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Landgericht Frankfurt: Stalker wegen versuchten Totschlags vor Gericht

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Von: Stefan Behr

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Das Landgericht Frankfurt verhandelt gegen einen Stalker, Messerstecher und Albtraum toxischer Männlichkeit. Das bekommt selbst die Dolmetscherin zu spüren.

Asen A. ist ein schmächtiger Mann, aber er hat am Dienstagmorgen vor dem Frankfurter Landgericht einen starken Auftritt. Der 41-Jährige, dem versuchter Totschlag und Stalking vorgeworfen werden, betritt den Landgerichtssaal in Hand- und Fußfesseln, flankiert von drei bärenstarken Polizisten in voller Kampfmontur inklusive Helm.

Die Polizisten bauen sich hinter dem Angeklagten auf und verlassen ihn erst, als der Vorsitzende Richter Volker Kaiser-Klan, dem es ein bisschen zu martialisch wird, sie dazu auffordert. Die Hand- und Fußfesseln behält A. an. Und wie sich zeigen wird, ist das auch gut so.

Asen A., der bis zu seiner Festnahme auf den Straßen des Bahnhofsviertels lebte, hatte sich, wie er vielleicht selbst glaubt, Mitte 2019 verliebt. In eine Sozialarbeiterin einer Einrichtung in der Weserstraße, in der der Obdachlose Hilfe fand. Laut Anklage suchte er eine „romantische Beziehung“, aber das ging schief. Die Frau wollte nichts von A. wissen, der aber belagerte und belästigte sie auf ihrer Arbeitsstelle, bis er ein Hausverbot bekam. Das ignorierte er, lauerte ihr an der U-Bahn-Station Willy-Brandt-Platz auf, wenn sie zur Arbeit ging. Im März 2019 überfiel er sie auf dem Weg zur Arbeit, drückte sie in einen Hauseingang und küsste sie.

Die Überfallene erwirkte ein gerichtliches Kontaktverbot. A. ignorierte es. Als sie sich nur noch in Begleitung ihrer Mutter und ihres Freundes auf die Arbeit wagte, bedrohte A. sie mit einer Glasscherbe, trat der Mutter gegen das Schienbein und biss den Freund in den Daumen. Im September 2020 griff er dann den Freund der Frau nahe dem Hauptbahnhof an und rammte ihm ein Messer in den Rücken. Eine Rippe stoppte den Stich und rettete dem 30 Jahre alten Mann wohl das Leben.

A. leugnet fast alles und redet einen Stuss, wie man ihn selten gehört hat. Nach seiner Aussage hätten die Frau seines Herzens, ihre Mutter und ihr Freund ihn lange Zeit mehrmals die Woche überfallen, zusammengeschlagen und -getreten, ihm sämtliche Knochen gebrochen und Geld von ihm gefordert – warum auch immer.

Im September 2020 habe der Freund dann versucht, ihn ohne jeden Anlass umzubringen. Er habe sich nur gewehrt. Wie ein Mantra wiederholt A. einen Satz, den die Dolmetscherin immer wieder übersetzen muss: „Ich bin sehr viel geschlagen worden und man hat mich ins Gefängnis geworfen.“

So ermüdend wie A.s Jammerei, so erschreckend ist die Aussage der gepeinigten Frau. A. habe ein Problem: „Er akzeptiert kein Nein.“ Weder auf Bulgarisch noch auf Deutsch noch in sonst einer Sprache. Dafür kenne A. Hunderte von bulgarischen Begriffen, die man auf Deutsch wohl mit „Schlampe“ übersetzen würde und mit der er stets seine Liebesschwüre garniert habe. Bevor er sie belästigt habe, habe er monatelang die Köchin der Sozialstation gestalkt – aber die wollte ihn auch nicht.

Eines gibt A. immerhin zu: dass er die Frau gegen ihren Willen geküsst hat. „Was ist denn schon dabei? Sie ist schön! Ich habe sie doch nicht getötet. Ich habe ihr Schokolade gekauft.“ Dann jammert er wieder, und um zu zeigen, wie die Frau und ihre Entourage ihm die Finger gebrochen hätten, greift er sich plötzlich die Hand der Dolmetscherin und drückt deren Finger nach hinten. Die Zuschauerinnen und Zuschauer und die Prozessbeteiligten packt das Entsetzen, doch die Dolmetscherin bleibt gelassen: A. habe sie schon im Gefängnis ständig betatscht. Sein Anwalt sei dann immer dazwischen gegangen.

„Hoffentlich verliebt er sich nicht wieder“, kommentiert Kaiser-Klan knochentrocken. Dazu besteht nämlich noch Gelegenheit. Der Prozess wird fortgesetzt.

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