Mit den Gedanken in Teheran

Omid Bafandeh ist vor acht Monaten aus dem Iran geflohen, kürzlich ist seine älteste Tochter in ihrer Schule in Teheran Opfer eines Giftgasanschlags geworden.
Omid Bafandeh ist vor knapp acht Monaten in Deutschland angekommen. Der 44-Jährige ist aus dem Iran geflohen und hat seine Frau und zwei Töchter zurückgelassen. „Ich mache mir große Sorgen um sie“, sagt Bafandeh. Das Gespräch wird von mehreren Frauen vom Persischen ins Deutsche übersetzt. Bafandeh steht am Dienstag, wie jeden Tag seit zwei Monaten, vor dem iranischen Generalkonsulat in der Raimundstraße in Frankfurt und beteiligt sich an der Mahnwache der Gruppe Mahsa-Amini-Straße. Das ist der Name der jungen Frau, die wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Kopftuchgebot im Mullah-Regime von der Sittenpolizei aufgegriffen wurde und an einer noch immer ungeklärten Ursache am 21. September verstarb.
Seit November wird gegenüber dem Konsulat rund um die Uhr campiert. Am Montag vor einer Woche haben die Demonstrierenden die Straßenseite gewechselt und sich vor das Konsulat gesetzt. Ein Video vom 10. April auf der Twitterseite „Mahsa Amini Strasse“ zeigt, wie die Aktivistinnen und Aktivisten Bilder von Opfern der Giftgasanschläge auf Mädchenschulen im Iran hochhalten. Bafandeh hält ein Foto seiner 17-jährigen Tochter in der Hand, die auf die Payambar-Kunstschule, ein Gymnasium in Teheran geht. Sie hat ihrem Vater mehrere Sprachnachrichten von dem Vorfall geschickt: „Wir waren im Erdgeschoss und haben eine Explosion gehört“, berichtet sie darin. Da sie geahnt hatte, dass es sich um Giftgas handelte, sei sie sofort geflohen. Ihr sei nur ein bisschen schlecht geworden, und nachdem sie von einem Arzt Medikamente bekommen hatte, ging es ihr wieder besser. „Sie geht seitdem nicht mehr zur Schule“, erzählt Bafandeh. Einige ihrer Freundinnen sei es schlechter ergangen, sie hätten ins Krankenhaus gemusst.
Neben dem Mädchengymnasium befindet sich auch eine Grundschule names Shohadaye Mantaghe für Mädchen, auf die ebenfalls schon ein Giftgasanschlag verübt worden sei, sowie einige Meter weiter ein Gerichtsgebäude. „Dort gibt es Überwachungskameras, aber sie sagen, dass sie niemanden gesehen haben“, berichtet Bafandeh von dem Gespräch mit seiner Tochter. Schutzbehauptungen des Regimes, um zu verschleiern, dass es ihre Anhängerschaft war, die seit mehr als einem Monat so versucht, die Menschen einzuschüchtern. „Das waren die Revolutionsgarden“, sagt die Tochter in der Sprachnachricht.
Am liebsten würde Bafandeh sofort seine Familie nach Deutschland bringen, aber dafür bräuchten sie eine Ausreisegenehmigung, welche die Islamische Republik erteilen müsste. Ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem ist Bafandehs Aufenthaltsstatus noch ungeklärt. Derzeit ist er nur geduldet, demnächst soll es eine zweite Anhörung für ein Asylverfahren geben. Bei einer Abschiebung in die Heimat würde er sofort verhaftet werden.
Bei Protesten angeschossen
Bafandeh hat an der Grünen Bewegung im Jahr 2009 nach der Präsidentschaftswahl von Mahmud Ahmadineschad teilgenommen. Dabei wurde ihm in die Schulter und in den Knöchel geschossen. Er zieht seinen Strumpf nach unten, wo eine lange Narbe zu sehen ist. Sein Name ist in den Akten der Polizei registriert. Vor mehreren Monaten hat er Wind davon bekommen, dass er verhaftet werden sollte, und ergriff deshalb die Flucht.
Bafandeh versucht, in Deutschland seinen Landsleuten im Iran eine Stimme zu geben. Er hat sich der Gruppe Mahsa-Amini-Straße angeschlossen, die etwa für eine Schließung des Konsulats, die Ausweisung des Botschafters und eine Umbenennung der Raimundstraße in Mahsa-Amini-Straße demonstriert. Dabei werden die Aktivistinnen und Aktivisten von den Kameras des Gebäudes in Großaufnahme im Gebäude gezeigt, berichten Menschen, die gerade aus dem Konsulat kommen. Beleidigungen seien Alltag.
Bafandeh fordert von der deutschen Politik ein härteres Vorgehen und schärfere Sanktionen gegen den Iran. „Wenn das alle Länder machen, kann der Iran viel schneller seine Freiheit zurückbekommen“, sagt er. Der 44-Jährige will weiter auf jede Demonstration gehen. Immer mit den Gedanken bei seiner Familie und in der Hoffnung, dass ihr nichts passiert.