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GASTBEITRAG
Hessen muss Vorreiter sein in der Bekämpfung rechten Terrors
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Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, erklärt, was er sich für Hessens Zukunft wünscht und was es mit seinem Geburtsland Israel gemein hat. Ein Gastbeitrag.
Als ich 2003 nach Hessen zog – die Arbeit und meine Promotion hatten mich nach Frankfurt geführt –, da war mein erster Eindruck deprimierend: Die Stadt kam mir schmutzig vor und beengt. In Israel bin ich sehr ländlich aufgewachsen in einem Kibbuz, und in meinen ersten zwei Jahren in Deutschland habe ich das saubere München genossen. Mittlerweile bin ich aber ein leidenschaftlicher Frankfurter geworden. Ich mag den Begriff Heimat nicht, weil er oft mit romantisierenden und nationalistischen Vorstellungen verbunden ist, die mir fremd sind. Und doch fühle ich mich unter den Menschen in der Urbanität und Natur Hessens heimisch – vielleicht auch, weil ich mit den Jahren viele Gemeinsamkeiten zwischen Hessen und meinem Geburtsland Israel festgestellt habe, die übrigens von der Fläche fast identisch groß sind. Die Menschen empfinde ich hier wie dort als direkt und offen. Und auch die Kontraste zwischen der Rhein-Main-Region und den abgelegenen Ecken von „hessisch Sibirien“, zwischen Internationalität und Provinzialität, erscheinen mir sehr vertraut.
Hessen, was wird aus dir?
Dieser Frage widmen sich Persönlichkeiten in Gastbeiträgen aus vielen Blickwinkeln. Die Reihe eröffneten zahlreiche Gastbeiträge in unserem Jubiläumsheft „75 Jahre Frankfurter Rundschau und Hessen“. Weitere folgen in den nächsten Wochen hier im Regionalteil.
Politisch hadere ich aber oft mit Hessen. Wie lange rechte Netzwerke ignoriert wurden und wie zögerlich der Gefahr rechter Gewalt begegnet wird, das ernüchtert mich. Zugleich treibt es mich an in meiner Arbeit als Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. Denn ich glaube fest daran, dass Hessen es besser machen kann. Meine Vision ist, dass unser Bundesland vom traurigen Hotspot rechter Skandale zu einem echten europäischen Vorbild werden kann. Wir müssen und wir können Vorreiter sein in der Bekämpfung rechten Terrors. Wir können ein Beispiel dafür sein, wie respektvolles Miteinander funktioniert. Und wir können vorangehen bei der Aufnahme von Geflüchteten. Dafür reicht es aber nicht, ständig nur die eigene Weltoffenheit zu beschwören. Erst wenn Hessen es schafft, Rassismus, Antisemitismus und andere menschenfeindliche Haltungen als Problem ernst zu nehmen, an dem wir individuell und strukturell kontinuierlich arbeiten müssen, erst dann können wir es schaffen, als Vorbild voranzugehen und Hessen für alle Menschen lebenswert zu gestalten.
Meron Mendel ist seit zehn Jahren Direktor der Bildungsstätte Anne Frank.