müller

Über dem Portal hin zum Ratskeller hebt eine Frau als Steinfigur ehrsam den Finger, während sie einen Schlüssel umklammert hält, eine zweite Steinfigur, der Mann, hält sich währenddessen an einem Becher fest, den er im Ratskeller gerne füllen würde – beim Umbau des Rathauses zur Jahrhundertwende waren die Aufgaben wohl klar verteilt.

Darauf deutet auch die Treppe hin, die vom Kapellchen einst zum prunkvollen Bürgersaal führte: der Wehrstand (ein Soldat), der Lehrstand (Lehrer) und der Nährstand (Bauer) schauen steinern auf die Besucher:innen hinab. Die kommen über das neugotische Treppenhaus nun aber nicht mehr in den hohen Bürgersaal, der im Zweiten Weltkrieg ausbrannte, sondern entweder über die sogenannte Seufzerbrücke in die Stadtkämmerei oder in den Verwaltungstrakt und in die Wandelhalle.

In der Wandelhalle laufen die Besucherinnen und Besucher unten den Blicken der früheren Oberbürgermeister und der Oberbürgermeisterin entlang – nur für Peter Feldmanns Porträt hat das Geld noch nicht gereicht.

Das 20 Kilogramm schwere Goldene Buch der Stadt liegt im Ludwig-Landmann-Saal unter Glas aus.
Das 20 Kilogramm schwere Goldene Buch der Stadt liegt im Ludwig-Landmann-Saal unter Glas aus. © Monika Müller

Dafür hat die Stadt 1952 bei der Ausstattung des Magistratssitzungssaals, der nun nach Ludwig Landmann benannt ist, nicht gespart: Nussbaum-Vertäfelung an den Wänden und an der Decke, ein ovaler Konferenztisch, große Pendelleuchten. Viele Besucherinnen und Besucher machen es sich erst mal auf den weichen Stühlen bequem.

Von dort sehen sie auch das Goldene Buch der Stadt, das in einer gläsernen Vitrine präsentiert wird. Die Mannschaft von Eintracht Frankfurt hat sich dort eingetragen, als sie den Europa-League-Pokal 2022 gewann, auch Königin Elizabeth II. bei ihrem Frankfurt-Besuch 2015 – und viele weitere Persönlichkeiten. 20 Kilogramm wiegt das Goldene Buch, das schon mal überarbeitet wurde. Die ersten 500 Seiten waren 1967 vollgeschrieben. Sie schlummern nun in einem Ledereinband. Seitdem können 600 neue Blätter im Buch beschrieben werden.

Zurück in der Wandelhalle ist auch die politische Prominenz unterwegs. Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) sagt, sie sei auf dem Weg zum Speeddating, wo Bürgerinnen und Bürger mit dem Magistrat ins Gespräch kommen können. Es begeistere sie, wie viele Menschen zum Römer Open gekommen seien.

Das Netzwerk

Die drei Kommunen Frankfurt, Weimar und Bonn haben das Netzwerk „Verfassungsstädte“ gegründet. Alle drei seien Orte der deutschen Demokratiegeschichte, an denen die Verfassungen von 1849, 1919 und 1949 entstanden seien, teilte die Stadt Frankfurt am Freitag mit.

Eine gemeinsame Erklärung sei im Rahmen der Festveranstaltung zu 175 Jahren Paulskirche in Frankfurt von Vertreterinnen und Vertretern der drei Städte unterzeichnet worden. Ziel seien gemeinsame Veranstaltungen und die Entwicklung von Projekten der historisch-politischen Bildung. dpa

Daniela Mehler-Würzbach (Linke) verteilt für ihre Fraktion Buntstifte, Wasserbälle und Jutebeutel mit der Aufschrift „Rassismus kommt mir nicht in die Tüte“. Julia Roshan Moniri (Grüne) muss ein paar Stände weiter einem „leidenschaftlichen Kugelschreibersammler“ leider enttäuschen, Kulis hätten die Grünen im Römer nicht zu verschenken – nur Blumensamen. Die könne man im Garten säen oder guerillamäßig im Stadtraum verteilen, damit Frankfurt nicht mehr ganz so asphaltgrau aussehe. Hauptthema der Besucherinnen sei ohnehin die Verkehrspolitik: unter anderem der schöne, breite Radweg zur Alten Brücke.

„Im Europagarten sollten Schafe grasen“, habe ein Besucher vorgeschlagen, sagt Julia Roshan Moniri. Aber es geht noch skurriler. Denn im Römer poltert plötzlich Obelix vorbei: Groß wie ein Hinkelstein und auch so schwer, dafür mit niedlichen Zöpfen geschmückt, führt er eine Gruppe Menschen in den Plenarsaal. Nicht zum Hinkelsteinschlagen oder Wildschweinjagen, sondern um die Römerpolitik zu erklären.

„Wenn Sie wisse wolle, wer hieä eischentlich so sitze duut“, meint Obelix (Thomas Bäppler-Wolf, SPD) in reinstem Frankfurterisch, und lässt den Arm von links (Linke) nach rechts (AfD) schweifen – wobei links und in der Mitte des Plenarsaals durchaus Gäste sitzen, auf die Sitze rechts hat aber scheinbar niemand so richtig Lust.

Dann zeigt Obelix auf die große Uhr im Saal („von Telefonbau und Normalzeit“): „Des is des meistfotografierteste Objekt nach einunzwanzisch Uhr.“ Denn ab 21 Uhr werde den Stadtverordneten bei ihrer Versammlung die Zeit allmählich lang: noch drei Stunden bis Mitternacht und fünf Tagesordnungspunkte; zwei Stunden bis Mitternacht und vier Tagesordnungspunkte, und so weiter. Wie gut, dass es eine Kantine nebenan gebe, sagt Obelix. Mit Leberkäse, Kartoffelsalat und Hähnchenschnitzel – und auch Getränken: „Manche Debatte kann mer nüchtern net ertrache.“

Am Pult der Stadtverordnetenvorsteherin drückt derweil ein Kind auf einen Knopf, worauf ein Gong ertönt, wie damals der Pausengong in der Schule, und am Redepult posiert ein Mädchen für ihre erste Rede, zumindest wünscht sich das der Vater, aber es bleibt Posieren am Rednerpult. Wer weiß, wie viele Reden noch folgen. Vielleicht sogar hier im Plenarsaal.

Der Wandel der Zeit macht derweil auch im OB-Büro nicht halt, in das man von außen einen Blick werfen kann. Der Bembel, die Topfpflanze und die Standleuchten sind nach dem Amtswechsel neu hinzugekommen. Der Amtsinhaber ist aber gerade nicht am Platz.

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