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OB-Wahl in Frankfurt: In der kalten Phase

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Von: George Grodensky

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Die CDU wirbt an der Hauptwache.
Die CDU wirbt an der Hauptwache. Rolf Oeser © Rolf Oeser

Die Stadt kürt bald ein Stadtoberhaupt, die Parteien machen sich am Wochenende aber rar.

In fünf Wochen wählen die Frankfurterinnen und Frankfurter den oder die OB. Die heiße Phase des Wahlkampfes hat also eigentlich begonnen. Aber Hitze im Januar? Zumindest am Samstagmorgen ist davon wenig zu finden. Auf dem Schweizer Platz glänzt der Wahlkampf um 10.30 Uhr mit Abwesenheit. Ja, die aussichtsreichsten Kandidatinnen und Kandidaten sind zu sehen, ihre Plakate hängen überall. Aber nirgendwo jemand, der erklärt, was es mit den Köpfen auf sich hat. Wer die sind, was die wollen, warum wir die wählen sollten.

Kurzer Check am Diesterwegplatz vor dem Südbahnhof: Fehlanzeige. Wobei, da stehen wenigstens zwei Zeugen Jehovas. Und da hinten, an der Bank, da ist ein Mann, der Plakate in einer Tüte hat. „Sind Sie von einer Partei?“, fragt der Reporter neugierig, „wegen der Plakatrollen.“ „Ja“, sagt der Mann schüchtern. „Ah, toll, ich komme von der Rundschau und suche den Wahlkampf. Von welcher Partei sind Sie denn?“ „Von der AfD.“ „Oh.“ Peinliche Gesprächspause. Da kommt AfD-Kandidat Andreas Lobenstein um die Ecke und nimmt sich Zeit für einen Plausch, clever gemacht, während die anderen aufbauen.

Vor 11 Uhr anzufangen, hat sich nicht bewährt, weiß Lobenstein. Die Menschen schlafen im Winter recht lang. Außerdem ist es zu kalt, um länger als drei Stunden draußen zu stehen. So einen Kneipenwahlkampf wie die Grünen im Nordend würde er auch gerne machen, sinniert Lobenstein dann noch. Nur würde die AfD da selten mit offenen Armen empfangen. Was sagt das über seine Chancen bei der Wahl, wenn er die Diskurshoheit über die Nordend-Stammtische bereits verloren hat?

Wir fragen einfach mal nach, Hibbdebach, auf der Frankfurt-Seite des Mains. Die Linke, verrät OB-Kandidatin Daniela Mehler-Würzbach, muss sich erst einmal erholen. „Jetzt haben wir gerade die Plakate angebracht.“ Ein paar Linke sind aber gar nicht müde. Die informieren heute in Niederrad, an der Kirche St. Jakobus, sagt Mehler-Würzbach. Sie selbst steht auf dem Römerberg und freut sich, dass so viele Menschen beim Klimaentscheid unterschrieben haben. Besagte Gruppe überreicht der Stadt gerade 23 059 Unterschriften. Sie sollen bloß nicht lockerlassen, wünscht sich Mehler-Würzbach. „Wir brauchen viel Druck in den kommenden Wochen.“ Sonst, schwingt im Subtext mit, setzt niemand die vielen guten Forderungen um in der Stadt.

Nun ja, Niederrad, das ist uns jetzt ein bisschen zu weit, immerhin stehen wir auch gerade am Römerberg und wollen weiter zur CDU an der Hauptwache. Die sollen da sein, verrät das Internet. Mehler-Würzbach tröstet. Am kommenden Wochenende sei sie mit Janine Wissler zusammen am Weißen Stein in Eschersheim zu finden, um 12 Uhr.

Die CDU ist an der Hauptwache tatsächlich fleißig am Werben. Sara Steinhardt und Tochter Johanna verteilen Flyer und Kulis. Später sollen noch Süßigkeiten dazukommen (sind noch in der Parteizentrale) und im Laufe der Woche dann „Becker-Tüten“ für die morgendlichen Verteilaktionen. Da sind dann Backwaren drin.

Heute läuft es allerdings noch zäh. Beziehungsweise: „Es läuft langsam an“, wie Steinhardt diplomatisch sagt. „Die Menschen müssen samstags eben ihre To-do-Liste abhaken“, sagt ein Parteifreund. Ein paar informative Gespräche haben sich aber bereits ergeben. So hat Steinhardt bereits zwei Menschen erklären müssen, wann die Wahl eigentlich ist. Dabei ist ihr aufgefallen, dass keine Partei das Datum auf dem Plakat vermerkt habe.

Interessant ist auch, dass viele Menschen von außerhalb unterwegs sind. „Wir sind nur übers Wochenende hier“, ist so ein Satz, der öfter mal fällt. Oder: Irgendwas Unverständliches auf Spanisch. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Spanisch man in Frankfurt hören kann. „Die Stadt braucht wieder einen vernünftigen Oberbürgermeister“, grantelt eine Frau im Vorrübergehen in erfrischendem Hessisch. Steinhardt empfiehlt, Uwe Becker zu wählen. Der sei das Kontrastprogramm zum Vorgänger.

OB-Wahl in Frankfurt

FR-Online-Dossier: Wer wird Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin von Frankfurt? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden am 5. März. Stichwahl-Termin wäre der 26. März. Die FR bündelt ihre Berichterstattung mit Analysen, Porträts und aktuellen Nachrichten in einem .

Mit dem exklusiven FR-Wahlhelfer können Sie einfach und interaktiv herausfinden, welche:r Kandidat:in Ihnen inhaltlich nahe steht. 25 Thesen hat die FR-Redaktion ausgesucht - die Sie selbst gewichten können.

Livediskussion im FR-Stadtgespräch: Am Mittwoch, 8. Februar, 19 Uhr, diskutieren im Haus am Dom (Domplatz 3) Manuela Rottmann, Uwe Becker, Mike Josef, Daniela Mehler-Würzbach und Yanki Pürsün. Die FR-Redakteur:innen Sandra Busch und Georg Leppert moderieren. Eintritt frei.

OB-Talks: Mit dem Medienmanager Bernd Reisig (Stiftung „Helfen helfen“) lädt die FR vier Kandidat:innen zu Einzelgesprächen ins SAE Institute (Hanauer Landstraße 123a). Am 13. Februar kommt Uwe Becker, am 16. Februar Manuela Rottmann, am 17. Februar Mike Josef und am 14. Februar - als Ergebnis einer Lerser:innen-Abstimmung - der Kandidat der „Partei“, Prof. Dr. Dr. Bembel, vertreten durch Katharina Tanczos. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Eintrittskarten gibt es für zehn Euro unter www.berndreisig.de – die Einnahmen gehen an die Bernd-Reisig-Stiftung.

Wen empfiehlt eigentlich die FDP? Angeblich soll die auf der Fressgass zugegen sein. Nur ist weit und breit kein Infostand zu sehen. Die drei jungen Männer, die wie Liberale aussehen, eilen auch nur eilig vorbei und wollen mit dem vom Reporter hingeworfenen Wort „Wahlkampf“ nix zu tun haben. Nun, im Internet ist der FDP-Auftritt auf einmal auch erst für den kommenden Samstag angekündigt. Vielleicht haben wir nicht richtig geschaut. Dafür findet sich auf dem Opernplatz ein Stand der Zeugen Jehovas. Vielleicht sollten die einen OB-Kandidaten aufstellen. Infostände haben sie jedenfalls genügend.

An der Konstablerwache wäre dafür gar kein Platz, da hat sich der Erzeugermarkt ausgebreitet. „Wo ist der Wahlkampf?“, ruft der Reporter verzweifelt in die Menge. „Hier nicht“, antwortet eine junge Frau frech und will ihren Kinderwagen weiterschieben. Wen sie denn wählen wolle, ruft der Reporter hinterher. „Ich habe darüber nachgedacht, aber mich noch nicht entschieden“, sagt sie und dass sie Ariane Billmann heiße. Also Parteien: Der Bedarf ist da, für Überzeugungsarbeit.

Andere haben das verstanden. In Richtung Westzeil stehen ganz viele Menschen, die informieren. Über Tauben. Die ABG habe überraschend die Pachtverträge für die Taubenhäuser an Hauptwache und Gericht gekündigt, erklärt Gudrun Stürmer vom Frankfurter Stadttaubenprojekt die Demo.

Mitten im Winter die Fütterung zu entziehen, das sei schon eine harte Nummer, sagt sie und seufzt. Viele, viele Menschen sehen das genauso. Sie unterschreiben, sie halten ein Schild in die Höhe. Manche sind gar extra für die Demo angereist. Aus Koblenz, Limburg, Saarbrücken, Berlin.

Wen die Tauben wählen würden, so sie könnten? „Gute Frage“, sagt Stürmer und lacht nicht. Sie habe alle Kandidatinnen und Kandidaten angeschrieben und nach ihrer Haltung zu den Tieren befragt. Geantwortet habe bislang nur Yanki Pürsün von der FDP. Wie schön, ein Lebenszeichen von der FDP. Was schreibt er? „Das klingt alles sehr gut“, befindet Stürmer. „Aber es ist ja auch Wahlkampf.“

Ach ja, wo ist der eigentlich geblieben? Auf dem Friedberger Platz? Nee, da grüßen lediglich Mike Josef (SPD) und Uwe Becker (CDU) von gigantischen Plakatwänden herab den vorbeirollenden Verkehr. Die letzten Hoffnungen liegen nun auf der SPD-Bornheim. Der Ortsverein steht jeden Samstag in Bornheim Mitte.

Indes: Vor der Backstube an der Ecke von Berger und Saalburgstraße findet sich um 13.40 Uhr niemand mehr. Ein Mike-Josef-Flyer an der Theke des nahen Café-Mobils ist immerhin eine Spur. „Die haben vor einer halben Stunde eingepackt“, sagt der Betreiber denn auch. „Es war zu kalt.“ „Der Wahlkampf ist schon vorbei“, scherzt ein junger Mann, der am Tresen seinen Kaffee nippt. Vorbei? Bevor die heiße Phase überhaupt begonnen hat? Da haben die Parteien aber noch ganz schön viel Arbeit vor sich.

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