Lothar Reininger: Vorkämpfer für ein angemessenes Erinnern

Lothar Reininger hat sich mit dem Verein „Leben und Arbeiten im Gallus Griesheim“ 30 Jahre lang für die Gedenkstätte KZ Katzbach in Frankfurt eingesetzt.
Einen gewissen Stolz verspürt Lothar Reininger schon, dass es nun eine Gedenkstätte für das KZ Katzbach gibt. Der 62-Jährige sagt aber auch: „Diese Leistung hat ein Kollektiv von Mitgliedern des Vereins LAGG erbracht, die genauso wie ich seit 30 Jahren an diesem Thema dran sind.“ Gemeint ist der Verein „Leben und Arbeiten im Gallus Griesheim“, den Reininger 1992 mitgegründet hat und dessen Vorsitzender er ist. Ziel des Vereins ist, das totgeschwiegene Kapitel KZ Katzbach in den Adlerwerken mitten in Frankfurt aufzuarbeiten. „Wenn es uns nicht gegeben hätte, wäre das Thema überhaupt nicht hochgekommen“, betont Reininger.
Er selbst hat in den 1980er Jahren das erste Mal durch Aussagen von Emil Carlebach, dem Mitbegründer der Frankfurter Rundschau, vom KZ Katzbach gehört. „Er hat relativ präzise beschrieben, was in Frankfurt überhaupt nicht wahrgenommen wurde. Nämlich, dass es sich um eines der brutalsten Konzentrationslager gehandelt hat“, erzählt Reininger. Er hatte sich zu der Zeit bei den Adlerwerken als Lehrling beworben. Genommen wurde er aber erst als ausgebildeter Werkzeugmacher 1986. „Da war der Personalchef, der mich als Linken kannte, im Urlaub. Als er mich gesehen hatte, war es zu spät“, sagt Reininger schmunzelnd, der einst der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) angehörte.
Mit Kündigung gedroht
Er wurde Mitglied des Betriebsrats und sprach dann das Thema KZ Katzbach bei einer Sitzung an. „Da war die klare Ansage: Das sehen wir als schädlich für den Betrieb“, sagt Reininger. Sollte er sich öffentlich zu dem Thema äußern, würde der Betriebsrat eine fristlose Kündigung unterstützen. Anfang der 1980er hatte er bereits als politischer Aktivist mit rund 200 Jugendlichen eine Gedenkplatte am Tor der Adlerwerke angebracht. Diese sei nach zwei Stunden von der Werksleitung entfernt worden.
Erst als Reininger 1991 nach dem Arbeitskampf in den Adlerwerken zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde, konnte er in einer Betriebsversammlung öffentlich über das Thema sprechen. „95 Prozent der Beschäftigten hörten davon zum ersten Mal“, sagt er. Zu diesem Zeitpunkt kannte er auch noch nicht alle Fakten. Im vierten Stock, wo das Konzentrationslager war, hatten die Nazis alle Hinweise darauf vernichtet. Er wusste aber unter anderem vom Grab auf dem Hauptfriedhof, wo 518 Namen von ermordeten KZ-Häftlingen eingraviert sind.
„Wir haben 1992 mit 20 Leuten aus dem Werkzeugbau einen Kranz dort niedergelegt“, sagt Reininger. Das sei die erste öffentliche Bekundung der Adlerwerke zur dunklen Vergangenheit gewesen. Mit der Gründung der LAGG aus der Belegschaft der Adlerwerke setzten sich Reininger und die Kollegen für die Aufarbeitung der Geschichte ein. So wurde ein Druckkostenzuschuss organisiert, um das 1994 erschienene Buch: „Wir lebten und schliefen zwischen den Toten“ der Historiker Ernst Kaiser und Michael Knorn in Druck zu bringen.
In der Zeit wurde Reininger sogar vom Verfassungsschutz beobachtet. „40 Jahre nach Kriegsende war es eine Bedrohung für die Verfassung, wenn man über ein KZ in einem Metallbetrieb berichtet hat“, sagt er. Die LAGG hat für Entschädigungszahlungen für die Überlebenden gekämpft und sich um die Grabpflege bemüht. Auf dem Grabstein wurde erst im Jahr 2020 der Satz hinzugefügt: „unter Mitverantwortung der Aktionäre und der Dresdner Bank“. „Eine Gutachterkommission hat zehn Jahre geforscht und in ihrem Bericht geschrieben, dass die Bank beim KZ noch stärker involviert war, als sie vermutet haben“, berichtet Reininger.
Auch bei der Stadt musste die LAGG lange Jahre um Aufmerksamkeit für das Thema kämpfen. „Beim Institut für Stadtgeschichte hat man das KZ lange unter Zwangsarbeit in Frankfurt abgefasst“, erzählt Reininger. Von den Parteien habe sich offiziell niemand gegen eine Gedenkstätte gestellt, so Reininger, der bis 2012 Fraktionsvorsitzender der Linken im Römer war. Meistens hieß es, es sei nicht finanzierbar.
77 Jahre nach Ende des Krieges sind die Forderungen der LAGG erhört worden. „Das ist schon eine Leistung an Verdrängung und ein großes Ärgernis.“ Die Gedenkstätte hätte sich Reininger als Ort der Geschichte, wohin auch Schulklassen kommen sollen, größer gewünscht als 160 Quadratmeter. Auch sei die Stätte vom ersten Tag an „auf viel Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit angewiesen“, sagt er. Die Unterstützung hätte üppiger ausfallen können. Jetzt müsse noch am Mahnmal an der Paulskirche das KZ Katzbach erwähnt werden, findet Reininger. Die Statue dort nennt die Namen der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Aber bislang nicht den Namen des KZs, das unbeachtet mitten in Frankfurt existierte.