Leben und Überleben

„Suddenly Last Summer“ von Tennessee Williams feiert Premiere am English Theatre Frankfurt – einen Tag, bevor der Untermietvertrag für die Räume im Galileo-Turm ausläuft.
Gerade flirrte noch fröhlich „Sister Act“ über die Bühne, schon laufen die Vorbereitungen für das nächste Stück am English Theatre Frankfurt. Auf dem Programm steht vom kommenden Freitag an „Suddenly Last Summer“ von Tennessee Williams, ein düster-morbides Südstaaten-Mystery-Drama. Der Kontrast zum Musical könnte größer kaum sein – und es könnte die letzte Inszenierung werden, die Premiere feiert im Galileo-Turm, wo die Spielstätte seit 2003 residiert. Könnte.
Doch zunächst zum Stück, in dessen Zentrum sich zwei Frauen einen erbitterten Kampf um die Wahrheit über den Tod des verkannten Poeten Sebastian liefern. Seine Mutter, die reiche Witwe Violet Venable, vergöttert ihn und will der grausigen Geschichte seiner Cousine Catherine nicht glauben: Dass Sebastian, der seine Homosexualität verbarg, auf der gemeinsamen Europareise einer kannibalistischen Attacke zum Opfer fiel. Um sie zum Schweigen zu bringen, soll sich Catherine einer Lobotomie unterziehen.
Harte Kost also und „kein Fastfood“, räumt Josh Seymour ein. Seit Montag ist der Londoner Regisseur mitsamt Team in Frankfurt für sein erstes Stück am English Theatre. Der Einakter ergründe, „wie Menschen einander ausbeuten“ und „wie sie die Brutalität des Lebens ertragen“. Damit habe er neben „radikalen“ auch biografische Züge, unter anderem weil Williams‘ Schwester eine Lobotomie erleiden musste.
„Es ist natürlich einfach, die Mutter zu beschuldigen“, sagt die bekannte Theater- und Filmschauspielerin Kathryn Pogson, die die Rolle der Violet Venable verkörpert. „Doch sie ist nicht wirklich böse, sie hätte anders gehandelt, wenn ihr Sohn nicht gestorben wäre.“ Das Stück aus dem Jahr 1957 sei „viel komplexer“ und beleuchte „die dunkle Seite, die in allen von uns steckt“.
English Theatre Frankfurt
„Suddenly Last Summer“ von Tennessee Williams wird von Freitag, 14. April, bis Sonntag, 4. Juni, am English Theatre Frankfurt, Gallusanlage 7, aufgeführt. Tickets kosten zwischen 29 und 41 Euro, ermäßigt 15 und 18 Euro.
Eine Petition für den Erhalt des Theaters, die auf der Homepage aufgerufen werden kann, haben bislang mehr als 23 000 Menschen unterzeichnet. myk
www.english-theatre.de
Auch um Homosexualität und den Umgang damit – die Verfilmung von 1959 blendete jegliche Hinweise darauf aus – gehe es nicht direkt in „Suddenly Last Summer“, betont Pogson. Vielmehr um die „Illusionen, die man von sich und anderen hat“. Und die schlimmstenfalls bewirkten, ergänzt Seymour, „dass man das falsche Leben führt“. So wie Sebastian, der seine Sexualität unterdrückte. Zugleich zeige das Stück, das er „weniger plastisch, sondern eher träumerisch“ inszenieren wolle, „wie Menschen Illusionen nutzen, um zu überleben“.
Das passt fast zur Situation, in der sich das English Theatre befindet, seit der Galileo-Turm an den Investor Capitaland aus Singapur verkauft wurde – und die noch immer ungeklärt ist. Dabei hat die Commerzbank, die bis Ende Januar 2024 Hauptmieterin des Gebäudes ist, den Untermietvertrag mit der Spielstätte zum 15. April gekündigt. Doch Intendant Daniel Nicolai ist „weiterhin optimistisch, dass sich eine Lösung findet“ und das größte englischsprachige Theater Kontinentaleuropas nicht geräumt werde.
Immerhin habe es just „neue Signale“ von der Commerzbank gegeben, dass sie baldige Gespräche mit dem English Theatre, der Stadt Frankfurt und Capitaland anstrebe. „Auf einen runden Tisch haben wir lange gedrängt“, sagt Nicolai. Gremien und Prominente aus Politik und Kultur haben an die Commerzbank appelliert, den Vertrag zu verlängern. Ab Februar 2024 wäre ein Anschlussmietvertrag mit dem Eigentümer nötig. „Für uns ist daher wichtig, Capitaland zu zeigen, dass wir keine Zecke im Pelz sind, sondern den Turm zum Leuchten bringen.“