Musik zum Hören und Essen

Die um ein Jahr verschobene „Cresc… Biennale für aktuelle Musik“ beginnt heute und widmet sich unter dem Motto „Me We“ dem Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft
Es war im Juni 1975, da riefen Studierende in Harvard dem Schwergewichtsboxer und Menschenrechtsaktivisten Muhammad Ali zu: „Give us a poem!“. Und er gab es ihnen, zwei Worte, vier Buchstaben. „Me We“ gilt als kürzestes Gedicht der Welt – mit dennoch tiefer Botschaft. Deswegen hat „Cresc...“, die Biennale für aktuelle Musik, es zum Motto ihrer sechsten Ausgabe erkoren, die eigentlich schon vor einem Jahr auf dem Plan stand. Doch da die pandemische Lage Anfang 2022 nicht die nötigen Lockerungen der Corona-Maßnahmen zuließ, wurde das Festival verschoben. Es ist nun vom 17. bis 25. Februar in mehreren Spielstätten in Frankfurt sowie in Offenbach und Darmstadt zu erleben.
„Das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft, das Muhammad Ali bereits vor 47 Jahren messerscharf auf den Punkt gebracht hat, führte uns die Pandemie in kaum erwarteter Heftigkeit vor Augen“, sagt Christian Fausch, Künstlerischer Manager und Geschäftsführer des Ensemble Modern, das gemeinsam mit dem HR-Sinfonieorchester die Biennale ausrichtet. Ähnlich verstand es „Cresc...“-Kuratorin Beate Schüler schon auf der Programmvorstellung im Dezember 2021: „Diese vier Buchstaben sind ein faszinierendes Gebilde, sowohl, was das Individuum, als auch, was das Kollektiv betrifft.“ Und so zeige auch die Biennale „die produktive Kraft, die durch Einzelleistung, aber auch durch gemeinsame Anstrengung“ verwirklicht werde.
Zur Festivaleröffnung in den Räumen des Hessischen Rundfunks heute um 19 Uhr sind die „Earth Dances“ von Harrison Birtwistle zu erleben, und zwar sowohl im Konzert als auch als begehbare Klang- und Lichtinstallation. Dazu kredenzt die Frankfurter Freitagsküche eine „Kulinarische Verwerfung“, einen Parcours, auf dem die Gäste eine essbare Komposition gestalten können. Im Frankfurt LAB befassen sich am Sonntag, 19. Februar, fünf Uraufführungen junger Komponist:innen aus fünf Ländern mit der Forderung „Give us a poem!“. Im Werk „Night Shift“ von Catherine Milliken am Freitag, 24. Februar, spielt das Publikum eine zentrale Rolle. Es wird nach Angaben der australischen Komponistin ausgestattet mit einer „Wundertüte mit vielen schönen Dingen, um gemeinsam zu musizieren“.
Ansonsten sind dabei: etwa der österreichische Multiperkussionist Martin Grubinger, das westafrikanisch-deutsche Liberation Orchestra of Inverted Traditions oder der englische Dirigent Stefan Asbury. „In einer Zeit der Vereinzelung und Entfremdung voneinander“, so HR-Musikchef und Orchestermanager Michael Traub, „möchten wir mit dieser Ausgabe von Cresc… zahlreiche Begegnungen zwischen Stilen, Erfahrungen, Emotionen, Orten und Kulturen schaffen.“