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Lederhose statt Dirndl

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Von: Anja Laud

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Frankfurt 14.12.21 Historisches Museum Frankfurt, Rundgang mit Kuratorinnen für sechsteilige Serie mit Objekten aus den Ausstellungen „Frankfurt und der NS“
Frankfurt 14.12.21 Historisches Museum Frankfurt, Rundgang mit Kuratorinnen für sechsteilige Serie mit Objekten aus den Ausstellungen „Frankfurt und der NS“ © Monika Müller

Frankfurt im Nationalsozialismus: Fanny Schreck nutzte einige der wenigen Freiräume für Frauen.

Gleich drei Ausstellungen befassen sich im Historischen Museum mit der Zeit des Nationalsozialismus in Frankfurt. Die FR stellt in einer Serie einzelne Exponate vor, die dort zu sehen sind. Heute: die Hose einer Frau, die dem nationalsozialistischen Ideal vom Heimchen am Herd nicht entsprechen wollte.

Kurze Puffärmel, enges Mieder, weiter Rock: Das Dirndl war im Dritten Reich für Frauen so etwas wie eine Nationaltracht, vor allem dann, wenn sie sich gemäß der nationalsozialistischen Volkstumsideologie „arisch“-bäuerlich zeigen wollten, wie Anne Gemeinhardt, eine der Kuratorinnen der Ausstellung „Eine Stadt macht mit“, sagt. Doch längst nicht alle Frauen hielten sich an diese biedere Kleiderordnung. Die Frankfurterin Fanny Schreck, eine in dieser Zeit ohnehin scheel beäugte ledige Mutter, wollte dem von den Nazis propagierten Bild von der Frau als treusorgender Gattin und Hüterin einer Kinderschar nicht entsprechen. Das zeigt eine Motorradhose, die in der Ausstellung im Historischen Museum zu sehen ist.

Frankfurt 14.12.21 Historisches Museum Frankfurt, Rundgang mit Kuratorinnen für sechsteilige Serie mit Objekten aus den Ausstellungen „Frankfurt und der NS“
Frankfurt 14.12.21 Historisches Museum Frankfurt, Rundgang mit Kuratorinnen für sechsteilige Serie mit Objekten aus den Ausstellungen „Frankfurt und der NS“ © Monika Müller

Fanny Schreck liebte es, auf einem Motorrad durch die Stadt zu sausen. „Sie arbeitete für sich eine Herren-Motorradhose um“, erzählt Anne Gemeinhardt.

Trotz der NS-Propaganda von der „Volksgemeinschaft“, die Einheitlichkeit unter den Volksgenossinnen und Volksgenossen vortäuschte, blieben für die meisten zumindest bis Kriegsbeginn Spielräume zur individuellen Ausgestaltung des Alltags erhalten. Allerdings durften bestimmte Grenzen nicht überschritten werden, nach Emanzipation strebende Frauen waren unerwünscht.

Ausstellungen:

Im Historischen Museum, Saalhof 1, sind zum Thema „Frankfurt und der NS“ drei Ausstellungen zu sehen.

Die zeitgeschichtliche Ausstellung „Eine Stadt macht mit – Frankfurt und der NS“ (bis 11. September 2022) führt an 19 typische Orte städtischen Lebens und verdeutlicht, wie der Nationalsozialismus die Stadt prägte.

Die Ausstellung „Auf Spurensuche im Heute“ (bis 11. September 2022) ist im Stadtlabor des Museums entstanden. Frankfurter:innen haben dafür in der Stadt Orte, Dinge oder Ereignisse untersucht, die sie persönlich an die NS-Zeit erinnern.

Das Junge Museum des Historischen Museums gibt mit der interaktiven Ausstellung „Nachgefragt: Frankfurt und der NS“ Einblick in das Alltags- und Familienleben junger Frankfurterinnen und Frankfurter im Nationalsozialismus. Sie ist für Kinder ab zehn Jahren geeignet und wird bis zum 23. April 2023 zu sehen sein.

Das Begleitprogramm zu der Ausstellungstrias bietet neben Führungen und Vorträgen auch Kunstperformances und Stadtgänge an. Ein Überblick findet sich auf der Webseite des Historischen Museums. Diese wird fortlaufend aktualisiert.

www.frankfurt-und-der-ns.de/de

Ebenfalls nicht mit Großzügigkeit rechnen konnte die „Swing-Jugend“, Jugendliche, die „Negerjazz“ hörten, wie die Nazis diese Musik nannten, lange Haare hatten und einen Kleidungsstil pflegten, der sich von dem der NS-Jugend abhob. Alle, die auffielen oder bei einem Konzertbesuch erwischt wurden – 1941 trat beispielsweise die Jazzband „Hot-Club“ heimlich auf –, mussten damit rechnen, in speziell für Jugendliche eingerichtete Konzentrationslager zu kommen.

Gleichwohl sollte die deutsche Bekleidungsindustrie durchaus auch auf dem internationalen Markt konkurrieren können. Zu diesem Zweck wurde in Frankfurt 1933 das Modeamt gegründet. Fünf Jahre später bezog es eine Villa in der Mainzer Landstraße 57, die die Stadt von dem jüdischen Eigentümer, dem 1936 emigrierten Unternehmer Paul Hirsch, erworben hatte, wie dem Begleitbuch zur Ausstellung zu entnehmen ist.

Zu den Entwürfen des Modeamts gehörten Damenstiefeletten, die auch heute noch als chic gelten könnten. Sie haben Absätze aus Plexiglas, einem damals brandneuen Material.

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