1. Startseite
  2. Frankfurt

Öffentlicher Dienst in Frankfurt: Laut für mehr Geld

Erstellt:

Von: George Grodensky

Kommentare

Der Verdi Protestzug ab Mühlberg war eine von vier Demogruppen in der Stadt. Zentrale Kundgebung war am Allerheiligentor.
Der Verdi Protestzug ab Mühlberg war eine von vier Demogruppen in der Stadt. Zentrale Kundgebung war am Allerheiligentor. C. Boeckheler © C. Boeckheler

Nahverkehr, Stadtverwaltungen, Kitas, soziale Einrichtungen haben am Mittwoch gestreikt. Die Beschäftigten ziehen in vier Demozügen durch Frankfurt.

Eigentlich müsste die Botschaft angekommen sein. Am Mittwoch Vormittag haben rund 3000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes vor dem Kommunalen Arbeitgeberverband am Allerheiligentor demonstriert. Und zwar laut, sehr laut. Sie trillern, hupen, dröhnen, ratschen und rufen Parolen. Es ist zum Kopfschmerzen-kriegen. Wenn das die Arbeitgeber nicht hören, dann sind sie taub.

„Ein Warnstreik soll eine Warnung sein“, ruft da die neue Landesvize von Verdi in Hessen, Natalie Jopen, auf dem Podium. Das Angebot der Arbeitgeber sei „nicht verhandlungsfähig“. Verdi fordert eine Gehaltserhöhung von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Arbeitgeber bieten nur drei Prozent mehr 2023 und zwei Prozent 2024, über eine lange Laufzeit von 27 Monaten gestreckt. „Das ist faktisch ein Reallohnverlust.“

Der öffentliche Dienst solle immer funktionieren, bei immer weniger Personal und stetig steigenden Anforderungen. Da sei es nur legitim, dafür wenigstens gerechten Lohn zu fordern. Und wenn sich die Arbeitgeberseite nicht bewege? „Ein unbefristeter Streik ist eine Option.“

„Unsere Forderungen sind nicht unrealistisch“, sagt auch Mohamed Halli vom Personalrat der Agentur für Arbeit. Die Arbeitgeberseite habe den Bezug zur Realität aus den Augen verloren. Der öffentliche Dienst habe Probleme, Stellen zu besetzen, weil er nicht mehr konkurrenzfähig sei mit der Privatwirtschaft. „Sie wissen gar nicht, was die Mieten hier kosten“, ruft er zum Himmel hinauf – in den vierten Stock des Gebäudes mit dem Arbeitgeberverband.

Die Protestbühne steht praktischerweise auf den Schienen der Tramstation Allerheiligentor, die Straßenbahnen fahren ja nicht. In vier Protestzügen sind die Demonstrierenden zuvor durch die Stadt gelaufen. Vom Opernplatz aus, vom DGB-Haus, aus der Henschelstraße und vom Mühlberg aus. Die Stadt wirkt dabei nicht viel chaotischer als sonst. Die S-Bahnen sind zumindest nicht überbordend voll, großartig viel Stau ist nicht auf den Straßen. Zumindest in der Stadt. Auf der Autobahn ist bestimmt Weltuntergang, wie jeden Tag. Die Busse sind ein bisschen voller, womöglich auch die Radwege. „Der 30er Bus hat mit gestreikt“, schimpft eine Berufstätige. Aber sonst geht alles seinen gewohnten Gang.

„Wir sind zu brav“, findet darum ein städtischer Mitarbeiter, der in der Demo mitläuft. „Die Franzosen können das besser.“ Er könne sich noch an 1992 erinnern, an den unbefristeten Streik, der vor allem die Müllentsorgung getroffen habe. „Da sind die Ratten über die Straßen gehuscht.“ Und einen vernünftigen Abschluss habe es bei den Verhandlungen auch gegeben.

Sympathy for the devil schallt derweil aus den Boxen des Demo-Mobils an der Spitze. Mitleid mit dem Teufel. „Huh-huu“, singt ein langhaariger Mann fröhlich mit. „Wir wollen eigentlich nicht streiken“, sagt der Mann, der für die Stadtentwässerung arbeitet. „Aber das sind alles keine Großverdiener hier.“ Er deutet auf die Menschen um sich herum. „Wir wollen nur ordentlich bezahlt werden.“

Eine Lohn-Kosten-Spirale fürchtet der Frankfurter Verdi-Geschäftsführer Alexander Klein dabei nicht. „Gute Löhne stärken den Binnenmarkt“, sagt er. Überhaupt würden ja viele Produkte auch ohne Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst teurer. Die Menschen in der Stadt stünden jedenfalls solidarisch hinter den Streikenden.

Tatsächlich schimpft zumindest keiner über den Protestzug. Sehr viele filmen mit dem Handy, warum auch immer. Sehr viele winken aus dem Fenster, strecken den Daumen in die Höhe. Nur der eine oder andere macht die Luken dicht. Ist ja auch recht laut, so eine Demo, da ist schlecht Geschäfte machen.

Auf der Kreuzung von Bleichstraße und Friedberger Tor stockt der Umzug. Mitglieder der Polizeigewerkschaft singen und tanzen zu Cindy Laupers „Girls just wanna have fun“. Das sieht man auch nicht alle Tage, dass die Polizei selbst eine Tanzdemo macht.

Auch interessant

Kommentare