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Zum Nachschauen: Das FR-Stadtgespräch zur OB-Stichwahl

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Von: Timur Tinç, Christoph Manus, Sandra Busch, Florian Leclerc, Georg Leppert

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Uwe Becker (CDU) und Mike Josef (SPD) treten im Haus am Dom auf. Die FR befragt am Donnerstagabend die Finalisten zur OB-Wahl auf dem Podium – hier nachzuschauen im Video.

Letztes großes Duell der beiden Kandidaten Uwe Becker (CDU) und Mike Josef (SPD) vor der Wahl am Sonntag. Beim FR-Stadtgespräch diskutierten sie über Verkehr, Wohnen, Kultur und den AWO-Skandal:

Verkehr: Keiner will das Auto verdammen

Eines der meistdiskutierten Themen im Wahlkampf: die Verkehrspolitik. Über kaum etwas anderes wurde emotionaler debattiert. Dass es eine Mobilitätswende geben muss, das betonten die beiden OB-Kandidaten Uwe Becker (CDU) und Mike Josef (SPD) beim FR-Stadtgespräch beide. Für Becker muss es eine mit „Augenmaß und Mitte“ sein. Für Josef eine „koordinierte Verkehrswende“.

Eine koordinierte Verkehrswende ist für Josef, zum Radentscheid zu stehen und die Radwege auszubauen. Auch Fußgänger:innen sollten mehr Zebrastreifen und breitere Gehwege bekommen, der ÖPNV ausgebaut werden. „Aber keiner in der Stadt macht eine autofeindliche Politik“, sagte Josef. Es würden die Verkehrsmittel nicht gegeneinander ausgespielt.

Das sieht Becker etwas anders. Auch er ist für den Ausbau des ÖPNV und der Radwege. Aber „vernünftig. Nicht mit dem Ziel, das Autofahren zu verhindern“. Das geschieht für ihn etwa im Oeder Weg, der zur fahrradfreundlichen Nebenstraße umgestaltet wurde. Mit den Diagonalsperren würden die Autos rausgehalten, der Einzelhandel leiden. Der Verkehrsversuch im Oeder Weg dürfe nicht zu Ende geführt werden, „bis dahin sind die Geschäfte kaputt“. Josef sagte zwar, dass Versuche korrigiert werden müssten, wenn sie nicht funktionieren. „Aber nicht ein bis zwei Monate nach dem Start“. Auch auf der Eschersheimer Landstraße habe es zu Anfang Widerstand gegeben, als Radwege gebaut wurden. „Am Ende war sogar die CDU im Ortsbeirat dafür.“ Wer keinen langen Atem habe, „der wird in der Mobilitätspolitik nichts hinbekommen“.

Auch beim Mainkai ist man sich nicht einig. Die Aufenthaltsqualität dort soll erhöht werden, aber während der Mainkai für Josef gesperrt werden soll, wenn ein Gesamtplan vorliegt, will Becker „die Straße zwischen Alter Brücke und Untermainbrücke tiefer legen und einen Deckel drauf machen“. Für Becker „kein Hexenwerk der Ingenieurkunst“, für Josef unsinnig allein schon deshalb, „weil man dann zehn Jahre baut und faktisch schon eine Sperrung hat“.

Dass die Fahrpreise beim ÖPNV erhöht wurden, finden beide falsch. Und es wollen beide ändern, sollten sie zum OB gewählt werden. Wobei Becker meint, dass Josef, der als Planungs- und Sportdezernent Teil der Stadtregierung ist, „nicht Oberbürgermeister werden muss dafür. Wenn er es falsch findet, kann er es zurückzunehmen“. Josef, der auch für ein 365-Euro-Ticket warb, warf Becker dagegen vor, dass er als Kämmerer gegen die Senkung der Fahrpreise gewesen sei. Die Kehrtwende nun sei „wenig glaubwürdig“.

Kultur: Uneins beim Standort der Städtischen Bühnen

Bei einem waren sich die Frankfurter OB-Kandidaten Uwe Becker (CDU) und Mike Josef (SPD) einig. Je länger man beim Neubau der Städtischen Bühnen wartet, desto teurer wird es. Es gibt drei Varianten: Der Neubau von Oper und Schauspiel am bisherigen Standort; die Kulturmeile mit Schauspiel am Willy-Brandt-Platz und Oper auf einem Grundstück der Sparkasse in der Neuen Mainzer Straße sowie die Spiegelvariante mit Oper am Willy-Brandt-Platz und Schauspiel schräg gegenüber in den Wallanlagen. Letztere Variante bevorzugen Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) und auch Josef. Kostenfaktor: Rund 1,3 Milliarden Euro.

„Es geht darum, Gebäude zu schaffen, die für Öffentlichkeit zugänglich sind“, sagte Josef. Räume für Begegnungen, unter anderem für Kinder und Jugendlichen neben Theater und Kultur. Es sei zumindest gut, so Josef, dass es mittlerweile Einigkeit darüber gibt, dass die Bühnen in der Innenstadt bleiben und nicht ins Ostend sollen. „Ich will vor der Sommerpause eine Entscheidung haben“, betonte Josef. Eine zusammen mit der Opposition.

„Wir müssen es breit in der Gesellschaft verankern“, stimmte Becker zu. Es müsse eine Lösung mit Überzeugung sein. Bei der Spiegellösung würde die Oper interimsmäßig im neu gebauten Schauspiel in die Wallanlagen unterkommen. „Ich sehe ein großes Risiko dabei, wenn wir über lange Zeit die Orchesterplätze halbieren“, sagte Becker. Viele heutige Produktionen würden so nicht mehr möglich sein und es würde die Qualität der Oper maßgeblich berühren.

Bei der Kulturmeile, die Hartwig einst selbst bevorzugt hat, ist die Voraussetzung jedoch das Grundstück der Sparkasse. „Wir können nicht fünf oder sechs Jahre über den Zugang des Grundstücks reden und dürfen jetzt nicht wieder Grundsatzdebatten führen“, betonte Josef. Er forderte außerdem, dass sich das Land am Neubau der Bühnen beteiligen soll. Der Baubeginn wäre im Jahr 2027. Das Schauspiel könnte bis 2031, die Oper bis 2036 fertig sein. Becker sagte zu, dass er sich die Spiegelvariante noch einmal intensiver anschauen werde. Das unter Denkmalschutz stehende Wolkengewölbe „braucht eine Architektur, die auch dem Range der Stadt und dem Range dessen was wir schaffen, gerecht wird“, sagte Becker. Auch da waren sich die OB-Kandidaten einig.

Wohnen: Streit über neue Quartiere an der A5

Knapp sechs Jahre ist es her, dass Uwe Becker, damals Kämmerer, mit dem damaligen Oberbürgermeister Peter Feldmann und Planungsdezernent Mike Josef (beide SPD) vorschlug, den Bau eines großen Stadtteils im Nordwesten Frankfurts zu untersuchen. Nun lehnt der CDU-Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl sogar eine kleinere Variante ab, warnt vor einer Trabantenstadt. Wie es zu diesem Wandel kam, will Moderator Georg Leppert wissen. „Wir waren in einer Koalition, da geht man Kompromisse ein“, sagt Becker. Er habe die Pläne schon früh für nicht klimaverträglich gehalten. Josef habe zudem versäumt, die Nachbarkommunen frühzeitig einzubinden – und so „den größten regionalpolitischen Schaden seit Jahren angerichtet“. Nun sei die „Josefstadt“, wie er den vom Stadtparlament beschlossenen „Stadtteil der Quartiere“ konsequent nennt, tot. Er sei aber offen für eine Überarbeitung der Pläne, für ein „organisches Wachstum“ der Stadtteile im Areal, sagt er beim FR-Stadtgespräch im Haus am Dom.

Josef verteidigt die Pläne für die Quartiere, in denen knapp 7000 Wohnungen Platz finden könnten, vehement, spricht von einer Chance für bezahlbaren Wohnraum und neue Arbeitsplätze. Der nun gefundene Kompromiss sei gemeinsam mit dem Umland entstanden, betont er.

Becker wirft Josef vor, viel zu wenig Tempo beim Wohnungsbau zu machen, bringt erneut eine „Taskforce“ für Planungsbeschleunigung ins Spiel. „Wir müssen vom Planen ins Bauen kommen“. Wenn die Stadt laufende Bebauungsplanverfahren rasch abschließe, biete allein das die Chance für 12 000 neue Wohnungen. Als Beispiel für Stillstand nennt Becker das Areal „Bonames-Ost“.

Josef widerspricht. Der Aufstellungsbeschluss für den Plan stamme aus dem Jahr 1992, also einer Zeit lang vor seinem Amtsantritt. Nun sei geplant, im Norden des Areals eine Schule und 300 Wohnungen zu ermöglichen. Für den südlichen Bereich wolle er eine Entwicklung mit deutlich mehr Wohnungen als zunächst geplant waren. Auch sonst weist Josef den Vorwurf eines Stillstands zurück. „Wir haben in sechs Jahren 23 000 Wohnungen gebaut“, sagt der OB-Kandidat. Nun entstehe in Bockenheim mit dem Schönhofviertel das größte Baugebiet in Hessen. Mindestens genauso wichtig sei es aber, bestehenden Wohnraum zu schützen. Doch dafür brauche die Stadt vom Land etwa die Möglichkeit, um gegen Leerstand von Wohnraum vorzugehen.

AWO-Skandal: Kampf gegen Korruption

Die Podiumsdiskussion der Frankfurter Rundschau war die letzte in diesem Wahlkampf. Die 34. für die Kandidaten Uwe Becker (CDU) und Mike Josef (SPD). 68 Stunden, hat Josef hochgerechnet, habe man miteinander geredet und versucht, die Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen. „Das ist gelebte Demokratie“, sagte Josef. „Und auch die Verwaltung braucht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger – die absolute Mehrheit macht eine anständige Arbeit.“

Beim allerletzten Thema der allerletzten Podiumsdiskussion in diesem Wahlkampf ging es um Korruption. Denn Korruption ist seit Monaten Thema in der Stadt. Da war der Prozess gegen den abgewählten OB Peter Feldmann (damals SPD), bei dem er in erster Instanz wegen Vorteilsannahme verurteilt wurde. Nun die Anklage wegen des Verdachts der Vorteilsannahme gegen seinen Weggefährten, den bisherigen Hauptamtsleiter und SPD-Genossen Tarkan Akman. Er soll Einfluss genommen haben, damit seine Schwester einen Job bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bekommt. Auch dabei geht es also wieder um Verstrickungen der Arbeiterwohlfahrt mit der SPD.

Beide Kandidaten sind sich einig: Sie dulden keine Korruption. Und beide wollen die Strukturen ändern. OB Feldmann hatte verschiedene Behörden zum Hauptamt und Stadtmarketing zusammengelegt. Das wollen sowohl Josef als auch Becker rückgängig machen. Das Hauptamt sei eine „Marketing-Maschinerie“ des OB gewesen, sagte Josef. Es sollte etwa wieder ein eigenständiges Presse- und Informationsamt und ein Protokoll geben. „Mit denen vom OB geschaffenen Strukturen hat es keine Kontrollmechanismen mehr gegeben.“ Die Strukturen hätten Korruption und Fehlverhalten unterstützt.

Auch Becker sieht in den Strukturen ein Problem, sie seien „ungesund für die Stadt“. Auch er will wieder eine „ordentliche Trennung“ der Ämter. Er wirft Josef aber auch vor, dass ein früheres Einschreiten der SPD notwendig gewesen wäre. Zum einen hätte sie früher einen Rücktritt des OB fordern müssen und die SPD „hätte die Strukturen nicht entstehen lassen sollen“.

Das sieht Josef nicht so. Zum einen sei Becker zu dem Zeitpunkt selbst Bürgermeister gewesen, zum anderen sehe die Hessische Gemeindeordnung vor, dass der OB die Strukturen ohne Zustimmung von Stadtparlament und Magistrat verändern könne. „Da wird unterstellt, dass wir mitgemacht hätten“, sagte Josef. Er betonte noch einmal, dass die Strukturen geändert werden müssten. Auch um das Verwaltungspersonal zu schützen, „brauchen wir Strukturen, die klare Kante bei Fehlverhalten zeigen“.

Zum Nachsehen: Erstes FR-Stadtgespräch zur OB-Wahl in Frankfurt

Die fünf chancenreichsten Kandidatinnen und Kandidaten diskutierten beim ersten FR-Stadtgespräch zur Frankfurter OB-Wahl. Sehen Sie hier eine Aufzeichnung die Veranstaltung im Video.

Die Atmosphäre beim ersten FR-Stadtgespräch war wieder so wie bei den Stadtgesprächen vor der Pandemie. Das Haus war voll. Eine halbe Stunde vor Beginn der Diskussion mit den Oberbürgermeisterkandidat:innen von Grünen, SPD, CDU, Linke und FDP im Haus am Dom waren knapp 260 Gäste gekommen.

Wer keinen Platz im Großen Saal und auf der Empore bekam, konnte die Veranstaltung per Liveschaltung im Giebelsaal verfolgen, oder er musste es sich zu Hause mit dem Livestream gemütlich machen. 240 Interessierte schauten live dabei zu, als Georg Leppert und Sandra Busch aus dem Römer-Team der FR durch die Veranstaltung führten. Es ging um die großen Themen: Klima, Wohnen, Bildung, Verkehr und das Bahnhofsviertel.

Die Debatte dreht sich zunächst ums Klima

Sie sei vor 30 Jahren wegen des Klimawandels in die Politik gegangen, blickte die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann (Grüne) zurück, die manche noch aus ihrer Zeit als Frankfurter Umweltdezernentin (2006 bis 2012) kennen. Rottmann pries die damalige Entscheidung, öffentliche Gebäude als Passivhäuser zu bauen. „Das fand die SPD damals nicht gut.“ Der Bund habe zum Jahresbeginn die Umsatzsteuer beim Einbau von Photovoltaikanlagen abgeschafft. „Die Türen gehen auf durch die Bundesregierung, wir müssen mit Schwung durchgehen.“ Ganze Straßenzüge ließen sich so mit Photovoltaik-Anlagen ausstatten.

„Es wird viel versprochen, aber es passiert relativ wenig“, konstatierte die Stadtverordnete Daniela Mehler-Würzbach (Linke). Ihre Fraktion habe schon 2008 Anträge für Photovoltaikanlagen auf Dächern gestellt - allerdings in der Oppositionsrolle. In Sachen Klimaneutralität rechne die Stadt den Flughafen und die Autobahnen aus der Bilanz heraus, bemängelte Mehler-Würzbach. „Wir lügen uns in die Tasche und gehen nicht an die Wurzeln der Probleme.“ Für diese Aussage gab es erstmals Applaus.

Blick ins Publikum beim FR-Stadtgespräch.
Blick ins Publikum beim FR-Stadtgespräch. © Peter Jülich

Der hessische Europastaatssekretär Uwe Becker (CDU) gab als Ziel aus, Frankfurt solle bis 2030 klimaneutral werden - wohlweislich bei Ausklammerung des Flughafens und der Autobahnen. Die Stadt soll sich laut Becker über Energieunternehmen an Geothermieprojekten im Oberrheingraben beteiligen, um aus Tiefenwärme klimaneutralen Strom zu erzeugen. Frankfurt und die Region müssten an europäische Wasserstoffpipelines angebunden werden. „Für mich hat Klima Priorität.“

Der hessische Landtagsabgeordnete und Stadtverordnete Yanki Pürsün (FDP) will auf technologischen Fortschritt setzen, um auf den Klimawandel zu reagieren. „Das wird nicht eine einzelne Maßnahme sein.“ Einen Widerstand in der Bevölkerung gegen Klimaschutzprojekte wolle er vermeiden. Klimaschutz gehe nur gemeinsam mit der Wirtschaft.

Mike Josef (SPD), Dezernent für Planung und Sport, sieht die soziale Frage mit dem Klima verknüpft. In Frankfurt verdienten 31 Prozent der Haushalte weniger als 2000 Euro netto. Auch diese Menschen müssten arbeitsnah wohnen und wohnungsnah arbeiten können. Etwa im Quartier Hilgenfeld, das zu 75 Prozent klimaneutral sein soll. Schwimmen gehen könnten die Menschen dann im neuen Rebstockbad, das mit Geothermie geheizt werden soll. Bei den „Hauptursachen für CO2 in den Städten, Autos und Gebäude“ müsse die Stadt stärker ansetzen, sagte er.

Viel Raum für das Megathema Mobilität

Nach den ausführlichen Klimabeiträgen kam die Runde geraffter auf Bildung und Wohnen zu sprechen. Hier war es Mike Josef, der erklärte, seit 2016 seien in Frankfurt 23 000 neue Wohnungen entstanden und 1000 Wohnungen über die Ferienwohnungssatzung für den Wohnungsmarkt zurückgewonnen worden. Josef kündigte Ausgaben von 200 Millionen Euro pro Jahr in Schulen und Kitas an, finanziert unter anderem aus Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer.

Intensiv widmeten sich die Kandidat:innen dann dem Megathema Mobilität. Über nichts werde im Fachausschuss Mobilität so leidenschaftlich debattiert wie über den Wegfall von Parkplätzen, konstatierte Daniela Mehler-Würzbach zutreffend. Sie warb für eine Beteiligung von Unternehmen an der Finanzierung des Nahverkehrs, eine Mobilitätswende weg vom Auto und eine Abkehr vom Autobahnausbau.

Uwe Becker sagte, er wolle zunächst die Einzelfahrten bei Bus und Bahn in der Stadt (3,40 Euro) wieder vergünstigen. „30 Prozent mehr für die Kurzstrecke, 19 Prozent mehr fürs Einzelticket, das ist keine soziale Entwicklung“, sagte er. Mike Josef hält den Preissprung, der seit Januar gilt, ebenfalls für zu hoch.

Manuela Rottmann sieht die Einnahmen durch die Ticketverteuerung an anderer Stelle sinnvoll genutzt: Schüler:innen und Rentner:innen mit Frankfurt-Pass zahlten nur noch neun Euro im Monat für die Fahrkarte. „Die Preise sind hoch, aber die Anpassung war richtig, wir können jeden Euro nur einmal ausgeben“, rechtfertigte Yanki Pürsün die Entscheidung.

Für den Bau eines Schienenrings rund um Frankfurt mit einer Regionaltangente Ost warb daraufhin Uwe Becker. Nicht alle Pendlerinnen und Pendler könnten aufs Auto verzichten, „auch wenn sich manche hier das wünschen“. Manuela Rottmann stellte fest, alle europäischen Großstädte gingen den Weg, Autoverkehr zu verringern. In der Zukunft soll der Anteil der Fahrten mit dem Auto aus ihrer Sicht auf 20 Prozent sinken. Für alle anderen Wege gebe es Bus, Bahn, das Fahrrad und die eigenen Füße.

Vorschläge zur Befriedung des Bahnhofsviertels

Bevor das Publikum Fragen zum Flughafen und zur Kulturfinanzierung stellte, kam die Runde aufs Bahnhofsviertel zu sprechen, das wegen Crackkonsums, der Verelendung der Drogenkranken und Beschaffungskriminalität zum Brennpunkt geworden ist.

Uwe Becker sprach sich dafür aus, den Frankfurter Weg zu verändern. „Wer eine halbe Stunde anstehen muss, um eine Crackpfeife zu rauchen, raucht sie auf der Straße“, sagte er. Nötig sei mehr Sozialarbeit, ausstiegsorientierte Programme, eine Waffenverbotszone und mehr Videoüberwachung.

Manuela Rottmann verteidigte den Frankfurter Weg, der akzeptiere, wenn Menschen nicht aus der Sucht aussteigen wollten. Sie habe im Bundestag für die Vergabe von Diamorphin, also synthetisches Heroin, an Schwerkranke gekämpft. Für ältere Drogenkranke brauche es Pflegeeinrichtungen. Auch andere Kommunen seien in der Pflicht. „Der nächste Druckraum ist in Karlsruhe“, wusste sie.

Die Nachbarschaft lasse Frankfurt alleine, stellte Yanki Pürsün fest. Er sprach sich für eine Waffenverbotszone aus. Mitarbeitende der Stadtreinigung FES seien im Bahnhofsviertel bedroht worden. Mike Josef warb ebenfalls für schärfere Waffengesetze. Der öffentliche Raum im Bahnhofsviertel werde derzeit von einer Minderheit okkupiert, sagte er. Zeitgleich sollten Sozialarbeitende Drogenkranke ansprechen.

Daniela Mehler-Würzbach verwies auf die Schattenseiten einer Waffenverbotszone. Die Polizei könne dann jede Person jederzeit ohne Anlass kontrollieren. „Das befördert Racial Profiling.“

Nach etwa zwei Stunden beendete das Moderatoren-Team die Debatte. Wer sich die Diskussion komplett anschauen will, kann das auf fr.de/eventvideo tun. Mehr als 1000 Menschen hatten das bis Donnerstagmittag getan. (Von Florian Leclerc)

Manuela Rottmann (Grüne): Kämpferin fürs Klima

Manuela Rottmann (Grüne) will Frankfurter Oberbürgermeisterin werden.
Manuela Rottmann (Grüne) will Frankfurter Oberbürgermeisterin werden. © Renate Hoyer

Manuela Rottmann rollt das R. Das wäre eigentlich keine Nachricht wert. Doch die Aussprache erinnert an einen Konflikt, den die Frankfurter Grünen erstaunlich schnell in den Griff bekommen haben.

Rottmann ist in Franken geboren und aufgewachsen. Zum Studium zog sie nach Frankfurt. 25 Jahre lang hat sie in der Stadt gelebt, war Dezernentin für Umwelt und Gesundheit. Dann wurde sie Bundestagsabgeordnete, später Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium.

Vor zehn Jahren hat die 50-Jährige die kommunalpolitische Bühne verlassen. Sollte sie jetzt trotzdem als OB-Kandidatin antreten? Oder sollten die Grünen lieber auf etablierte und verdiente Kommunalpolitikerinnen wie Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg oder Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner setzen? Diese Fragen prägten den Vorwahlkampf.

Mittlerweile wirken die Grünen geeint. Die große Mehrheit der Partei unterstützt Rottmann und ihren ambitionierten Wahlkampf. Der lässt sich mit dem Slogan „Klimaschutz First“ beschreiben. Frankfurt soll bis 2035 klimaneutral werden.

Doch was werden die dafür notwendigen Anstrengungen für Folgen haben? Manuela Rottmann weicht dieser Frage nicht aus. Sie sagt, das Wohnen in Frankfurt werde nicht teurer, es könne auch weiterhin gebaut werden. Nur eben klimaneutral und ohne Tiefgaragen. Und die Industrie? Die wandere nicht etwa ab, weil sie zu starke Einschränkungen fürchte. Nein, die Industrie werde sich vor allem dort ansiedeln, wo sie eine gute Versorgung mit erneuerbaren Energien vorfinde.

Das alles kann so kommen. Sicher ist es nicht. Insofern bleibt Rottmanns Wahlkampf eine Wette auf die Zukunft.

Sollte Manuela Rottmann nach der Stichwahl am 26. März zur Oberbürgermeisterin gekürt werden, hätten die Frankfurter Grünen die fünfte Wahl in Folge gewonnen. Und wenn es nicht klappt, hätte es zumindest nicht am rollenden R gelegen. geo

OB-Wahl in Frankfurt

FR-Online-Dossier: Wer wird Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin von Frankfurt? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden am 5. März. Stichwahl-Termin wäre der 26. März. Die FR bündelt ihre Berichterstattung mit Analysen, Porträts und aktuellen Nachrichten in einem .

Mit dem exklusiven FR-Wahlhelfer können Sie einfach und interaktiv herausfinden, welche:r Kandidat:in Ihnen inhaltlich nahe steht. 25 Thesen hat die FR-Redaktion ausgesucht - die Sie selbst gewichten können.

OB-Talks: Mit dem Medienmanager Bernd Reisig (Stiftung „Helfen helfen“) lädt die FR vier Kandidat:innen zu Einzelgesprächen ins SAE Institute (Hanauer Landstraße 123a). Am 13. Februar kommt Uwe Becker, am 16. Februar Manuela Rottmann, am 17. Februar Mike Josef und am 14. Februar - als Ergebnis einer Lerser:innen-Abstimmung - der Kandidat der „Partei“, Prof. Dr. Dr. Bembel, vertreten durch Katharina Tanczos. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Eintrittskarten gibt es für zehn Euro unter www.berndreisig.de – die Einnahmen gehen an die Bernd-Reisig-Stiftung.

Yanki Pürsün (FDP): Der Aufklärer

Yanki Pürsün tritt bei der OB-Wahl in Frankfurt für die FDP an.
Yanki Pürsün tritt bei der OB-Wahl in Frankfurt für die FDP an. © Rolf Oeser

Dass Yanki Pürsün auf den Oberbürgermeistersessel will, ist eigentlich nur logisch. Drei Jahre lang hat sich der Freidemokrat mit der Arbeiterwohlfahrt beschäftigt, hat Aktenberge durchwühlt und Anfrage über Anfrage im Stadtparlament gestellt. So viele wie niemand sonst, in der FDP nennen sie ihn deshalb auch den „AWO-Yanki“. Und er hat sich damit den Ruf des Chefaufklärers erworben. Chefaufklärer des AWO-Skandals, in den auch der damalige Oberbürgermeister Peter Feldmann verwickelt war – einer der Gründe, die Feldmanns Abwahl den Weg bereiteten und schließlich den Posten freimachten, um den sich Pürsün nun bewirbt.

Er hat viel recherchiert über die Netzwerke der AWO und die Rolle von Feldmann darin, der 50-Jährige war hartnäckig, wollte die Machenschaften aufklären. Und so ist es ihm ein großes Anliegen, als Oberbürgermeister für Transparenz zu sorgen, etwa mit einem Transparenzregister. Damit die Menschen sehen könnten, wie Politik entstehe, und verstehen könnten, wie Entscheidungen zustande kommen, heißt es in seinem Wahlprogramm. „Transparenz hat einen Namen“ steht auf einem seiner Wahlplakate, quasi sein Wahlkampfmotto.

Erstmals seit 2001 tritt die Frankfurter FDP wieder bei einer OB-Wahl an. Damals holte der Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Otto 1,8 Prozent. Pürsün will es nun besser machen. Er ist in Frankfurt geboren, seit 1992 in der FDP. Als OB-Kandidat hat er nun viel zu tun, aber er ist auch sonst viel beschäftigt. Pürsün ist nicht nur Fraktionsvorsitzender der FDP im Römer, er ist auch Landtagsabgeordneter. Dort kümmert sich der Luftverkehrskaufmann vor allem um Sozialpolitik. Dabei ist er nicht der Mann für polternde Auftritte, sondern eher der ruhigen Worte. Und mit vielen ruhigen Worten über die Unterstützung des Ehrenamts, das Vorantreiben der Digitalisierung und der Gewährleistung der Sicherheit will er es auf den OB-Sessel schaffen, den er mit freigeräumt hat. sabu

Daniela Mehler-Würzbach (Linke): Die Aktive

Daniela Mehler-Würzbach geht für die Linke bei der OB-Wahl in Frankfurt ins Rennen.
Daniela Mehler-Würzbach geht für die Linke bei der OB-Wahl in Frankfurt ins Rennen. © Peter Jülich

Sie ist viel auf der Straße zu sehen. Nicht nur derzeit im Straßenwahlkampf, in dem Daniela Mehler-Würzbach (Linke) um Stimmen für ihre OB-Kandidatur wirbt. Auch sonst. Wenn für den Erhalt des Fechenheimer Walds demonstriert wird oder für gute Löhne und faire Arbeitsbedingungen, dann ist die 38-Jährige dabei. Wenn Menschen wegen spekulativer Wohnungspolitik Häuser besetzen, dann solidarisiert sie sich. Denn das ist es, wofür sie als OB-Kandidatin antritt: Eine solidarische Stadt. Eine Stadt, die für alle da sein soll. Nicht nur für die Menschen mit Geld.

Seit 2021 ist Mehler-Würzbach Stadtverordnete, sitzt im Mobilitätsausschuss. In ihren Reden im Stadtparlament geht sie oft auf die soziale Situation der Menschen ein. Für sie wurden viele in den vergangenen Jahren von der Römerpolitik vergessen. Nicht gehört. Für diese Menschen will sie als Oberbürgermeisterin Sprachrohr sein. Sie setzt sich unter anderem ein für Nothilfen für Energiekosten, für die Schaffung von mehr sozialem Wohnraum, für gebührenfreie Kitas und für Bus und Bahn zum Nulltarif. Dass in Frankfurt die Fahrpreise für Einzeltickets angehoben wurden, ist für sie etwa ein „Bärendienst für die Verkehrswende“.

Mehler-Würzbach will eine Oberbürgermeisterin sein, „die mitten im Leben steht und verstanden hat, was wirklich zählt“. Sie ist in Fulda geboren, machte als Erste in ihrer Familie Abitur und studierte Politikwissenschaften, osteuropäische Geschichte und Friedens- und Konfliktforschung. 2016 trat Mehler-Würzbach bei den Linken ein. Sie hat zwei Töchter und wohnt mit ihrer Familie im Gallus-Viertel. Ihren Job als Referentin und Personalrätin an der Goethe-Universität hat sie für den OB-Wahlkampf erst einmal auf Eis gelegt. Damit sie viel auf der Straße sein kann. Um für ein Frankfurt mit mehr Gemeinwohl zu werben. Mit Daniela Mehler-Würzbach als Oberbürgermeisterin. sabu

Uwe Becker (CDU): Der Ausdauernde

Uwe Becker ist der CDU-Kandidat für die Frankfurter Oberbürgermeisterwahl.
Uwe Becker ist der CDU-Kandidat für die Frankfurter Oberbürgermeisterwahl. © Renate Hoyer

In der Karriere eines Berufspolitikers geht es nicht immer nur nach oben. Auch nicht in der Berufspolitikerkarriere von Uwe Becker. Als Petra Roth 2012 nicht mehr als Kandidatin zur Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt antrat, wollte Uwe Becker ihr nachfolgen. Parteiintern setzte sich Boris Rhein durch.

Rhein verlor zwar die Wahl gegen Peter Feldmann, aber machte aus seiner Niederlage einen Erfolg. Er wechselte zurück in die hessische Landespolitik, wo er bis heute reüssiert. Für Uwe Becker drehte sich Fortunas Rad ebenfalls zum Vorteil – der Stadtkämmerer übernahm Rheins Funktion als Vorsitzender der Frankfurter CDU. Wahlniederlagen und Rückschläge müssen Berufspolitikerkarrieren nicht unbedingt schaden.

Das zeigt das Jahr 2021. Für Uwe Becker ein schwieriges Jahr. Die CDU-Fraktion flog nach verlorener Kommunalwahl aus der Stadtregierung. Uwe Becker, seit 15 Jahren im Magistrat, wurde abgewählt. Im Bundestag waren nach der Wahl keine CDU-Abgeordneten aus Frankfurt mehr vertreten. Die Verantwortung übernahm Jan Schneider. Er war Becker 2017 als CDU-Kreisvorsitzender gefolgt. Becker bekam nach seinem Ausscheiden aus dem Magistrat einen Posten als Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten in der hessischen Landesregierung zugeschanzt.

2022 übernahm Becker erneut den CDU-Kreisparteivorsitz und setzte sich gegen Mitbewerberin Bettina Wiesmann durch. Als der 53-Jährige OB-Kandidat werden wollte, stellte sich ihm niemand mehr in den Weg. Bei dieser Vorgeschichte wird Uwe Becker aus der Oberbürgermeisterwahl am 5. März und seinen Themen Bahnhofsviertel oder Europa wieder einen persönlichen Erfolg machen – so oder so. Möglich ist, dass er in die Stichwahl einzieht. Dann sieht er sich wohl einem Menschen gegenüber, der die Mehrheit links der bürgerlichen Mitte auf sich vereint. Vielleicht schafft Becker das Wunder. Oder er bleibt Staatssekretär. Und hat seine Bekanntheit erhöht. fle

Mike Josef (SPD): Der Aufsteiger

Mike Josef.
Mike Josef. (SPD) will Frankfurter Oberbürgermeister werden. © Renate Hoyer

Mike Josef hat eine fast beispiellose Aufstiegsgeschichte hinter sich. Der Oberbürgermeisterkandidat der SPD, der mit seinen Eltern als Vierjähriger aus Syrien nach Deutschland floh, wuchs in einer Sozialwohnung in einem Stadtteil von Ulm auf, spielte als Kind und Jugendlicher sehr gut Fußball, besuchte aber zunächst nur die Hauptschule. Nun führt der Diplom-Politologe, vor kurzem 40 Jahre alt geworden, bereits seit 2016 das Frankfurter Dezernat für Planen und Wohnen, seit 2021 auch das für Sport. Umso wichtiger ist es Josef, als jemand wahrgenommen zu werden, der weiß, wo er herkommt – also etwa, wie es ist, in einer Familie aufzuwachsen, in der Geld immer knapp ist – und der aus diesem Selbstverständnis heraus Politik machen will.

In Frankfurt habe er sein Glück gefunden. Nun wolle er von diesem Glück etwas zurückgeben, sagte Josef etwas pathetisch, als er seine Kandidatur bekanntgab. Chancen, der erste gewählte Frankfurter Oberbürgermeister mit Migrationsgeschichte zu werden, hat er durchaus. Der Vater zweier Kinder zählt längst zu den bekanntesten Politikern in der Stadt – und gilt nicht nur bei der Stammwählerschaft der SPD als einer, der die Dinge anpackt.

Im Wahlkampf verspricht Josef mehr Geld für Kitas und Schulen, Einsatz für Mieterschutz und bezahlbare Wohnungen, aber auch eine höhere Priorität der Wirtschaftspolitik. Die will der frühere Organisationssekretär des DGB, der sich – auch in Abgrenzung zum abgewählten Ex-OB Peter Feldmann – als Teamplayer versteht, zur Chefsache machen, sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie stark machen, und für Unternehmensansiedlungen. Mehr oder weniger deutlich macht er klar: Ohne weiter kräftig sprudelnde Gewerbesteuerzahlungen ist das Frankfurt für alle, für das er kämpft, nicht zu finanzieren – mit mehr günstigen Wohnungen, deutlich günstigeren Fahrten in Bus und U-Bahn und besseren Kitas und Schulen. cm

20 Männer und Frauen wollen im März Frankfurter Stadtoberhaupt werden. Die FR lädt fünf von ihnen zum Gespräch.
20 Männer und Frauen wollen im März Frankfurter Stadtoberhaupt werden. Die FR lädt fünf von ihnen zum Gespräch. © Monika Müller

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