„Man lernt mit Niederlagen umzugehen, aber auch mit Siegen“, sagt der 40-Jährige, der mit seiner Frau und den zwei Kindern in Bornheim wohnt. Beim Fußball sei es zudem egal gewesen, wo jemand herkommt. Noch heute mag es Josef nicht, nach seiner Herkunft beurteilt zu werden. „Ich will danach bewertet werden, was ich für Frankfurt leiste.“
Überraschungsgast Achim Vandreike spart nicht eben mit Lob für seinen Parteifreund. Der sei ein unglaublich guter Kommunikator, könne auf Menschen zugehen, ihnen zuhören, Menschen aus unterschiedlichen Milieus zusammenführen, sagt der frühere Bürgermeister, der 2001 in einer Stichwahl knapp gegen Petra Roth (CDU) verlor. Bei Entweder-Oder-Fragen entscheidet sich Josef für „Grün“ statt „Schwarz“, verrät aber auch Persönliches. Tattoo oder Piercing? „Mit 15, 16 hatte ich mal zwei Ohrringe,“
Der politische Teil des Talks dreht sich stark um Wohnungspolitik. Die Moderatoren konfrontieren Josef mit Zahlen, die die Misere deutlich machen. Gerade mal 269 geförderte Wohnungen wurden 2022 fertiggestelt. Fast 9000 Haushalte warteten aber zuletzt auf eine Sozialwohnung. Josef sieht trotzdem eine Trendwende. Langsam entstehe mehr günstiger Wohnraum, der Baulandbeschluss wirke sich aus. Das sei aber auch dringend nötig, macht er klar. 31 Prozent der Haushalte in der Stadt hätten Einkommen von weniger als 2000 Euro Brutto. Auch für diese Menschen müsse Frankfurt bezahlbar bleiben, sagt er.
Dass geschätzt 10 000 bis 15 000 Wohnungen im Stadtgebiet leerstehen, nennt Josef angesichts des großen Mangels an günstigem Wohnraum eine riesige Ungerechtigkeit. Und kritisiert, dass es etwa in Bayern möglich sei, gegen spekulativen Leerstand vorzugehen, in Hessen dafür aber die Rechtsgrundlage fehle. Die Pläne für neue Stadtquartiere an der A5 verteidigt er. Ist es denn vertretbar, dafür Grünflächen und Äcker zu bebauen? Dort werde nur ein Fünftel der Fläche versiegelt wie bei ähnlichen Vorhaben im ländlichen Raum, antwortet Josef. Wenn Wohnungen nahe der Arbeitsplätze entstehen, reduziere das zudem den Pendlerverkehr.
Die Moderatoren kommen auch auf dem im November abgewählten Oberbürgermeister Peter Feldmann zu sprechen. Werden die Stimmen der Menschen, die gegen die Abwahl waren, Josef nicht vielleicht fehlen? Der will sich nicht mehr groß zu seinem früheren Parteifreund äußern. „Mittlerweile hat jeder alles über Feldmann gesagt – und das mindestens zweimal.“
Vier Kandidatinnen und Kandidaten zur OB-Wahl befragen wir in diesem speziellen Format.
- 13. Februar: Uwe Becker (CDU).
- 14. Februar: Prof. Dr. Dr. Bembel, vertreten durch Katharina Tanczos (Die Partei).
- 16. Februar: Manuela Rottmann (Grüne).
- 17. Februar: Mike Josef (SPD).
Die OB-Talks beginnen jeweils um 19 Uhr im SAE Institute Frankfurt, Hanauer Landstraße 123a. Tickets gibt es unter www.berndreisig.de. Die Veranstaltungen werden live auf www.fr.de/ob-wahl übertragen.
Mike Josef hat eine fast beispiellose Aufstiegsgeschichte hinter sich. Der Oberbürgermeisterkandidat der SPD, der mit seinen Eltern als Vierjähriger aus Syrien nach Deutschland floh, wuchs in einer Sozialwohnung in einem Stadtteil von Ulm auf, spielte als Kind und Jugendlicher sehr gut Fußball, besuchte aber zunächst nur die Hauptschule.
Nun führt der Diplom-Politologe, vor kurzem 40 Jahre alt geworden, bereits seit 2016 das Frankfurter Dezernat für Planen und Wohnen, seit 2021 auch das für Sport. Umso wichtiger ist es Josef, als jemand wahrgenommen zu werden, der weiß, wo er herkommt – also etwa, wie es ist, in einer Familie aufzuwachsen, in der Geld immer knapp ist – und der aus diesem Selbstverständnis heraus Politik machen will.
In Frankfurt habe er sein Glück gefunden. Nun wolle er von diesem Glück etwas zurückgeben, sagte Josef etwas pathetisch, als er seine Kandidatur bekanntgab. Chancen, der erste gewählte Frankfurter Oberbürgermeister mit Migrationsgeschichte zu werden, hat er durchaus. Der Vater zweier Kinder zählt längst zu den bekanntesten Politikern in der Stadt – und gilt nicht nur bei der Stammwählerschaft der SPD als einer, der die Dinge anpackt.
FR-Online-Dossier: Wer wird Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin von Frankfurt? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden am 5. März. Stichwahl-Termin wäre der 26. März. Die FR bündelt ihre Berichterstattung mit Analysen, Porträts und aktuellen Nachrichten in einem Online-Dossier. Mit dabei: Die Positionen der Kandidatinnen zu acht zentralen Wahlprüfsteinen.
Mit dem exklusiven FR-Wahlhelfer können Sie einfach und interaktiv herausfinden, welche:r Kandidat:in Ihnen inhaltlich nahe steht. 25 Thesen hat die FR-Redaktion ausgesucht - die Sie selbst gewichten können.
FR-Stadtgespräch zum Nachschauen: Am Mittwoch, 8. Februar, stellten sich den Fragen des FR-Römerteams die Kandidat:innen Manuela Rottmann, Uwe Becker, Mike Josef, Daniela Mehler-Würzbach und Yanki Pürsün. Die Diskussionsrunde lässt sich im Video nachsehen.
Im Wahlkampf verspricht Josef mehr Geld für Kitas und Schulen, Einsatz für Mieterschutz und bezahlbare Wohnungen, aber auch eine höhere Priorität der Wirtschaftspolitik. Die will der frühere Organisationssekretär des DGB, der sich – auch in Abgrenzung zum abgewählten Ex-OB Peter Feldmann – als Teamplayer versteht, zur Chefsache machen, sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie stark machen, und für Unternehmensansiedlungen.
Mehr oder weniger deutlich macht er klar: Ohne weiter kräftig sprudelnde Gewerbesteuerzahlungen ist das Frankfurt für alle, für das er kämpft, nicht zu finanzieren – mit mehr günstigen Wohnungen, deutlich günstigeren Fahrten in Bus und U-Bahn und besseren Kitas und Schulen. (cm)