Interview mit Mike Josef: „Der Koalitionsvertrag ist meine Arbeitsgrundlage“

Der designierte Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) über seine ersten Amtshandlungen, den AWO-Skandal und die Einsamkeit am Wahlabend
Es war eine kurze Nacht für Mike Josef, den Gewinner der Oberbürgermeister-Wahl in Frankfurt. Erst um 5 Uhr morgens konnte der SPD-Politiker schlafen – „aber nur wenige Stunden“. Am Montag traf sich Josef mit der Frankfurter Rundschau zum Interview.
Herr Josef, wie haben Sie eigentlich den Wahlabend verbracht, bevor Sie als Sieger in den Römer gekommen sind?
Ich saß alleine in meinem Büro im Planungsdezernat. Ich wollte keine Zwischenstände hören.
Ernsthaft?
Ja. Ich wusste ja, dass es ganz eng würde. Plötzlich hörte ich aus dem Nebenzimmer Jubel, und dann kam jemand 'rein und sagte: Mike, du hast es geschafft. Das war ein unglaubliches Gefühl.
Jetzt sind Sie der erste gewählte Oberbürgermeister mit Migrationsgeschichte in Frankfurt ...
Das ist richtig, aber wenn ein junges Paar in dieser Stadt einen Kita-Platz oder eine bezahlbare Wohnung sucht, dann ist den Leuten erst einmal völlig egal, wo ich herkomme. Dann zählen nur meine Taten, und das ist auch richtig so. Aber natürlich ist meine Geschichte eine besondere. Es ist eine Geschichte, die sehr gut zu Frankfurt passt. Und ich bin stolz auf diese Geschichte.
Ärgert Sie die Wahlanalyse? Offenbar haben Sie ja vergleichsweise wenig Stimmen aus dem SPD-Lager bekommen.
Ja, aber womöglich habe ich Menschen zurückgewonnen, die früher die SPD gewählt und es bei der Kommunalwahl 2021 nicht getan haben. So kann man die Analyse auch interpretieren.
Womöglich waren viele Wählerinnen und Wähler der SPD wütend darüber, dass es in den vergangenen Wochen wieder Korruptionsvorwürfe gegen einen SPD-Mann gegeben hat. Wie gehen Sie die Aufarbeitung des AWO-Skandals an?
Die Konstruktion des Hauptamts war sicher ein Teil des Problems. Die werde ich sofort ändern. Meine erste Verfügung wird sein, dass Hauptamt und Stadtmarketing getrennt werden. Und das Presseamt darf nicht länger eine Marketingmaschine für einen einzelnen Politiker sein, sondern muss der gesamten Stadtverwaltung dienen.
Das war jetzt nach vorne geschaut. Aber müssen Sie nicht rückblickend aufklären, wie es passieren kann, dass gegen den Leiter des Hauptamts fast ein Jahr lang ermittelt wird, und niemand in der Stadtregierung bekommt etwas davon mit?
Natürlich muss das aufgeklärt werden. Aber auch bei dieser Frage glaube ich, dass die Struktur des Hauptamts solche Abläufe begünstigt hat.
Zur Person
Mike Josef ist am Sonntag zum Frankfurter Oberbürgermeister gewählt worden. Der 40 Jahre alte Sozialdemokrat fungiert seit 2016 als städtischer Dezernent für Planen und Wohnen, seit 2021 auch für Sport.
Der Diplom-Politologe wohnt mit seiner Familie in Bornheim. Sein politisches Engagement begann im Asta-Vorstand der Goethe-Uni. 2011 zog der gebürtige Syrer in das Stadtparlament ein. 2013 wurde er zum SPD-Chef gewählt, Vor seiner Zeit bei der Stadt arbeitete er für den DGB. cm
Was haben Sie sich darüber hinaus für die ersten Tage im Amt vorgenommen?
Ich werde den Energiefonds für Haushalte aufsetzen, die sich die hohen Energiekosten nicht leisten können. Über den Frankfurt-Zuschlag für Erzieherinnen und Erzieher werde ich sehr bald Gespräche in Wiesbaden führen, denn wir brauchen die Zustimmung des Landes.
Sie haben gesagt, dass Sie die oft zerstritten auftretende Koalition im Römer einen wollen. Aber wie soll das gehen? Grüne und FDP ziehen in der Verkehrspolitik doch nicht deshalb an einem Strang, weil Sie jetzt Oberbürgermeister sind.
Ich sehe mehr Gemeinsames als Trennendes, das muss dann in gemeinsame Entscheidungen münden. Natürlich kann sich nicht jeder Koalitionspartner genau mit seinen Vorstellungen durchsetzen. Aber wenn eine Koalition nur mit sich selbst beschäftigt ist und nichts umsetzt, ist das für alle Partner schlecht. Wie müssen jetzt zur Umsetzung des Koalitionsvertrags kommen. Der ist meine Arbeitsgrundlage.
Aber die Frage stellt sich doch noch mehr bei Ihrem Vorhaben, in wichtige Entscheidungen die Opposition einzubinden. Wenn beim Neubau der Bühnen die Koalition für die Spiegellösung ist und die CDU für eine Kulturmeile entlang der Neuen Mainzer Straße plädieren sollte – wie wollen Sie da einen Kompromiss schaffen?
Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es gelingt, eine gemeinsame Linie herbeizuführen. Ich kann es nur versuchen und dazu viele Gespräche führen. Aber wir müssen beispielsweise bei den Bühnen zu einer Entscheidung kommen, die verlässlich ist. Diese Entscheidung muss auch Bestand haben, wenn es wieder andere Mehrheiten in der Stadtverordnetenversammlung geben sollte. Die nächste Kommunalwahl ist schon in drei Jahren. Wir können dann nicht alles wieder neu verhandeln.
Werden Sie Aufgaben im Magistrat neu verteilen?
Ich behalte das Sportdezernat. Für meine Nachfolge im Planungsdezernat wird es eine schnelle Lösung geben.
Gehandelt werden die Namen Kolja Müller und Marcus Gwechenberger ...
Die werde ich nicht kommentieren. Wir werden zeitnah eine Lösung finden. Außerdem wird das Referat für internationale Angelegenheiten an Eileen O’Sullivan gehen und das Stadtmarketing an Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst.
Werden Sie mit Bahnbabo Peter Wirth weiter zusammenarbeiten? Er hatte Sie ja im Wahlkampf unterstützt.
Ich bin dem Bahnbabo sehr dankbar und habe ihm gesagt: Das muss nichts Einmaliges bleiben, dass du dich in der Stadtpolitik engagiert hast. Ich würde ihn gerne für gemeinsame Projekte gewinnen, denn der Bahnbabo weiß, wie man junge Leute anspricht. Und darum geht es. Dass Menschen sich für unsere Stadt einbringen.