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OB-Wahl in Frankfurt: Warme Worte von müden Kandidaten

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Von: Georg Leppert

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Uwe Becker oder Mike Josef – wir können nicht vorhersagen, wer die Stichwahl am Sonntag gewinnt. Fest steht: Der Wahlkampf um das OB-Amt in Frankfurt war länger und anstrengender als sonst.

Frankfurt - Operation Aufholjagd: Was macht eine Fußballmannschaft, die deutlich zurückliegt, wenn bis zum Schlusspfiff noch etwas Zeit ist? Sie geht in die Offensive. Das tut auch SPD-Kandidat Mike Josef, der in seiner Jugend ein hervorragender Kicker war. Im ersten Wahlgang holte er zehneinhalb Prozentpunkte weniger als Uwe Becker von der CDU. Das ist viel, aber schon noch aufzuholen.

Mike Josef und Uwe Becker treten in der Stichwahl zum Frankfurter Oberbürgermeister gegeneinander an.
Mike Josef und Uwe Becker treten in der Stichwahl zum Frankfurter Oberbürgermeister gegeneinander an. © Arne Dedert/dpa

Josefs Problem: Er weiß nicht so recht, wo er ansetzen soll. Eine erste Wahlanalyse zeigt, dass er sein Potenzial bei der SPD nicht ausgeschöpft hat. Gleichzeitig ist er im zweiten Wahlgang auf die Stimmen der Grünen angewiesen, deren Kandidatin Manuela Rottmann in der ersten Runde ausgeschieden ist. Also versucht Josef, beide Gruppen zu erreichen. Er steht vor Werkstoren und zieht durch Hochhaussiedlungen – und trifft sich nachmittags mit Daniel Cohn-Bendit oder Verkehrsdezernent Stefan Majer im Café.

OB-Wahl in Frankfurt: Becker macht in Sachen AWO-Skandal so gut wie gar nichts

AWO – und kein Ende? Wo ist eigentlich der Wahlleiter? Das fragen sich am 5. März viele Journalistinnen und Journalisten im Römer. Tarkan Akman, gleichzeitig Leiter des Hauptamts, fehlt. Am nächsten Tag wird durch Recherchen der Frankfurter Rundschau öffentlich, dass der 53-Jährige nicht mehr für die Stadt Frankfurt arbeitet. Akman ist in den AWO-Skandal verwickelt, die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Vorteilsannahme erhoben.

Für Josef ist diese Entwicklung extrem schlecht. Auch Akman hatte Posten in der SPD, zudem war er ein enger Vertrauter des früheren Oberbürgermeisters Peter Feldmann. Mit Feldmanns Abwahl und seiner Verurteilung in erster Instanz sollte der AWO-Skandal endlich abgeschlossen sein, hatten die Sozialdemokraten gehofft. Josef zeigt sich entschlossen: „Ich dulde keine Korruption“, sagt er. Becker macht in Sachen AWO-Skandal so gut wie gar nichts. Muss er auch nicht, er überlässt die schweren Vorwürfe gegen die SPD („SPD-AWO-Sumpf“) dem stellvertretenden CDU-Kreisvorsitzenden Yannick Schwander, der in diesen Tagen die Abteilung Attacke der Christdemokraten bildet.

Kurz vor der Wahl bleiben Fragen: Wie konnten die Ermittlungen gegen Akman, die seit April 2022 liefen und eine Durchsuchung seines Büros im Römer beinhalteten, der Stadtregierung verborgen bleiben? Dass es darauf keine Antwort gibt, könnte die Verdrossenheit mit der Kommunalpolitik fördern. Und das kann Mike Josef nun gar nicht gebrauchen, wenn er seinen Rückstand von 21 000 Stimmen noch aufholen will.

OB-Wahl in Frankfurt: Grünen tun sich schwer damit, eine Wahlempfehlung für Josef abzugeben

Der Herr der Andeutungen: Will Uwe Becker als Oberbürgermeister den Magistrat umbilden? Die Antwort liefert ein Lied der Gruppe „Fettes Brot“, in dem es heißt: „Soll ich’s wirklich machen, oder lass ich’s lieber sein? Jein!“ Vor dem ersten Wahlgang sagt Becker, er kenne die Instrumente eines Oberbürgermeisters. Er bringt sogar schon Annette Rinn (FDP) als mögliche neue Verkehrsdezernentin ins Spiel, was dann wiederum Auswirkungen auf das von ihr geleitete Ordnungsdezernat hätte.

Wie erwartet, finden die Grünen, die das Verkehrsdezernat verantworten, derartige Ansagen gar nicht gut. Dass bei der Partei, die die vergangenen vier Wahlen in Frankfurt gewonnen hat, vor der Stichwahl eine Anti-Becker-Stimmung entsteht, muss der CDU-Mann unbedingt verhindern. Auf Facebook fragt er sich selbst: „Werden Sie den Grünen das Verkehrsdezernat wegnehmen?“ Und antwortet: „Ich habe immer gesagt, dass ich partnerschaftlich mit dem Magistrat zusammenarbeiten will und daher das Schwert der Neuverteilung der Dezernate nicht nutzen möchte. Deshalb ein klares Nein.“ Das ist Rumgeeiere in Reinform, und Becker wird das auch wissen. Aber die Taktik hat zumindest teilweise Erfolg. Die Grünen tun sich schwer damit, eine Wahlempfehlung für Mike Josef abzugeben.

Stichwahl live

Die FR begleitet die Stichwahl auch online, live vor Ort. Auf fr.de/ob-wahl führt sie einen Live-Ticker direkt aus dem Römer. Zusätzlich wird die Wahl auch auf den Twitter und Instagramkanälen der FR begleitet.

Twitter: @fr

Instagram: frankfurterrundschau

OB-Wahl in Frankfurt: Reicht es den Menschen damit auch mal?

Alle noch wach (Teil 1)? Eines sollte man sich bewusst machen: Dieser Wahlkampf begann nicht erst Ende Januar – sondern am 14. Juli vergangenen Jahres. An diesem Tag entschieden die Stadtverordneten, dass sich Peter Feldmann einem Bürgerentscheid stellen muss. In der Folge wurde fast täglich über Römer-Politik diskutiert: Was hat Feldmann genau falsch gemacht, dass er sein Amt räumen muss? Kann man ihm glauben, wenn er sagt, dass er in ein paar Monaten freiwillig gehen will? Und wie ist das für die Abwahl notwendige Quorum beim Bürgerentscheid zu erreichen?

Gleichzeitig stellten sich die Parteien für den Fall auf, dass es eine Neuwahl gibt. Die einen handelten schnell – etwa die CDU, bei der Uwe Becker schon im Spätsommer 2022 klarmachte, dass er als Kandidat zur Verfügung stünde. Die anderen ließen sich mehr Zeit – etwa die Grünen, die erst eine Findungskommission gründeten.

So oder so geht es aber seit einem Dreivierteljahr in Frankfurt vor allem um Wahlen. Reicht es den Menschen damit auch mal? Die Resonanz auf die Podiumsdiskussionen legt diesen Schluss nahe. Vor dem ersten Wahlgang waren die Säle noch knüppelvoll. Vor der Stichwahl ging das Interesse vielerorts doch deutlich zurück.

Becker und Josef wirken bei FR-Stadtgespräch gleichermaßen erschöpft

Alle noch wach (Teil 2)? Beim Stadtgespräch der Frankfurter Rundschau am Donnerstagabend möchte man den Kandidaten am liebsten Decke und Kissen anbieten. Becker und Josef wirken gleichermaßen erschöpft.

34 Podiumsdiskussionen haben die beiden bestritten, rund 68 Stunden miteinander diskutiert. Das sind fast drei Tage, rund um die Uhr. Dennoch arbeiten Becker und Josef auch bei der Frankfurter Rundschau ihr Programm routiniert ab. Die Veranstaltung ist interessant, die Fragen aus dem Publikum sind gut – doch völlig neue Antworten sind nach einem monatelangen Wahlkampf nicht mehr zu erwarten.

Warme Worte: Was sagt man zu seinem Mitbewerber, wenn man in den vergangenen Wochen sehr viel Zeit mit ihm verbracht hat? Mike Josef, bekannt für ein smartes Auftreten, kappt beim Stadtgespräch der Frankfurter Rundschau erst einmal die eigentliche Schlussfrage der Moderatoren („Wie verbringen Sie den Wahlsonntag?“) und bedankt sich bei Becker für den fairen Wahlkampf, der bei allen politischen Unterschieden nie persönlich geführt worden sei. Und was antwortet man darauf? Uwe Becker, bekannt für taktische Finesse, gibt den Dank und zurück und sagt ans Publikum gerichtet: „Und wenn Sie finden, wir beide sollten zusammenarbeiten, dann müssen Sie mich wählen.“

Ein langer Wahlkampf ist vorbei. Anders als 2018, als Peter Feldmann haushoch gegen Bernadette Weyland (CDU) gewann, gibt es diesmal keinen klaren Favoriten. Erst am Sonntag, vermutlich gegen 19.30 Uhr, wird feststehen, wer Frankfurter Oberbürgermeister wird. (Georg Leppert)

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