Letzte Generation in Frankfurt: Festkleben für das Klima

Carla Rochel von „Letzte Generation“ will eine Straße in Frankfurt blockieren, weil sie die Regierung zum sofortigen Handeln beim Umweltschutz bewegen will - ein Porträt.
Carla Rochel wird am Mittwochmorgen, wenn sich der Berufsverkehr in Frankfurt staut, achtsam auf eine Hauptstraße gehen und sich zwischen die stehenden Autos setzen. Sie wird sich mit fünf bis acht Aktivist:innen Sekundenkleber auf die Handflächen reiben, kurz einwirken lassen und ihre Hände auf dem Asphalt festkleben.
Sie wird Abgase einatmen. Sie wird das folgende Hupen aushalten müssen, die Unmutsbekundungen von Menschen, die aus den Autofenstern rufen. Die Polizei wird kommen und ihr Lösungsmittel auf die Hände verteilen. Sie wird ihre Personalien angeben müssen, einen Platzverweis erhalten. Womöglich kommt sie in Gewahrsam. Im schlimmsten Falle wird sie wegen schweren Eingriffs in den Straßenverkehr angezeigt, vielleicht nur wegen Nötigung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Carla Rochel ist 20 Jahre alt, studiert Politikwissenschaften in Heidelberg und tut sich das alles an. Warum?
Bundesregierung soll Klimapolitik sofort ändern
„Ich kann nicht einfach weiterstudieren, während wir uns beim Klima unsere Zukunft verbauen“, sagt sie. Der jüngste Bericht des Weltklimarats mache klar: Wenn man die Erderhitzung auf 1,5 Grad begrenzen wolle, müsse man jetzt radikal anders handeln. Das bedeutet: Ausstieg aus fossilen Energieträgern, Ausbau der erneuerbaren Energien. Sofort.
Übergangsprozesse wie die über Jahre andauernde Umwandlung von Kraftwerken von Kohle über Erdgas bis hin zu grauem Wasserstoff – wie beim Heizkraftwerk West in Frankfurt – gehen ihr zu langsam. Klimapolitisch falsch sei es auch, wenn Flüssiggas aus Katar das Erdgas aus Russland ersetzen solle.
Der Weltklimarat hat Szenarien für die Erderhitzung beschrieben. Es drohen Überschwemmungen, Dürre, Ernteausfälle, Hunger, Migration, Nationalismus, Krieg. „Ich weiß noch, was hier los war, als es kein Klopapier mehr im Supermarkt gab, aber was wird los sein, wenn die Regale komplett leer sind?“, fragt Rochel.
Seit November ist sie bei „Letzte Generation“ aktiv. Nach einer Luftballonaktion am Münchener Flughafen wurde sie drei Tage in Gewahrsam genommen, saß allein in einer Zelle. „Ich durfte nicht mal auf den Hof.“ Natürlich habe sie Angst, sich die Zukunft zu verbauen. „Aber angesichts dessen, was uns allen droht, ist es mir das wert.“ Es blieben nur noch drei bis vier Jahre, um das Ruder klimapolitisch herumzureißen, sie hoffe, weitere Menschen zu motivieren, es ihr gleichzutun. Momentan seien in Frankfurt 150 bis 200 Aktivist:innen aktiv. Auf der Website (letztegeneration.de) würden donnerstags und sonntags Vorträge angeboten.
Bevor die Aktion am Mittwoch beginnt, genießt sie am Dienstag noch eine Weile die Sonne.