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„Nicht überall in Europa ist Frühling“

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Von: Timur Tinç

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Der ukrainische Generalkonsul Vadym Kostiuk spricht zu den Versammelten.
Der ukrainische Generalkonsul Vadym Kostiuk spricht zu den Versammelten. © Michael Schick

Der Krieg in der Ukraine wirft auch seinen Schatten auf den Frühjahrsempfang von Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg

In schönen Gefäßen und bunten Farben war der Haft-Sin-Tisch im Eingangsbereich des Gesellschaftshaus des Palmengarten hergerichtet. Die Tafel gehört zum persischen Frühlings- und Neujahrsfest Nouruz oder Newroz traditionell dazu. Auch beim Frühlingsempfang der Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) am Dienstagabend mit rund 400 Gästen. „Der Frühling soll eine Zeit der Unbeschwertheit und der Leichtigkeit sein. Das ist er aber dieses Jahr leider nicht“, sagte die Dezernentin für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

„Für uns ist der 49. Februar“

Der russischen Angriffskrieg in der Ukraine warf auch gestern seinen Schatten auf die – in ihrer Kernidee – fröhlich angedachte Veranstaltung. Stattdessen wurde sich besonnen und die Hoffnung auf baldigen Frieden zum Ausdruck gebracht. „Nicht überall in Europa ist Frühling“, sagte der ukrainische Generalkonsul Vadym Kostiuk. „Für uns ist der 49. Februar“, sagte er am Tag des 25. Tags des Krieges, der am 24. Februar begonnen hat. Er las aus dem Text einer Frau aus Mariupol, die das Leid in der Menschen in der Stadt beschreibt, die von Wasser, Essen und Elektrizität abgeschnitten. Die Autorin der Zeilen habe glücklicherweise fliehen können. „Lassen wir die Hoffnungen der Überlebenden auf den lang ersehnten Frühling in Erfüllung gehen“, sagte Kostiuk.

Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner-Gölbasi (Grüne) hob den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Hilfsbereitschaft der Menschen in Frankfurt hervor. „Diesen Zusammenhalt kann uns kein Despot nehmen“, betonte sie.

Eskandari-Grünberg erklärte, dass in der Stadt keine Unterscheidung zwischen Geflüchteten gemacht werde. „Es gibt für uns keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse“. Es dürften auch nicht diejenigen vergessen werden, die vor der Schreckensherrschaft der Taliban aus Afghanistan fliehen. Oder diejenigen, die dem Bürgerkrieg in Syrien entkommen wollen. Oder diejenigen, die sich aus der menschenunwürdigen Armut befreien wollten.

Die Künstlerin Enissa Amani, Tochter von zwei Geflüchteten aus dem Iran, regte in ihrer fast halbstündigen Rede zum Nachdenken an und schaffte es, die bedrückte Stimmung humorvoll aufzulockern. „Mein Vater hat mir immer gesagt, dass man als Ausländer, und ich weiß wie falsch dieses Wort ist, immer mehr kämpfen müssen, um auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden“, erzählte sie. Wenn sie in Talkshows zu Gast sei, heiße es häufig „die Iranerin“ in den Kommentaren in den sozialen Netzwerken.

Eskandari-Grünberg betonte, dass der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie unvermindert weiter geführt werden müsse. Den Frühlingsempfang, den sie einst als ehrenamtliche Integrationsdezernentin, ins Leben gerufen hatte, versprach sie zur Tradition zu machen. „Dazu gehört es auch, unterschiedlichste Menschen zusammenzubringen“, sagte sie.

Zum orientalisch hergerichteten Haft-Sin-Tisch gab es dann kleine Brezeln und Laugenstangen zu Essen. Sozusagen, der Frankfurter Touch.

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