Wahlprüfstein Kultur: Jetzt kommt die Spardebatte

Die Kulturpolitik spielt im OB-Wahlkampf keine entscheidende Rolle - obwohl wichtige Entscheidungen anstehen.
Frankfurt - Dieser Oberbürgermeisterwahlkampf hat seine Themen. Die Preise im Nahverkehr. Die Situation im Bahnhofsviertel. Der Bau von Schulen. Was aber ist mit dem Neubau der Städtischen Bühnen, dem Verbleib des English Theatre, der Finanzierung der freien Kunst- und Theaterszene, dem Kulturcampus? Diese Themen kommen im Wahlkampf nur am Rande vor.
Eine Stunde und fünfzig Minuten mussten sich die Zuschauerinnen und Zuschauer beim FR-Stadtgespräch mit fünf OB-Kandidat:innen gedulden, bis die Kulturpolitik zur Sprache kam. Dank Literaturveranstalter Lothar Ruske aus dem Publikum, der gefragt hatte. In den nächsten zehn Minuten schilderten Mike Josef (SPD), Manuela Rottmann (Grüne), Uwe Becker (CDU), Daniela Mehler-Würzbach (Linke) und Yanki Pürsün (FDP) ihre nahezu identischen Positionen.
Es fielen Worte wie Selbstzweck, identitätsstiftend oder Zweck an sich. Alle waren sich einig, dass an der Kultur nicht gespart werden soll. Große Versprechungen machten sie aber nicht.
OB-Wahlkampf in Frankfurt: 2022 kam die Kultur ums große Sparen noch herum
Das nimmt die Haushaltsdebatte vorweg, die im März geführt werden soll. Am 30. März, wenige Tage nach der Stichwahl, will Kämmerer Bastian Bergerhoff (Grüne) den Haushaltsentwurf 2023 in der Stadtverordnetenversammlung einbringen. Im vergangenen Jahr kam die Kultur noch ums große Sparen herum. Lediglich die Öffnungszeiten von städtischen Museen wurden leicht gekürzt.
Wahlprüfsteine
Welche Themen entscheiden die OB-Wahl am 5. März? Wir stellen die Herausforderungen und die Herangehensweise der Kandidat:innen zu acht Politikfeldern vor.
- Wahlprüfstein Klima - wer kann das in Frankfurt?
- Wahlprüfstein Verkehr - Frankfurt muss sich neu erfinden
- Wahlprüfstein Sicherheit - und deren Grenzen in Frankfurt
- Wahlprüfstein Migration/Diversität - Vielfalt kaum abgebildet
- Wahlprüfstein Wohnen: Angst vor der Verdrängung
- Wahlprüfstein Bildung: zu langsam beim Schulbau
- Wahlprüfstein Kultur: vor der Spardebatte
In Kürze folgt:
- Wahlprüfstein Soziales
on 2023 bis 2025 soll der Kulturetat allerdings von 172 Millionen Euro auf 155 Millionen Euro sinken. Das bereitet unter anderem der freien Theaterszene Sorgen, die zuletzt mit weiteren Mitteln ausgestattet worden war. Gerade haben sich die Theater von der Pandemie erholt, die Zuschauerinnen und Zuschauer kommen zurück. Droht nun die nächste Krise?
Besonders hart könnte es die Städtischen Bühnen treffen. Dort sind Kürzungen von etwa sieben Millionen Euro im Jahr vorgesehen. Das ginge nur mit gravierenden Einschnitten beim Spielplan und betriebsbedingten Kündigungen. Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) sprach sich bereits gegen solche drastischen Schritte aus. Sie muss nun Vorschläge machen, wie sie sparen will, etwa durch Umschichtungen im Kulturetat. Es wird nicht einfach, die angestrebte Summe zu erreichen.
Hartwig hofft auf Subventionen des Landes. Ihr Argument ist, dass etwa 45 Prozent der Besucherinnen und Besucher des Schauspiels aus dem Umland von Frankfurt und außerhalb von Hessen kommen. Bei der Oper sind es etwa 70 Prozent. Frankfurt finanziert damit Kultur für Hessen, ohne dass sich das Land daran beteiligt. Bei anberaumten Gesprächen Hartwigs mit dem hessischen Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) und der hessischen Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) wird auch dieses Thema zur Sprache kommen.
Kulturcampus verzögert sich immer mehr
Ebenso wie der Kulturcampus auf dem Campus Bockenheim. Seit langem verzögert sich ein Architekturwettbewerb; Stadt und Land machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Das Land hat das Raumprogramm und eine Finanzierung für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst bereitgestellt.
Die Stadt pocht auf die Einhaltung des Bebauungsplans und will ein Zentrum der Künste mit Frankfurt Lab in die gesamte Planung integrieren; das Zentrum der Künste nimmt aus Sicht des Landes aber zu viel Raum ein. Auch ist dessen Finanzierung noch nicht gesichert.
OB-Wahl in Frankfurt
FR-Online-Dossier: Wer wird Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin von Frankfurt? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden am 5. März. Stichwahl-Termin wäre der 26. März. Die FR bündelt ihre Berichterstattung mit Analysen, Porträts und aktuellen Nachrichten in einem Online-Dossier.
Mit dem exklusiven FR-Wahlhelfer können Sie einfach und interaktiv herausfinden, welche:r Kandidat:in Ihnen inhaltlich nahe steht. 25 Thesen hat die FR-Redaktion ausgesucht - die Sie selbst gewichten können.
FR-Stadtgespräch zum Nachschauen: Am Mittwoch, 8. Februar, stellten sich den Fragen des FR-Römerteams die Kandidat:innen Manuela Rottmann, Uwe Becker, Mike Josef, Daniela Mehler-Würzbach und Yanki Pürsün. Die Diskussionsrunde lässt sich im Video nachsehen.
OB-Talks: Mit dem Medienmanager Bernd Reisig (Stiftung „Helfen helfen“) lud die FR vier Kandidat:innen zu Einzelgesprächen ins SAE Institute: Uwe Becker (CDU), Manuela Rottmann (Grüne), Mike Josef (SPD) und - als Ergebnis einer Lerser:innen-Abstimmung - der Kandidat der „Partei“, Prof. Dr. Dr. Bembel, vertreten durch Katharina Tanczos. Die vier Abende im Video zum Nachschauen.
Hinzu kommt, dass sich die OB-Kandidatin Manuela Rottmann und OB-Kandidat Mike Josef für einen Erhalt des Juridicums ausgesprochen haben. Das sieht wiederum Hochschulpräsident Elmar Fulda kritisch. Aufschluss dürfte der Architekturwettbewerb geben, der Entwürfe mit und ohne Juridicum zeigen kann. Anschließend müssten die Stadtverordneten abwägen, ob ein Bauen im Bestand sinnvoll ist oder nicht. Klimagründe sprächen dafür.
Zwar finden manche Zeitgenossen und Zeitgenossinnen den 1967 von Architekt Heinrich Nietschke errichteten Riegel hässlich. Doch das Gebäude steht geradezu exemplarisch für die Architektur der 1960er Jahre.
Bei den Städtischen Bühnen hat die Römer-Koalition bereits ein Bauen im Bestand prüfen lassen und verworfen. Es wäre mit vielen Unwägbarkeiten verbunden gewesen, aber so teuer gewesen wie ein Neubau. Wie möglichst klimaeffizient gebaut werden kann, hat die Koalition das Kulturdezernat prüfen lassen. Ein aktualisierter Bericht, der den Bericht von September 2021 über die möglichen Standorte ergänzt, steht kurz vor der Veröffentlichung.
Drei Varianten sind noch in der engeren Auswahl: Die Kulturmeile, mit Oper oder Schauspiel an der Neuen Mainzer Straße und dem anderen Gebäude auf dem Willy-Brandt-Platz, ist eine Variante. Die andere sieht den Bau einer Theaterdoppelanlage am bisherigen Standort vor, allerdings würden Oper und Schauspiel ihre Standorte tauschen. Die Spiegelvariante würde das Schauspiel schräg gegenüber des bisherigen Standorts in die Wallanlage versetzen, die Oper bliebe am alten Standort.
Die Stadtverordneten können sich, wenn der aktualisierte Bericht veröffentlicht ist, für einen Standort entscheiden. Sie müssten dann einen Architekturwettbewerb auf den Weg bringen. Im Anschluss müssten sie die Finanzierung beschließen: Etwa eine Milliarde Euro soll der Neubau kosten. Auch wenn diese Summe über viele Jahre abgeschrieben wird, läuft sie doch den Kürzungen entgegen, die im Kulturetat erfolgen sollen.
Beteiligung des Landes ist nicht gesichert
Hinzu kommt der Neubau eines Kinder- und Jugendtheaters im Zoo-Gesellschaftshaus. Hier rechnet die Stadt mit Kosten von 13 Millionen Euro. Auch dieses Theater wird nicht nur Kinder und Eltern aus Frankfurt, sondern aus dem gesamten Umland anziehen. Das spricht wiederum für eine finanzielle Beteiligung des Landes.
Solange sich das Land bei den Bühnen und beim Kinder- und Jugendtheater zurückhält, muss die Stadt auf sich selbst vertrauen – und darauf, dass die Gewerbesteuereinnahmen weiter steigen. An diesen Einnahmen hängen letztlich alle großen und kleinen Kulturprojekte in der Stadt.
DIE POSITIONEN DER KANDIDATINNEN UND KANDIDATEN
Manuela Rottmann (Grüne)

Die Kandidatin der Grünen findet, dass die Argumente für einen Neubau der Städtischen Bühnen unter Bewahrung der denkmalgeschützten Bauteile sprechen. Beide Häuser gehörten in die Innenstadt. Die Bedeutung des English Theatre gehe weit über Frankfurt hinaus. Diese Bühne sei für die internationale Community im Rhein-Main-Gebiet unverzichtbar.
Das Theater sollte im Gallileo-Hochhaus bleiben. Die Museen sollten zusätzliche Angebote für unterrepräsentierte Gruppen machen. Der Eintritt für Kinder und Jugendliche sollte in städtischen Museen kostenfrei bleiben.
Yanki Pürsün (FDP)

Der Kandidat der FDP ist der Meinung, dass eine Sanierung der Städtischen Bühnen aufgrund der vielen Mängel nicht lohne. Den Neubau mit Erhalt des Wolkenfoyers unterstütze er. Im Gallileo-Hochhaus habe das English Theatre einen optimalen Standort; er stehe für dessen Erhalt.
Weil Kultur und Bildung wichtig seien für Kinder und Jugendliche wolle er den freien Eintritt für diese Gruppen in den städtischen Museen erhalten.
Daniela Mehler-Würzbach (Linke)

Die Kandidatin der Linken hat alle Fragen, die wir allen Kandidat:innen zur OB-Wahl in Frankfurt zum Thema Kultur gestellt haben, mit Ja beantwortet. Sollte Frankfurt die Städtischen Bühnen abreißen und unter Bewahrung des Wolkenfoyers in der Innenstadt neu bauen? Sollte das English Theatre im Gallileo-Hochhaus bleiben?
Sollte der Eintritt in städtischen Museen für Kinder und Jugendliche kostenlos bleiben? Dreimal antwortete Daniela Mehler-Würzbach mit Ja – so wie alle anderen Kandidat:innen auch. Allerdings nutzte sie die Möglichkeit zur Begründung nicht.
Uwe Becker (CDU)

Der Kandidat der CDU hat bei den Städtischen Bühnen seine Position zum Standort geändert. Lange argumentierte die CDU, am Osthafen sei Platz für ein „Signature Building“, ähnlich wie die Elbphilharmonie in Hamburg. Nachdem der Standort am Osthafen von der Koalition nicht mehr verfolgt wird, schwenkte Uwe Becker um.
Er befürwortet nun einen Bühnenneubau in der Innenstadt unter Erhaltung des Wolkenfoyers. Das English Theatre sollte seiner Ansicht nach im Gallileo-Turm bleiben. Den freien Eintritt für Kinder und Jugendliche in städtischen Museen will Becker beibehalten. Dass nur Frankfurterinnen und Frankfurter, nicht Menschen von außerhalb, davon profitieren, hatte die CDU in der früheren Koalition durchgesetzt.
Mike Josef (SPD)

Der Kandidat der SPD findet, dass die Städtischen Bühnen in der Frankfurter Innenstadt neu gebaut werden sollten, sobald ein guter und bezahlbarer zentraler Standort gefunden sei. Das Wolkenfoyer solle erhalten bleiben. Beim English Theatre sei ein Verbleib im Gallileo-Hochhaus vertraglich so festgelegt worden, dabei solle es seiner Ansicht nach bleiben.
Den kostenlosen Eintritt für Kinder und Jugendliche unterstützt Mike Josef nicht nur bei städtischen Museen, sondern auch in Schwimmbädern, im Palmengarten und im Zoo. Alle Kinder müssten die Chance erhalten, am kulturellen und sportlichen Leben teilzuhaben.