Langen Atem beim Schwimmen lernen

Kilometerlange Schlangen bei den Anmeldestellen der Vereine. Es wird mit mehr Badeunfällen gerechnet.
Werner Ofer, Abteilungsleiter Schwimmen des Höchster Schwimmvereins, hat vom Beckenrand aus einen wohlwollenden, aber strengen Blick auf die Schwimmschüler und gibt ihnen Tipps zur Atemtechnik. Man braucht in Frankfurt einen langen Atem, wenn man schwimmen lernen möchte – nicht erst, wenn man ins Wasser eintaucht, sondern schon, wenn es darum geht, an einem Schwimmkurs teilnehmen zu können. Wegen der Pandemie konnten Schwimmkurse gut eineinhalb Jahre gar nicht und dann nur mit reduzierten Teilnehmerzahlen gegeben werden.
Die Zahl derer, die schwimmen lernen möchten – vor allem Kinder –, staut sich. Die Wartelisten der Anbieter von Schwimmkursen werden immer länger, und die Schlangen bei den Anmeldeterminen auch.
So hatte sich vor der Geschäftsstelle des Ersten Frankfurter Schwimmclubs (EFSC) in der Rhönstraße am 24. März um 7 Uhr – eine Stunde vor Büroöffnung – bereits eine Schlange von 200 Metern gebildet. „Sonst sind es um diese Zeit vielleicht 10, 15 Interessenten“, schildert Michael Ulmer, Sportlicher Leiter des EFSC, die Situation.
Insgesamt 400 bis 500 Interessenten hätten sich schließlich auf einer Länge von fast einem Kilometer angestellt, schätzt er, so viele wie noch nie. „Es waren viele da, die mehrere Stunden gewartet haben und dann riesig enttäuscht waren, dass sie keinen Schwimmkurs bekommen haben und nur auf die Wartelisten genommen werden konnten“, bedauert er. Mehr als 1000 Teilnehmer seien an diesem Tag eingebucht worden. Die anderen können nachrücken, wenn jemand absagt.
Der Höchster Schwimmverein hat bereits Anmeldungen bis ins Jahr 2024 angenommen, berichtet Werner Ofer. Auch auf die Kurse der Bäderbetriebe Frankfurt gibt es einen Ansturm, so der Geschäftsführer Boris Zielinski. Dabei hätten die Bäderbetriebe schnell reagiert und die Bäder umgehend wieder geöffnet, als die Pandemiebedingungen es zuließen. „Trotzdem haben wir Schulklassen, die überhaupt kein Schulschwimmen hatten.“ Und auch Rainer Schwebs, Ausbilder und Leiter der Ausbildung der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft DLRG, Bezirk Frankfurt, bestätigt, dass „die Nachfrage enorm ist“, und verweist darauf, dass man bereits vor der Pandemie schon mit Wartelisten habe arbeiten müssen.
Die Anbieter versuchen, mit verschiedenen Strategien den Nachfragestau sukzessive abzubauen. Die Bäderbetriebe mit mehr als 300 Kinderschwimmkursen in diesem Jahr bieten zusätzlich Ferienkompaktkurse an.
Die Wasser in Frankfurt
Alle Anbieter könnten wesentlich mehr Schwimmkurse geben, wenn sie außerhalb der Schulzeiten auch die Schwimmbäder der Schulen mitbenutzen könnten – dafür müssten drei Bäder aber erst einmal wieder fit gemacht werden.
Mit dem Wunsch , die Schulbäder zu nutzen, sei man bereits vor zehn Jahren auf den damaligen Sportdezernenten Markus Frank (CDU) zugegangen, sagt Michael Ulmer vom EFSC. Es geht darum, die Bäder dann nutzen zu dürfen, wenn sie ohnehin leer stehen: außerhalb der Unterrichtszeiten, an Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien.
An drei Schulen (Dahlmannschule, Marie-Curie-Schule und Wöhlerschule) sei das zum Teil umgesetzt worden.
Wirklich ärgerlich findet Ulmer, in welchem Zustand die Schulschwimmbäder zum Teil seien und dass sie nicht genutzt werden können, weil Reparaturen nicht ausgeführt würden.
Von sieben Schulschwimmbädern seien aktuell drei außer Betrieb – und das nicht erst seit gestern. Das Bad der Liebigschule sei seit 2019 defekt und werde nicht repariert. Das Bad der Wöhlerschule könne aufgrund defekter Elektrik durch einen Wasserschaden im vergangenen Sommer nicht benutzt werden. Das Bad der Ernst-Reuter-Schule sei schon seit mehr als zehn Jahren außer Betrieb, und das könne man inzwischen vermutlich auch abschreiben, so Ulmer.
Die Schulschwimmbäder waren in der Trägerschaft des Stadtschulamtes, bevor sie in die Zuständigkeit des Amtes für Bau und Immobilien und nun sukzessive in den Bereich der Bäderbetriebe übergehen sollen.
Mit dieser Änderung der Zuständigkeit hoffen die Schwimmvereine laut Ulmer, dass sich etwas tun werde. elle
Der Höchster Schwimmverein hat unter anderem die Kurslängen etwas verkürzt, auf eine Dauer, innerhalb derer die meisten es schaffen. „Und wenn zwei eines Kurses am Ende nicht schwimmen können, dann bleiben sie noch eine Runde, aber wir können schon wieder zehn aufnehmen“, schildert Ofer.
Der EFSC versucht, mit Oster- und Sommerferienkursen außer der Reihe den Nachfragestau abzubauen. 1700 Personen nehmen aktuell an den Schwimmkursen teil. Personell ist der Verein mit zwölf Angestellten, drei Auszubildenden und 25 Personen im Trainerstamm so gut aufgestellt, „dass wir das Doppelte, 3400 Kursplätze, vergeben könnten“, so Ulmer. Aber es fehlt – allen Anbietern – an Wasserflächen. Das heißt: Die Frankfurter Schwimmbäder sind – im Rahmen ihrer Nutzbarkeit – ausgelastet.
Diese Situation hat sich durch den Abriss des Rebstockbades noch verschärft. Und es müsste so nicht sein, sagt Ulmer, wenn man handeln würde (siehe Box): defekte Bäder reparieren und den Schwimmvereinen die Nutzung der Schulschwimmbäder ermöglichen. Der Mangel an Wasserflächen führe zu einer höchst unbefriedigenden Situation. „Mit mehr räumlicher Kapazität könnten wir den Bedarf decken“, ärgert sich Ulmer.
Leidtragende sind vor allem die Kinder und die Eltern der Nichtschwimmer, die doppelt gut auf sie aufpassen müssen, wenn sie mit ihnen am Wasser sind.
Bedingt durch die Pandemie wurde und wird mit mehr Badeunfällen gerechnet. Doch da überraschen die Zahlen der DLRG: 2021 sind bundesweit 299 Menschen ertrunken und damit 79 weniger als im Jahr zuvor, obwohl es da schon eine Lücke in der Schwimmausbildung gab. Das ist der niedrigste Stand seit dem Jahr 2000. Zurückgeführt wird diese Entwicklung darauf, dass seltener schwimmen gegangen wurde oder dass die Menschen umsichtiger seien.
Aber können die Kinder nicht auch ohne Kurs schwimmen lernen? „Sie brauchen einen professionellen Partner“, ist Boris Zielinski überzeugt. Natürlich könnten die Eltern es selbst probieren, „aber dann gewöhnen sich die Kinder vielleicht eine falsche Technik oder Atemtechnik an“, räumt Rainer Schwebs ein.
Aber die Eltern können auch dabei mithelfen, die Kursdauer zu verkürzen: die Kinder schon mal ans Wasser gewöhnen und mit ihnen die Baderegeln lernen – die im Kurs abgefragt werden. Das würde sich Werner Ofer wünschen. Und dem Nachwuchs „auch erklären, dass man vor dem Baden duscht – nicht weil man schmutzig ist, sondern damit der Körper sich akklimatisiert“.