Orte der Begegnung schaffen

Am Proficampus der Eintracht wird über den „Kitt der Gesellschaft“ diskutiert. Einig sind sich Boris Rhein, Axel Hellmann, Mirjam Wenzel und Frank Dievernich darin, dass man auch anderen zuhören, sich aber klar gegen Rechts abgrenzen muss.
Als sich im vergangenen Frühsommer Tausende Eintracht-Fans nach dem Triumph in der Europa League in den Armen lagen, da spielte es keine Rolle, welcher politischen Couleur der- oder diejenige angehörte. „Unter dem Adler vereinen sich alle“, sagte Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellmann. Passenderweise stand er in der Nähe des riesengroßen steinernen Eintracht-Wappens im Proficampus des Fußballbundesligisten. Hellmann war am Donnerstag Teilnehmer einer Diskussionsrunde unter dem Titel „Der Kitt der Gesellschaft“, zu der die Wirtschaftskanzlei White Case hochrangige Gäste eingeladen hatte.
„Der Kitt sind die Menschen selbst“, betonte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Das seien diejenigen, die sich für etwas einsetzten. Es sei nicht selbstverständlich, dass man in einer liberalen Gesellschaft lebe, sagte der CDU-Politiker mit Verweis auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Mirjam Wenzel, Leiterin des Jüdischen Museums in Frankfurt, warnte vor der Gefahr einer zu sehr ichbezogenen Gesellschaft und „Echokammern, mit denen wir uns gegenseitig bestärken“. Gesellschaft bedeute, sich auf andere zu beziehen und andere zu verstehen in ihrem Anderssein. „Das kann gelingen, wenn Räume vorhanden sind, in denen diese Begegnungen stattfinden“, sagte Wenzel.
Frank Dievernich, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, hält es für problematisch, dass man sich zu sehr auf Krisenzeiten fokussiere. „In Krisen halten wir gut zusammen, aber halten wir im Alltag zusammen?“, fragte er. Denn da bröckele der Kitt aus seiner Sicht „ein Stück weit“.
„Wir erleben wieder mehr Antisemitismus“, sagte Wenzel. Das Jüdische Museum versuche auch außerhalb der eigenen Einrichtung in Räume zu gehen, um Jugendliche zu erreichen. Denn „maximal 50 Prozent der Menschen gehen in Kultureinrichtungen“, so Wenzel. Diese hätten immer noch den bürgerlichen Flair. Ihre Vision sei es daher, eine Kultureinrichtung zu leiten, „die alle anspricht“. Boris Rhein betonte, dass man die Kultureinrichtungen viel stärker bewerben müsse, und dass die Politik mit Preissenkungen versuche, die Menschen dort hin zu bewegen. „Die Räume sind da, wir müssen dafür sorgen, dass sie besucht werden.“ Gleichzeitig dürfe man nicht dem rechten Rand, der sich gerade in der Corona-Zeit noch einmal radikalisiert habe, Deutungshoheiten überlassen.
Axel Hellmann erinnerte sich daran, wie nach dem rassistischen Anschlag am 19. Februar 2020 in Hanau das ganze Stadion „Nazis raus“ gerufen hat. Das habe eine große Symbolkraft gehabt. Man müsse auch Ausgrenzungsdebatten führen, erklärte der Eintracht-Vorstand und bekräftigte, dass die AfD bei der Eintracht keinen Platz habe. „Der Sport hat die Möglichkeit, das etwas radikaler zu formulieren“, so Hellmann. Der Klub arbeitet auch mit den Institutionen der Stadt zusammen. Das koste zwar Geld, aber er ist sich sicher, „der Aufwand lohnt sich“.
Aus Sicht von Dievernich ist im Land immer noch viel zu viel Stille, wenn rechte Töne lauter werden. „Wir müssen als Stiftung viel politischer und Anwalt unserer Themen werden.“