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OB-Wahlkampf in Frankfurt: Beobachtungen aus sechs anstrengenden Wochen

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Von: Georg Leppert

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Uwe Becker findet sich super, Mike Josef mag nicht über Peter Feldmann reden, und Manuela Rottmanns rollendes R wird zum Thema. Beobachtungen aus dem OB-Wahlkampf in Frankfurt.

Der Allerbeste: Ja, ist die OB-Wahl in Frankfurt denn schon entschieden, spotten im Januar viele Frankfurterinnen und Frankfurter. Von Plakaten grüßt CDU-Kandidat Uwe Becker als „Ihr Oberbürgermeister“. An Selbstbewusstsein scheint es dem einstigen Kämmerer ohnehin nicht zu mangeln. Auf anderen Plakaten bezeichnet er sich als „Der Beste“. Dabei ist Becker eigentlich keine Rampensau, das wissen alle, die ihn länger kennen. Doch bei dieser Wahl muss er von Anfang an Vollgas geben, um nicht in die Boris-Rhein-Falle zu tappen. Der CDU-Politiker ging 2012 mit sechs Prozentpunkten Vorsprung vor Peter Feldmann (SPD) in die Stichwahl und verlor trotzdem. Vor allem die Grünen, deren Kandidatin in der ersten Runde gescheitert war, hatten Feldmann unterstützt. Damit ihm dieses Schicksal erspart bleibt, muss Becker am Sonntag einen Vorsprung holen. Für falsche Bescheidenheit ist da keine Zeit.

Promifaktor 1: CDU-Mann Uwe Becker (r.) holte sich die Unter- stützung von Ministerpräsident Boris Rhein.
Promifaktor 1: CDU-Mann Uwe Becker (r.) holte sich die Unter- stützung von Ministerpräsident Boris Rhein. © Michael Schick

Peter – wer? Beim OB-Talk mit SPD-Bewerber Mike Josef, den die Frankfurter Rundschau und Medienmanager Bernd Reisig veranstalten, ist die Stimmung lange Zeit entspannt. Josef beantwortet auch kritische Fragen souverän. Dann aber kommt die Rede auf den abgewählten Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), und Josef bekommt kurzzeitig schlechte Laune. Feldmann sei abgewählt, mehr gebe es dazu doch nicht zu sagen, erklärt er. Thema beendet. Die etwas genervte Reaktion ist verständlich: Josef kann mit dem Thema rein gar nichts gewinnen. Manche werfen ihm vor, er habe zu lange an Feldmann festgehalten, andere behaupten, Josef sei dem OB in den Rücken gefallen. Die gute Nachricht für den Planungsdezernenten, der Stadtoberhaupt werden will: Die Frage des Umgangs mit Feldmann spielt im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle – abgesehen von einem Angriff der Grünen in den sozialen Netzwerken.

Promifaktor 3: SPD-Chef Lars Klingbeil kämpft sich mit Mike Josef durch die proppenvolle Naxoshalle.
Promifaktor 3: SPD-Chef Lars Klingbeil kämpft sich mit Mike Josef durch die proppenvolle Naxoshalle. © Monika Müller

OB-Wahl in Frankfurt: Wie sehr nehmen die Wähler:innen Rottmann als Frankfurterin wahr?

Grüne Heimatkunde: Die „Fränkin mit dem rollenden R“ werde sie auf keinen Fall wählen, schreibt jemand am Freitagmittag in die Facebook-Gruppe „Wir Frankfurter“. Ein bisschen fies ist das schon. Schließlich hat sich Manuela Rottmann, die OB-Kandidatin der Grünen, extra bei einem Schauspieler der Volksbühne das Okay geholt: Mit einem rollenden R kann Rrrrrrrottmann auch in Frankfurt Politik machen. Nette Anekdote, ernster Hintergrund. Am Sonntag wird es auch darum gehen, wie sehr die Wählerinnen und Wähler Rottmann als Frankfurterin wahrnehmen. Bleibt sie die Fränkin, die zuletzt als Staatssekretärin in Berlin gearbeitet hat, wird es schwer. Erinnert man sich an ihre Verdienste als Umwelt- und Gesundheitsdezernentin von 2006 bis 2012, hat Rottmann gute Chancen.

Promifaktor 2: Joschka Fischer, für viele Grüne eine Legende, machte Werbung für Manuela Rottmann.
Promifaktor 2: Joschka Fischer, für viele Grüne eine Legende, machte Werbung für Manuela Rottmann. © Bernd Kammerer

Thema gesucht: Als Peter Feldmann 2012 zum Oberbürgermeister gewählt wurde, ging es um Fluglärm. Sechs Jahre später spielte Feldmanns Sozialpolitik (Kritiker:innen sprechen lieber von Gratis-Mentalität und Wohltaten nach dem Prinzip Gießkanne) eine entscheidende Rolle. Doch worum geht es in diesem Wahlkampf? Becker muss angreifen (siehe oben) und setzt das erste Thema. Der CDU-Politiker will Armut und Elend im Bahnhofsviertel bekämpfen. Doch so richtig funktioniert das nicht. Zumal auch niemand behauptet, dass die Zustände dort so bleiben könnten, wie sie sind. Fortan dreht sich vieles um Verkehrspolitik. Vor allem Rottmann (Klimaneutralität bis 2035 – auch wenn es Einschnitte bedeutet) und Becker (auch das Autofahren muss in Frankfurt gut möglich sein) haben konträre Positionen.

An jedem verdammten Abend: Am Donnerstag steht Mike Josef um kurz vor Mitternacht im Plenarsaal des Römers und wirkt ein wenig verloren. Eigentlich möchte er wohl gerne gehen, doch die Sitzung läuft noch und das Thema (Paulskirchenpreis) könnte für das künftige Stadtoberhaupt wichtig werden. Also stellt sich Josef etwas abseits und bleibt noch. Dabei möchte man ihm zurufen, dass er doch ins Bett gehen sollte. Josef wirkt erschöpft. Rottmann, Becker und auch viele der Kandidat:innen, die nicht ganz so gute Chancen haben, geht es in diesen Tagen ähnlich. Dieser Wahlkampf hat alle geschlaucht. Noch nie gab es derart viele Podiumsdiskussionen, noch nie forderten so viele Initiativen die Kandidat:innen auf, ihre Fragen zu beantworten. Und manche Termine haben es echt in sich. Beim „Journal Frankfurt“ sollen die Politiker:innen mit dem Rapper Hassan Annouri performen, und in der Abu-Bakr-Moschee dauert die Diskussion fast drei Stunden.

Der Kommissar parkt falsch: Gestatten, Yanki Pürsün, OB-Kandidat der FDP, Fraktionschef im Römer, Landtagsabgeordneter, politischer Chef-Aufklärer in der AWO-Affäre. Einer, der hohe Ansprüche an Menschen anlegt, vor allem an den früheren Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Einer, der Fehler sehr klar und durchaus schonungslos benennt – und selbst in der Tiefgarage des Landtags auf einem Behindertenparkplatz parkt, wie mitten im Wahlkampf publik wird. Pürsün kann mit Recht für sich in Anspruch nehmen, dass er sich in der AWO-Affäre nie mit einfachen Antworten zufriedengegeben hat und dass er Feldmann vor allen anderen Menschen im Römer für untragbar hielt. Doch das Bild seines Autos auf dem Parkplatz für Menschen mit Behinderungen passt nicht zum Image, das sich Kommissar Pürsün selbst gegeben hat.

OB-Wahl: Straßenbahnfahrer Peter Wirth findet, Frankfurt müsse „stabil“ bleiben

Die anderen: 20 Kandidatinnen und Kandidaten treten an – so viele wie nie zuvor. Maja Wolff, Erfinderin des Grüne-Soße-Festivals, betreibt einen ungemein ehrgeizigen Wahlkampf. Der Straßenbahnfahrer Peter Wirth findet, Frankfurt müsse „stabil“ bleiben. Genau genommen macht Wirth, Künstlername: Bahnbabo, Sozialarbeit im öffentlichen Nahverkehr. Und bei Katharina Tanczos, die für die Satirepartei „Die Partei“ antritt, denkt man sich manchmal, dass sie einen noch besseren Wahlkampf hingelegt hätte, wenn sie nicht ständig als Sprecherin der Kunstfigur Prof. Dr. Bembel hätte agieren müssen. Alles gut und schön. Aber ist Frankfurt schon bereit, für unabhängige Kandidat:innen in der Stichwahl? Viel Geld sollte man nicht darauf setzen.

Und wie geht das aus? Puh. Es gibt eine Umfrage des Instituts Insa, veröffentlicht in der „Bild“. Becker liegt dabei ganz knapp vor Josef, Rottmann ist abgeschlagen. Die Grünen reagieren auf diese Zahlen genervt, manch eine:r verflucht die „Bild“. Ein Indiz könnte die Umfrage sein. Aber bei nur 600 Menschen, die überhaupt eine:n Kandidat:in genannt haben, und 25 Prozent Unentschlossenen lässt das Ergebnis noch viele Fragen offen. Beim Wahltipp der FR jedenfalls glaubt die Hälfte der Kolleg:innen an eine Stichwahl zwischen Rottmann und Becker. Knapp dahinter folgt ein Duell zwischen Becker und Josef. (Georg Leppert)

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