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Wahlprüfstein Verkehr: Frankfurt muss sich neu erfinden

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Von: Florian Leclerc

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Frankfurt wurde im vergangenen Jahrhundert autogerecht gebaut. Der Rückbau der autogerechten Stadt ist die Aufgabe in diesem Jahrhundert. Eine Analyse von Florian Leclerc.

Frankfurt, Stadt der Superlative. Größter deutscher Flughafen, meistbefahrenes Autobahnkreuz, Pendlerhauptstadt. Das ist die Ausgangslage, in der sich die Mainmetropole befindet. Viele Menschen in der Stadt sind damit nicht länger zufrieden.

D as zeigt sich nach Wahlen, wenn Parteien, die sich für eine Mobilitätswende aussprechen, mehr Stimmen erhalten als autofixierte Parteien. Es zeigt sich bei Umfragen. Etwa zum autofreien Mainkai oder den Radwegen auf der Friedberger Landstraße. In den Erhebungen ist die Mehrheit für diese Projekte.

Bis Sommer will die Stadt einen Masterplan Mobilität veröffentlichen. Bürgerinnen und Bürger sind an seiner Entwicklung beteiligt. Laut Zwischenstand sprechen sie sich mehrheitlich für einen Mobilitätswandel aus. „Umstieg“ statt „Effizienz“ lauten die Schlagworte.

Der Mainkai ist nur ein Beispiel für die Umverteilung von öffentlichem Raum, wenn auch ein breit diskutiertes. Renate Hoyer
Der Mainkai ist nur ein Beispiel für die Umverteilung von öffentlichem Raum, wenn auch ein breit diskutiertes. Renate Hoyer © Renate Hoyer

Frankfurt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zur autogerechten Stadt gebaut. Deren Rückbau ist die Aufgabe im 21. Jahrhundert.

Verkehrssektor muss Kohlendioxid einsparen

Warum? Der Verkehrssektor ist durch den Ausstoß von Kohlendioxid ein Treiber des Klimawandels, der unsere Lebensgrundlagen zerstört. Autos, ob mit Verbrenner oder Batterie, haben einen vergleichsweise hohen Flächenverbrauch. Auf einen Kfz-Parkplatz passen etwa acht Fahrräder.

Städte wie Frankfurt sind vollgestellt mit Blech, was nicht schön ist und anderweitige Nutzungen verhindert. Wie kann der Rückbau der autogerechten Stadt gelingen? Mit mehreren Mitteln parallel. Eine zentrale Rolle kommt dem Schienenverkehr zu, der ausgebaut werden, preiswert und zuverlässig sein muss. Das 49-Euro-Ticket kann zum „Gamechanger“ werden, weil Bahnfahren für Pendler:innen günstiger wird als Autofahren.

Der Nahverkehr ist das Rückgrat der Mobilitätswende. R. OEser
Der Nahverkehr ist das Rückgrat der Mobilitätswende. R. OEser © Rolf Oeser

Zusätzliche Anreize zum Umsteigen sind Park-and-ride-Plätze im Umland, eine Mobilitätspauschale statt einer Kfz-Pendlerpauschale und eine City-Maut, die Autoverkehr bepreist. Sinnvoll wäre auch ein preiswertes Jahresticket im Fernverkehr.

Wahlprüfsteine

Welche Themen entscheiden die OB-Wahl am 5. März? Wir stellen die Herausforderungen und die Herangehensweise der Kandidat:innen zu acht Politikfeldern vor.

- Wahlprüfstein Klima - wer kann das in Frankfurt?

- Wahlprüfstein Verkehr - Frankfurt muss sich neu erfinden

- Wahlprüfstein Sicherheit - und deren Grenzen in Frankfurt

- Wahlprüfstein Migration/Diversität - Vielfalt kaum abgebildet

- Wahlprüfstein Wohnen: Angst vor der Verdrängung

- Wahlprüfstein Bildung: zu langsam beim Schulbau

- Wahlprüfstein Kultur - vor der Spardebatte

- Wahlprüfstein Soziales - Hilferuf der Jugendarbeit

Ein weiterer Schritt zum Mobilitätswandel ist die Parkraumbewirtschaftung. Der hessische Luftreinhalteplan schreibt Frankfurt bereits vor, alle Bewohnerparkzonen zu bewirtschaften. Dort braucht man dann einen Parkschein oder einen Bewohnerparkausweis. Der Bewohnerparkausweis kostet in Frankfurt künftig 120 Euro – so wie in Darmstadt und Wiesbaden.

Keine kostenlosen Parkplätze in der Innenstadt

Frankfurt will zudem weitere Bewohnerparkzonen schaffen. Von der Altstadt bis zum Alleenring soll es kein kostenloses Parken mehr geben. Über den Geldbeutel lässt sich so manche Gewohnheit ändern.

Ein weiterer Aspekt ist die Umverteilung des öffentlichen Raumes. Einfach gesagt: Wer sich umweltfreundlich bewegt, sollte in der Regel mehr Platz bekommen als Personen, die sich nicht umweltfreundlich bewegen. Das würde Mobilität gerechter und klimafreundlicher machen.

In der Innenstadt sollten weitere Zonen autofrei sein. In Barcelona heißen diese Zonen Superblocks. Für den Ausbau von Bürgersteigen, Schienen und Radwegen sollten Fahrspuren wegfallen. Bei der Umgestaltung des Straßenraums kann die Stadt Parkplätze reduzieren, Bäume pflanzen – und gleichzeitig Platz für Menschen mit Einschränkungen oder den Andienverkehr frei halten.

Eine Kampagne sollte Menschen aus dem Umland einladen, mit dem Bus oder dem Auto zur nächsten S-Bahn-Station zu fahren und so in die Stadt zu gelangen. Die Direktfahrt mit dem eigenen Auto kann die Stadt durch eine entsprechende Bepreisung weniger attraktiver machen.

Sie sieht Flächenumverteilung von oben aus - der Nibelungenplatz an der Friedberger Landstraße. Peter Jülich
Sie sieht Flächenumverteilung von oben aus - der Nibelungenplatz an der Friedberger Landstraße. Peter Jülich © Peter Jülich

Die Römer-Koalition hat sich vorgenommen, die tatsächlichen Kosten des Autoverkehrs zu ermitteln – eines von vielen Projekte im Koalitionsvertrag, die auf sich warten lassen. Studien dieser Art gibt es schon, obgleich nicht auf Frankfurt heruntergebrochen. Im nächsten Schritt wäre der Autoverkehr an den tatsächlichen Kosten, die momentan die Gesellschaft trägt, zu beteiligen. Den Rahmen dafür müsste der Bundestag schaffen.

Der Ausbau der Autobahnen 66 und 661 in Frankfurt konterkariert die Mobilitätswende allerdings. Die ausgebauten Autobahnen werden prognostiziert auf allen Hauptstraßen westlich von ihnen mehr Verkehr in die Stadt bringen. Entweder wird die Stadt vom Mehrverkehr überrollt. Das bedeutet Stau, Überschreitung der Schadstoffgrenzwerte, Fahrverbote. Oder der Bundestag und in der Folge der Hessische Landtag ermöglichen eine City-Maut, die Autofahrten in die Stadt hinein bepreist.

Der Bundestag ist gefragt

Möglich wären auch Park-and-ride-Parkplätze an den Anschlussstellen der Autobahnen. Die Autobahn-GmbH, die für den Mehrverkehr verantwortlich ist, sollte die Kosten dafür übernehmen. Dafür müsste die Planfeststellung geändert werden.

Beim Ausbau der A3 und A5 – diese Projekte sind im Bundesverkehrswegeplan enthalten – will die Stadtregierung ihre ablehnende Haltung bei den anstehenden Planfeststellungsverfahren zur Kenntnis bringen. Gleichwohl: Nur die Abgeordneten des Deutschen Bundestag können Bundesprojekte stoppen.

Artikel 20a des Grundgesetzes zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen wird in der Rechtsprechung bislang nicht als ausreichend angesehen, einen Stopp des Autobahnausbaus zu begründen.

OB-Wahl in Frankfurt

FR-Online-Dossier: Wer wird Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin von Frankfurt? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden am 5. März. Stichwahl-Termin wäre der 26. März. Die FR bündelt ihre Berichterstattung mit Analysen, Porträts und aktuellen Nachrichten in einem Online-Dossier.

Mit dem exklusiven FR-Wahlhelfer können Sie einfach und interaktiv herausfinden, welche:r Kandidat:in Ihnen inhaltlich nahe steht. 25 Thesen hat die FR-Redaktion ausgesucht - die Sie selbst gewichten können.

FR-Stadtgespräch zum Nachschauen: Am Mittwoch, 8. Februar, stellten sich den Fragen des FR-Römerteams die Kandidat:innen Manuela Rottmann, Uwe Becker, Mike Josef, Daniela Mehler-Würzbach und Yanki Pürsün. Die Diskussionsrunde lässt sich im Video nachsehen.

OB-Talks: Mit dem Medienmanager Bernd Reisig (Stiftung „Helfen helfen“) lud die FR vier Kandidat:innen zu Einzelgesprächen ins SAE Institute: Uwe Becker (CDU), Manuela Rottmann (Grüne), Mike Josef (SPD) und - als Ergebnis einer Lerser:innen-Abstimmung - der Kandidat der „Partei“, Prof. Dr. Dr. Bembel, vertreten durch Katharina Tanczos. Die vier Abende im Video zum Nachschauen.

Gegen den Autobahnausbau sprechen die steigenden Kosten. Laut Schätzung von 2017 sollte der Riederwaldtunnel 477 Millionen Euro kosten. Seitdem sind die Baukosten gestiegen. Mittlerweile dürfte die Summe bei 600 Millionen Euro liegen. Im Sommer will die Autobahn-GmbH eine neue Kostenberechnung herausgeben.

Die Neubaustrecke der A66 mit Riederwaldtunnel ist 2,2 Kilometer lang. Wenn das Projekt im Jahr 2031 fertig sein sollte, werden die Kosten noch höher sein. Kann jemand wollen, dass ein Kilometer Autobahn 300 Millionen Euro oder mehr kostet? Wäre das Geld nicht besser im Klimaschutz investiert?

Acht Stunden ohne Flüge in der Nacht

Es geht aber nicht nur um die A66 und A661 in Frankfurt. Es geht um alle Autobahnprojekte im Bundesverkehrswegeplan. Der Bundestag sollte den Bundesverkehrswegeplan unter der Prämisse des Klimaschutzes komplett überarbeiten.

Nicht nur beim Autobahnausbau ist Frankfurt auf Bundes- oder Landtag angewiesen. Beim Frankfurter Flughafen wäre ein achtstündiges Nachtflugverbot nötig. Dafür braucht es eine Gesetzgebung, die Gesundheitsschutz und Nachtruhe gegenüber wirtschaftlichen Interessen wie dem Aktiengesetz priorisiert. Die Verlagerung der innerdeutschen Flüge auf die Bahn kommt ebenfalls nicht von alleine. Hier muss der Bundestag tätig werden.

Es ist Zeit, die alten Superlative über Bord zu werfen. Wie wäre es denn, ganz bescheiden, ohne Superlative, mit Stadt der Klimawende? Stadt der Mobilitätswende? Und, da wir schon mal dabei sind: Stadt der Bauwende.

POSITIONEN DER KANDIDIERENDEN

Manuela Rottmann (Grüne)

Manuale Rottmann.
Manuela Rottmann. © Renate Hoyer

Die Kandidatin der Grünen hält Frankfurt wie gemacht dafür, um Alltagswege zu Fuß, mit dem Rollstuhl, dem Fahrrad oder Bus und Bahn zu bewältigen. Daher spreche sie sich für den Umbau des öffentlichen Raumes zugunsten von Rad- und Fußwegen aus. Am Frankfurter Flughafen will sie jeden vermeidbaren Flug auch vermeiden und innerdeutsche Flüge auf die Bahn verlagern. Ein 365-Euro-Ticket in Frankfurt hält sie für sinnvoll. Die Stadt sollte das 49-Euro-Ticket für Menschen mit geringem Einkommen bezuschussen, so dass es nur 25 Euro kostet. Dem direkten Anschluss des Campus Westend beim Ausbau der U-Bahn-Linie 4 stimmt Rottmann zu.

Yanki Pürsün (FDP)

Yanki Pürsün.
Yanki Pürsün. © Rolf Oeser

Der FDP-Kandidat denkt nicht, dass der öffentliche Raum zugunsten des Rad- und Fußverkehrs umgebaut werden sollte. Kein Verkehrsträger soll seiner Ansicht nach bevorzugt werden. Dass der Flughafen weniger Flüge abwickelt, hält Pürsün nicht für sinnvoll. Den Wirtschaftsmotor dürfe man nicht schwächen. Ein 365-Euro-Jahresticket im Nahverkehr will Pürsün nicht unterstützen; das 49-Euro-Ticket sei bereits eine preiswerte Option. Er bekennt sich allerdings zur direkten Anbindung des Campus Westend beim Ausbau der U-Bahn-Linie 4.

Daniela Mehler-Würzbach (Linke)

Daniela Mehler-Würzbach.
Daniela Mehler-Würzbach. © Peter Jülich

Die Kandidatin der Linken spricht sich für den Umbau des öffentlichen Raumes zugunsten des Rad- und Fußverkehrs aus. Das führe zu mehr Mobilität bei weniger Verkehr und schaffe mehr Platz für die Menschen. Ein achtstündiges Nachtflugverbot und die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene erklärt Mehler-Würzbach zu ihren Zielen. Ein 365-Euro-Ticket würde sie begrüßen, allerdings nur als ersten Schritt zu einem Nulltarif für alle Menschen. Einen direkten Anschluss des Campus Westend beim Ausbau der U4 hält sie für sinnvoll.

Uwe Becker (CDU)

Uwe Becker.
Uwe Becker. © Renate Hoyer

Der CDU-Kandidat verhält sich zur Frage, ob der Straßenraum zugunsten des Rad- und Fußverkehrs umgebaut werden sollte, neutral. Autos sollten nicht „in den Stau gelenkt“ werden, auch wenn der Ausbau von Fuß- und Radwegen sinnvollerweise weitergehen sollte. Auch bei der Frage, ob der Flughafen weniger Flüge abwickeln sollte, bleibt Becker neutral. Er rechne künftig mit einer weiteren Zunahme von Mittel- und Langstreckenflügen. Bei Kurzstreckenflügen sei die Verlagerung auf die Schiene sinnvoll. Einem 365-Euro-Ticket in Frankfurt stimmt Becker zu, ebenso einer direkten Anbindung des Campus Westend beim Ausbau der U-Bahn-Linie 4.

Mike Josef (SPD)

Mike Josef.
Mike Josef. © Renate Hoyer

Der SPD-Kandidat bekennt sich zum Umbau des öffentlichen Raumes zugunsten des Rad- und Fußverkehrs und zulasten des Autoverkehrs. Nötig sei weniger Durchgangsverkehr und weniger Pendlerverkehr aus dem Umland. Die Wirtschaft brauche gleichwohl Ladezonen. Beim Flughafen spricht sich Josef für ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr aus. Bahnfahrten sollten innerdeutsche Flüge ersetzen. Ein 365-Euro-Ticket in Frankfurt will Josef als aktiven Beitrag zum Klimaschutz voranbringen. Beim U4-Ausbau zwischen Bockenheimer und Ginnheim strebt er an, den Campus Westend direkt anzubinden. (Florian Leclerc)

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