Nico Wehnemann: „Aus Binding Export darf kein Binding Import werden“

Angesichts der drohenden Brauereischließung ruft der Stadtverordnete Nico Wehnemann (Die Partei) zu einem neuen Bierkrawall in Frankfurt auf.
Die Satirepartei „Die Partei“ ruft für Freitag, 21. April, zum Gedenken an den Frankfurter Bierkrawall vor 150 Jahren auf. Aktueller Hintergrund der Demonstration ist der geplante Wegzug der Binding-Brauerei in Sachsenhausen. Einer der Organisatoren des Protests ist Nico Wehnemann, der für die „Partei“ in der Stadtverordnetenversammlung sitzt.
Herr Wehnemann, müssen alle Menschen in Frankfurt wissen, was es mit dem Bierkrawall auf sich hatte?
Das finde ich schon. Wir feiern dieses Jahr das Paulskirchen-Jubiläum und freuen uns über Demokratie und Freiheit. Aber genau damit hat auch der Bierkrawall vor 150 Jahren zu tun.
Jetzt müssen Sie aber doch noch etwas Geschichtsunterricht geben.
Anlass für den Krawall war die Erhöhung des Bierpreises um 12,5 Prozent. Das Bier sollte nicht mehr einen Batzen kosten, was vier Kreuzern entsprach, sondern viereinhalb Kreuzer. Viele Arbeiter konnten sich das nicht leisten und protestierten. Am 21. April eskalierte die Situation. Nach einem Volksfest an der Breiten Gasse zog eine Demonstration zu einer lokalen Brauerei an der Neuen Mainzer Straße, wo es Zusammenstöße mit Brauereibeschäftigten gab. Die Frankfurter Polizei war völlig überfordert und rief das Militär. Das hat den Aufstand dann blutig niedergeschlagen. Zehn Menschen starben, darunter ein Kind.
Und wie entwickelte sich der Bierpreis?
Die Erhöhung wurde zurückgenommen. Der Bierpreis betrug weiterhin einen Batzen. Wir wollen Batzenbier – der Schlachtruf hatte Erfolg. Daran sieht man: Das Volk kann sich wehren, Entscheidungen können zurückgenommen werden. Und damit sind wir bei der Gegenwart.
Bei der Binding-Brauerei?
Demonstration
Zum Protestzug ruft die Satirepartei „Die Partei“ für Freitag, 21. April, dem Jahrestag des Frankfurter Bierkrawalls auf. Treffpunkt ist um 18 Uhr der Diesterwegplatz in Sachsenhausen. Durch den Südbahnhof will die Gruppe zur Binding Brauerei zur Darmstädter Landstraße ziehen.
Richtig. Die Menschen in Frankfurt haben das Recht auf ein bezahlbares lokales Bier, dafür müssen sie kämpfen.
Wobei es Binding ja weiterhin geben wird. Der Mutterkonzern Radeberger will es nur woanders brauen lassen ...
Und das ist ein Skandal. Die Frankfurterinnen und Frankfurter müssen verhindern, dass aus einem Binding-Export ein Binding-Import wird.
Fühlen sich die Beschäftigten, die um ihren Arbeitsplatz fürchten, bei solchen Sprüchen eigentlich ernst genommen?
Mit Sicherheit. Wir sind mit vielen Beschäftigten in Kontakt. Die unterstützen unseren Protest, der ja als unangemeldete spontane Krawalldemo an der Binding-Brauerei enden wird. Und vielleicht gibt es da sogar noch das eine oder andere Bier zu trinken.
Aber als Satirepartei ...
Als Satirepartei ist uns der ernste Hintergrund der Debatte um Binding durchaus bekannt. Wir wollen Binding retten und erinnern deshalb an den in Vergessenheit geratenen Bierkrawall.
Die Frankfurter Stadtpolitik hat zuletzt deutlich gemacht, dass auf dem Brauereigelände in Sachsenhausen keine Wohnungen entstehen dürfen. So soll Radeberger klargemacht werden, dass das Unternehmen den Standort nicht versilbern kann. Was halten Sie von dieser Taktik?
Das ist alles gut und schön. Immerhin bleiben uns so weitere Luxuswohnungen erspart. Aber ein Gewerbegebiet kann man auch zu Geld machen. Die Stadt müsste viel stärker für Binding kämpfen und die Brauerei im Zweifel selbst übernehmen. Aber Biertrinker sind der Regierung wohl völlig egal.
