Mehr Wasser für den Frankfurter Grüngürtel

Eine dicke Publikation stellt das lebenswichtige Band rund um die Stadt vor und kündet von Plänen für die nahe Zukunft. 30 Jahre nach der Gründung soll der Grüngürtel auch weiterhin wachsen.
Wie hieß es einst bei Goethe: „Mehr Licht“ soll er gesagt haben. Im Frankfurter Grüngürtel gilt für die nächste Zeit ein anderes Motto: „Mehr Wasser“ lautet dort die Devise – und anders als beim Dichter sollen es keineswegs die letzten Worte sein.
„Mehr Wasser in den Grüngürtel zu bringen und damit einen Beitrag für Klima und Biodiversität zu leisten“, das nennt Heike Appel als eines ihrer Lieblingsprojekte für die kommenden Jahre, „die Bäche aus ihren Kanalrinnen zu befreien, die Nidda-Altarme wieder zu öffnen, Feuchtwiesen anzulegen, wechselfeuchte Gebiete zuzulassen und Regenwasser besser zu nutzen und nicht einfach in die Kanalisation rauschen zu lassen.“ Das, sagt die Frankfurter Grünflächenamtsleiterin, „wäre ein tolles und sinnvolles Projekt“.
Nachzulesen ist das in der neuen Broschüre „30 Jahre Grüngürtel Frankfurt“. Mehr Schatten und Wasser in den Grüngürtel zu bringen, das ist eine der Anpassungsstrategien an den Klimawandel, viele weitere Ideen und auch ein Rückblick in die Geschichte des blühenden Bands rund um die Stadt sind in dem gut 100-seitigen Werk zu lesen. Eigentlich mehr als eine Broschüre - „eine Mischung aus Festschrift, Dokumentation und Erinnerungsalbum“ nennt sie das Umweltdezernat.
Das Jubiläum ist genau genommen schon ein paar Monate her. Im November 1991 beschloss die Stadtverordnetenversammlung formal die Grüngürtel-Verfassung, um die Stadtnatur unter Schutz zu stellen. Aber es gibt zu jeder Zeit genug Gründe und Anlässe, den Frankfurter Grüngürtel zu feiern - und zu schützen. Er ist ein guter Verbündeter in der Klimakrise.
Gerade hat der Weltklimarat wieder durchgegeben, was wir machen müssen, um das Ruder herumzureißen, die Erderwärmung zu begrenzen und die Katastrophe noch zu verhindern: den Kohlendioxidausstoß verringern, wo es nur geht. Im Grüngürtel fahren keine Autos, die klima-schädliche Gase ausstoßen, stehen auch keine Fabriken – obwohl, doch: Da stehen Sauerstofffabriken. Bäume. Die nehmen auch CO2 auf. Win-win-Situation, wie es neudeutsch heißt.
Jubiläumsbroschüre
Die Publikation zum 30-jährigen Bestehen des Grüngürtels mit 106 Seiten, vielen Fotos und Grafiken kann kostenlos bestellt werden beim Umwelttelefon des Umweltamts, 069/212-39100, per E-Mail an umwelttelefon@stadt-frankfurt.de – es gibt sie aber auch als Download auf der städtischen Internetseite www.gruenguertel.de im PDF-Format. Herausgegeben vom Dezernat für Umwelt, Klima und Frauen.
Einen neuen Spaziergang im Grüngürtel hat die erwähnte Internetseite auch zu bieten: Für die zuletzt erschlossene Umgebung der Deutschherrnbrücke herum. Er heißt „Spaziergang Landschaftslücke – Main, Skyline und Kräuterfelder“. Thematisiert werden Vergangenheit und Zukunft, die engste Stelle des Grüngürtels und Überraschungen am Wegesrand.
Auch die Frankfurter Klima- und Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) holt weit aus, als sie am Dienstag über einen der Schlüsselorte des Grüngürtels spricht. In wenigen Wochen könne auf der Weltnaturschutzkonferenz im chinesischen Kunming beschlossen werden, weltweit bis 2030 etwa 30 Prozent aller Meeres- und Landflächen unter Schutz zu stellen, sagt sie. Das umzusetzen, wenn es denn beschlossen werden sollte, erfordert Tatkraft, denn die Bevölkerungsentwicklung verschlingt immer mehr Naturräume.
Doch auch vor 30 Jahren sei der Druck auf Bauland in Frankfurt schon groß gewesen, sagt Heilig. „Ein Bürogebäude nach dem anderen entstand, die Mieten schossen in die Höhe. Und doch beschlossen genau in dieser Zeit die Abgeordneten des Frankfurter Stadtparlaments, ein Drittel der Stadtfläche vor genau dieser Bebauung zu schützen.“ Als grünen Erholungsraum für Menschen, Lebensraum für Tiere und Pflanzen, für ein gesundes Stadtklima: als Frankfurter Grüngürtel.
Die Schlüsselstelle, von der die Stadträtin spricht, ist die schmalste Stelle des Gürtels, am Mainufer hibbdebach. Dort, wo die Europäische Zentralbank, die Deutschherrnbrücke und die Ruhrorter Werft das Bild bestimmen. Dort, wo nun eine schmale Grünverbindung den Zugang zum Main ermöglicht, dort herrschten einst Industrie und Schrottplatz. Dass dort Grüngürtel sein soll, selbst dort, „das war schon im 1991 beschlossenen Grüngürten-Plan vorgesehen“, sagt Heilig.
Die beachtlich umfangreiche neue Broschüre erzählt davon. Auch wie es weiterging, etwa mit der Ämterarbeitsgruppe, die erste Pläne schmiedete, mit der Grüngürtel-GmbH, seit 1997 mit der Projektgruppe Grüngürtel. „Der Grüngürtel ist unser Schatz, den wir nicht mehr hergeben“, sagt Heilig, im Gegenteil: Wo es möglich sei, werde die Stadt ihn noch erweitern. Klimaschützer hören es gern – erinnern bei solchen Gelegenheiten aber auch daran, dass der Flughafen immer wieder Grüngürtel-Flächen fraß, dass auch heute immer noch gesunde Bäume fallen, weil Baurecht weiterhin vielerorts in der Stadt über Baumrecht obsiegt.
Bekannte und beliebte Orte im Gürtel sind der Lohrberg, natürlich der Stadtwald mit dem Goetheturm, die Schwanheimer Dünen, der Alte Flugplatz Kalbach/Bonames, Die mehr als zwei Dutzend Werke der Komischen Kunst im Grüngürtel sind in der Broschüre zu finden, natürlich auch der Schutzpatron des gesamten Projekts: das Grüngürteltier, einst erschaffen von Robert Gernhardt, heute liebevoll am Leben erhalten in den Zeichnungen von Philip Waechter.
Viele Menschen kommen vor in der Jubiläumspublikation. Roland Kammerer etwa, Technischer Leiter der Stadtentwässerung, die dafür zuständig ist, die Wehre der Nidda zu renaturieren, damit die Fische wieder flussaufwärts in ihre Laichgründe ziehen können. Oder Heidi Wieduwilt, Naturschützerin der ersten Stunde, die sich um die Schwanheimer Dünen kümmert. Tom Koenigs natürlich, der das Ganze vor 30 Jahre auf den Weg brachte. Auch Till Behrens ist gewürdigt, der Architekt, der schon 1970 mit eigenen Ideen für einen – auch schon so bezeichneten – Grüngürtel kam.
„Wir werden den Grüngürtel und sein Konzept behutsam weiterentwickeln“, sagt Heilig. „Bei einigen Projekten werden wir Geld brauchen.“ Dabei soll eine Stiftung helfen, die Spenden einwirbt.
