Mit Vollgas nach Frankfurt

Prozess gegen drei junge Männer aus Mühlheim an der Ruhr, denen es hier gut gefallen hat
Ahmet K. (28), Abd-Alla Y. (24) und Anis M. (27) aus Mühlheim an der Ruhr sind nicht die Art Tagesgäste, die sich die Tourismus+Congress GmbH wünscht. Weil von dem Geld, das diese - wenn überhaupt - ausgeben, nichts im Säckel der Stadt landet. Immerhin hat es K. hier so gut gefallen, dass er seinen Lebensmittelpunkt nach Frankfurt verlagert hat, genauer in die Justizvollzugsanstalt I. Und Y. und M. schauen am Donnerstagmorgen zumindest mal wieder vorbei, um dem Auftakt des Landgerichtsprozesses gegen sie beizuwohnen.
Alle drei sind wegen Diebstahls angeklagt. Y. muss sich zudem wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, Gefährdung des Straßenverkehrs, Unfallflucht und Fahrens ohne Führerschein verantworten, Y. und M. wegen Beihilfe zu alledem.
Am Abend des 19. Juli 2021 schrauben die drei in Neuss ein Nummernschild ab und befestigen dieses an ihrem AMG-Mercedes. Woher sie den hatten, ist unklar, jedenfalls war die Ludenkarre keine Frucht ihrer Arbeit, denn damals gingen sie keiner nach. Mit dem Auto fuhren sie tags darauf ins schöne Frankfurt am Main, Goethestadt und Hauptstadt des Verbrechens. Warum sie hierher kamen, ist auch unklar. Jedenfalls nicht wegen Goethe.
Einer Zivilstreife fällt gegen 21.30 Uhr K.s unziviler Fahrstil unangenehm auf. Der kann natürlich daraus resultieren, dass K. wie auch seine beiden Mitfahrer keinen Führerschein hat. Und vielleicht Bremse und Gaspedal verwechselt, jedenfalls braust er vor der Kontrolle davon, fährt deutlich zu schnell durch dichten Verkehr und überfährt an der Taunusanlage eine rote Ampel.
Dabei kollidiert er mit dem Smart des 67 Jahre alten Doktor S. Der AMG ist nach dem Unfall ziemlich ramponiert, aber seine Insassen sind unverletzt. Der Smart hingegen ist nur noch Schrott - und sein Fahrer schwer verletzt. Unter anderem hat S. sich den Lendenwirbel und mehrere Rippen gebrochen. Das freilich bekümmert die Jungs aus Mühlheim nicht sonderlich, sie flüchten per pedes in alle Himmelsrichtungen, ohne sich um den Schwerverletzten zu kümmern.
Die Flucht bringt ihnen nichts. Im Auto findet sich die DNA der Justiz-Dauergäste, Überwachungsvideos einer Autobahntankstelle identifizieren sie außerdem. Die Beweislage ist eindeutig. Dennoch ziehen alle drei es vor, sich nicht zu den Vorwürfen zu äußern - ihr gutes Recht.
Als Mordmerkmal wertet die Anklage den Versuch, andere Straftaten - etwa den Kennzeichendiebstahl oder das Fahren ohne Führerschein - zu verdecken. Dass es beim Versuch blieb, ist dem schnellen Handeln der Rettungssanitäter zu verdanken. Das Opfer ist zumindest am ersten Verhandlungstag nicht geladen und tritt auch nicht, wie sonst häufig bei dieser Art von Prozessen, als Nebenkläger auf.
Am Anfang ist die Stimmung auf der Anklagebank noch vorzüglich - die drei grinsen und feixen, als hätten sie lange nicht mehr so viel Spaß gehabt. Das ändert sich, als sie bemerken, dass der Vorsitzende Richter Urs Böcher ganz offenkundig keinen Clown gefrühstückt hat und nicht willens ist, sich auf der Nase herumtanzen zu lassen - was er höflich, aber doch sehr bestimmt deutlich macht. Danach sinkt die Stimmung auf der Anklagebank deutlich, denn offenbar haben die drei jungen Männer, die es bislang meist mit dem Amtsgericht zu tun hatten, nicht erwartet, dass eine Große Strafkammer eine so unlustige Sache sein kann.
Bislang sind für den Prozess sieben Verhandlungstage bis Mitte März angesetzt.