Neuer Dezernent: Die Mobilitätswende gestalten

Wolfgang Siefert (Grüne) wird am Donnerstag in der Stadtverordnetenversammlung zum neuen Verkehrsdezernenten gewählt.
Wolfgang Siefert lädt in einen Konferenzraum mit großen Tisch, Bildschirm und einigen Ordnern. Zwei Mal ist das Verkehrsdezernat in den vergangenen Jahren umgezogen: Vom Altbau in der Braubachstraße in die Stiftstraße, wo auch Traffiq und die RTW-Planungsgesellschaft untergebracht sind. Und zuletzt in die Schillerstraße.
Das lag beim erstem Umzug an der mangelnden Barrierefreiheit. Beim zweiten Mal daran, dass das Dezernat Gesundheit hinzukam. Oder anders herum: Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne) wurde nach der Kommunalwahl 2021 auch wieder Verkehrsdezernent.
Wenn Majer am 7. Juli in den Ruhestand geht, übernimmt Wolfgang Siefert das Verkehrsdezernat. Gewählt wird Siefert an diesem Donnerstag in der Stadtverordnetenversammlung. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Das Ressort Gesundheit geht im Juli an Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne). Das Dezernat ist im selben Gebäude in der Schillerstraße untergebracht.
Gerade tropft es aus der Decke, die Handwerker sind da. Das ist wohl symbolisch zu verstehen. Bei komplexen Ressorts wie Verkehr kann immer etwas Unerwartetes geschehen.
Als „Riesenthema“ der nächsten Jahre nennt Siefert den Umbau der Frankfurter Hauptbahnhofs. Die Bahn baut eine neue B-Ebene. Die Stadt will die Straßenbahnhaltestelle viergleisig ausbauen. Der Radverkehr soll mehr Platz bekommen. Dann kommt noch die Gestaltung der drei Plätze – Vorplatz, Nordseite und Südtasche – hinzu. Und der Fernbahntunnel mit Fernbahnhof unter der Mannheimer Straße.
Das wird wiederum zu Problemen führen. Denn die Straßenbahnen fahren über die Mannheimer Straße zum Betriebshof Gutleut. Aber nicht, wenn die Straße aufgerissen ist. Also muss die Stadt eine Umleitung bauen, über die Gutleutstraße. Aus der Not wird eine Tugend, könnte man sagen: Das Gutleut wird endlich an die Straßenbahn angebunden.
Mit dem Verkehrsressort übernimmt Siefert eines der Ressorts die häufig Streit ausgesetzt sind. Nur bei Wohnen, Bildung und Umwelt kochen die Emotionen gleichermaßen hoch. Die Zahl der Anfragen, welche die Verwaltung zu Verkehrsthemen zu bearbeiten hat, übersteigt die jedes anderen Fachbereichs. Es ist ein Feld, das viel Kommunikation erfordert.
Siefert kommuniziert gut, genau wie Amtsinhaber Stefan Majer. Das ist auch nötig, um Menschen davon zu überzeugen, im Sinne einer Mobilitätswende alte Gewohnheiten aufzugeben.
Für eine Mobilitätswende engagiert sich Siefert entschieden. Bei persönlichen Angaben bleibt er zurückhaltend, wie so viele Menschen aus der Generation X. Er wurde 1970 in Zell im Wiesental geboren, studierte BWL mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik in Frankfurt, gründete mit Kommilitonen eine Agentur, die Websites gestaltet, wo er bis 2021 im Vorstand war. Er ist geschieden, hat keine Kinder.
Stadtverordneter wurde er 2011. 2016 übernahm er den Vorsitz des Verkehrsausschusses, als Nachfolger von Helmut Heuser (CDU). Im Ausschuss nahm sich Siefert oft selbst auf die Rednerliste, wenn er die Sinnhaftigkeit grüner Politik erklären wollte. Am wirkungsvollsten redete Siefert stets, wenn die Opposition ihn vorher getriezt hat.
Aus der Kommunalwahl 2021 gingen die Grünen als stärkste Kraft hervor. Wegen des Frauenstatuts wurde Siefert aber nicht gleich in den Stadtrat gewählt, sondern zunächst Elke Voitl. Nun, da Majer in Ruhestand geht, kann Siefert nachrücken. Die Ressortverteilung ist im Koalitionsvertrag festgehalten. Per Kreisparteitagsbeschluss hatten die Grünen festgelegt, dass Siefert Majer nachfolgen soll.
Um sich nach der Kommunalwahl einzuarbeiten, wechselte Siefert ins Verkehrsdezernat. Er übernahm die Medienarbeit, wurde persönlicher Referent von Majer und stellvertretender Büroleiter. Den Eindruck, er sei Schattendezernent, machte er nie. Bei politischen Entscheidungen verwies er stets auf das Wort von Majer, der das Licht der Öffentlichkeit wiederum nicht scheut.
Für Siefert stehen ab Juli zahlreiche Aufgaben an. Hier nur ein einige Stichpunkte: die nordmainische S-Bahn, die Regionaltangente West, die Bahnstrecke von Frankfurt nach Friedberg. Die Umsetzung des Beschlusses zur „Fahrradstadt Frankfurt“: Elf Nebenstraßen sollen fahrradfreundlich werden, 45 Kilometer neue, breite Radwege sind vorgesehen, außerdem Radschnellwege und umgebaute Kreuzungen.
Auch ächzt Frankfurt unter der hohen Zahl von Autos. Das Pendlerproblem kann die Stadt alleine nicht in den Griff bekommen. Dafür braucht es Hilfe vom Hessischen Landtag und vom Bundestag – für eine City Maut und die Neuregelung der Pendlerpauschale, die das Auto bislang überproportional subventioniert.
Dabei zeigt Siefert sich aufgeschlossen: Eine Mobilitätspauschale, die nicht einseitig das Auto bevorzugt, würde er vorziehen sagt er. Die Stadt habe zuletzt knapp 200 Millionen Euro in den lokalen Nahverkehr investiert. Wenn Einnahmeausfälle durch das 49-Euro-Ticket hinzukämen, müssten entweder Bund und Land die Differenz ausgleichen. „Oder sie müssen uns die Möglichkeit geben, Einnahmen zu generieren.“ Neben einer Arbeitgeberabgabe für den Nahverkehr wie in Frankreich böte sich eine City-Maut an. „Eine City-Maut würde uns mehr Steuerungsmöglichkeiten verschaffen.“
Viele Aufgaben warten bald auf Wolfgang Siefert. Den Kopf kann er freibekommen, wenn er nach der Arbeit mit dem Rad nach Hause ins Ostend fährt.