Lernen mit ADHS

Wie ein Frankfurter Grundschüler mit Konzentrationsschwäche lernt, seinen Schulalltag zu meistern.
Freitagmorgen in einer Frankfurter Grundschule: Die Klasse 3b hat Matheunterricht. An der Tafel stehen Aufgaben, die die Schüler lösen sollen. Ein Teil der Kinder ist schon fertig, andere knobeln noch. Nur Paul rechnet nicht, obwohl er noch nicht alle Aufgaben gelöst hat. Er sitzt auch nicht wie die anderen Kinder an seinem Tisch, sondern darunter.
Als die Lehrerin dies bemerkt und fragt, warum er unter dem Tisch sitze, entgegnet er bloß, dass es ihm dort besser gefalle. Die anderen Kinder lachen. Paul lacht auch, aber es ist ihm auch unangenehm. Er kann sich einfach nicht so lange konzentrieren. Zwei oder drei Aufgaben gehen noch, aber eine ganze Viertelstunde kann er sich nicht mit einer Sache beschäftigen. Er wird dann unruhig, ruckelt auf seinem Stuhl hin und her und lenkt die anderen Kinder vom Unterricht ab.
Paul ist 9 Jahre alt und hat eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, besser bekannt als ADHS. Repräsentativen Studien zufolge leiden etwa drei bis fünf Prozent der schulpflichtigen Kinder in Deutschland unter dieser Verhaltensstörung. Der Frankfurter Arzt Fritz Poustka, ein Experte für ADHS, spricht von drei Verhaltensauffälligkeiten, die klassischerweise mit ADHS in Verbindung stehen: Konzentrationsstörungen, Impulsivitätsstörungen und Hyperaktivität.
Viele ADHS-Betroffene kämen zwar auch ohne medizinische Hilfe zurecht, aber bei einem Drittel der Patienten sei eine medikamentöse Behandlung erforderlich, meint der Mediziner. Die Einnahme von Methylphenitat (Ritalin) oder Amphetaminen würde bei 80 bis 90 Prozent der Patienten die Aufmerksamkeit verbessern und den Bewegungsdrang verringern, bei 40 Prozent der Betroffenen auch die Impulskontrolle erhöhen, sagt er. Neben den Medikamenten sei zudem ein Biofeedback-Training hilfreich, bei dem das Nervensystem darin geschult wird, ein bewusstes Entspannen einzuleiten.
Seit dem Vorfall in der Mathestunde erhält Paul professionelle Unterstützung. Einmal in der Woche kommt die Förderschullehrerin Susanne Scheffler an seiner Schule vorbei. Dann sitzen sie gemeinsam in einem kleinen Zimmer und reden. „Wir machen aber auch verschiedene Übungen und Spiele, bei denen Paul einen besseren Zugang zu seiner Wahrnehmung und seinen Emotionen bekommt“, sagt Scheffler. Körperarbeit nennt sie das. Auch Gespräche mit Pauls Eltern und seinen Lehrern hat sie schon geführt. Auf Medikamente hätten sie anfangs zwar zurückgegriffen, „um die Situation zu stabilisieren“. Inzwischen sei dies aber kaum noch nötig.
Seit einem Jahr arbeitet Scheffler nun mit Paul. Er kann schon deutlich besser mit seiner Situation umgehen. Auch die Noten haben sich verbessert. Er geht wieder gern zur Schule. Früher war das nicht immer so. Es hilft ihm zu wissen, dass es vielen so geht wie ihm und dass man dennoch erfolgreich sein kann. Wenn er in einem halben Jahr mit der Grundschule fertig ist, will er sogar aufs Gymnasium gehen. Scheffler ist sehr zufrieden mit Pauls Entwicklung. Er werde seinen Weg schon gehen, sagt sie. Da sei sie sich ganz sicher.