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Landgericht Frankfurt: Sechs Jahre Haft für Oberstaatsanwalt

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Von: Oliver Teutsch

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Der suspendierte Oberstaatsanwalt am Freitag bei seinem vorerst letzten Gang ins Landgericht. Foto: dpa
Der suspendierte Oberstaatsanwalt am Freitag bei seinem vorerst letzten Gang ins Landgericht. Foto: dpa © dpa

Landgericht übt in seinem Urteil auch scharfe Kritik an Staatsanwaltschaft und hessischer Justiz. Zwei Jahre neun Minate Haft für Mitangeklagten.

Wegen Bestechlichkeit und Untreue in besonders schweren Fällen hat das Landgericht Frankfurt den suspendierten Oberstaatsanwalt Alexander Badle zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der mitangeklagte ehemalige Schulfreund Badles muss nach dem Urteilsspruch der Kammer vom Freitag für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der hochrangige Justizbeamte Badle sich im nicht rechtsverjährten Zeitraum in 86 Fällen der Bestechlichkeit und in 54 Fällen der Untreue schuldig gemacht hat.

In seiner gut 90-minütigen Urteilsverkündung ließ der Vorsitzende Richter Werner Gröschel aber keinen Zweifel daran, dass die hessische Justiz eine erhebliche Mitschuld an einem der größten Korruptionsskandale in der Justiz trägt. Gröschel sprach mehrfach von gänzlich fehlenden Kontrollmechanismen und bezeichnete die Aufarbeitung des Versagens in den zurückliegenden Jahren als „traurig“.

Der Angeklagte Badle verfolgte die Urteilsbegründung äußerlich weitgehend ungerührt. Ab und zu machte er sich Notizen zu den Ausführungen Gröschels, der einmal auch das Wort direkt an ihn richtete. Der Ermittler, der als Koryphäe der Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen galt und über ein stattliches Einkommen verfügte, habe seine gesamte bürgerliche Existenz zerstört. Die Fallhöhe vom Vortragsreisenden zum Untersuchungshäftling sei „schon beachtlich“, so Gröschel, der anfügte: „Das macht Ihr Handeln, Herr Badle, umso unverständlicher.“

In den 22 Prozesstagen seit Januar hatte sich Badle als reuiger und kooperativer Angeklagter gezeigt. Die Kammer hatte während der Hauptverhandlung versucht aufzuarbeiten, wie es einem Staatsanwalt möglich war, über einen Zeitraum von rund 15 Jahren unbemerkt Schmiergelder einzustreichen und dabei laut Gröschel noch als „taktischer Geschäftsführer“ einer der beiden korrupten Firmen zu fungieren.

Im Herbst 2005 hatte Badle mit seinem mitangeklagten Schulfreund Bernhard A. die Firma „medi-transparent“ ins Leben gerufen, die medizinische Gutachter:innen beschäftigte, um Machenschaften im Gesundheitswesen aufzudecken. Nötig und möglich geworden war die Gründung der Firma, weil sich die Polizei aus der Zusammenarbeit mit der sogenannten AG Ärzte in Elz bei Limburg zurückzog. Der heutige Frankfurter Polizeipräsident Stefan Müller, seinerzeit in verantwortlicher Position beim Landeskriminalamt, hatte in seiner Zeugenvernehmung vor dem Landgericht recht eindrücklich dargelegt, warum die Zusammenarbeit aufgekündigt worden war. Die Praxis, Verfahren aufwendig einzuleiten und dann meist einzustellen, sei ihm als „nicht zukunftsfähig“ erschienen.

Anders als die Staatsanwaltschaft ging das Gericht davon aus, dass Badle die Firma seinerzeit noch nicht mit der Absicht gegründet hatte, sich persönlich zu bereichern. Dieses Verlangen sei erst mit den hohen Gewinnen entstanden, die die Firma aufgrund der überteuerten Gutachten einstrich. Gröschel betonte in seiner Urteilsbegründung, die hessische Justiz habe dem Unternehmen unter der Federführung Badles jährlich ein Auftragsvolumen von bis zu einer Million Euro erteilt.

Einig waren sich Gericht und Staatsanwaltschaft darin, dass Badle sich der Untreue schuldig gemacht habe. Als Leiter der Sondereinheit bei der Generalstaatsanwaltschaft habe Badle ohne Zweifel eine Vermögensbetreuungspflicht gehabt. Anders als bei den Tatbeständen der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung, der sich Badle ebenfalls schuldig gemacht hat, räumte er den Vorwurf der Untreue nur mittelbar ein. Die Vorwürfe, durch überhöhte Abrechnungen vorsätzlich und wissentlich Geld des Staates veruntreut zu haben, waren ohnehin schwer nachzuweisen. Gericht und Staatsanwaltschaft stützen sich dabei auf jahrealte E-Mails, die vorsorglich gelöscht worden waren, von IT-Fachleuten aber wiederhergestellt werden konnten.

Aufgeflogen war der Justizskandal indes erst durch die damalige und mittlerweile verstorbene Lebensgefährtin Badles, wie Richter Gröschel in Erinnerung rief und dabei kritisierte: „Es ist ja nicht so, dass es keine deutlichen Anzeichen dafür gab.“ Etwa der Rückzug der Polizei aus Ermittlungskomplexen, die von der Generalstaatsanwaltschaft als Erfolgsgeschichte verkauft wurden. Oder, wie Gröschel betonte, die Tatsachen, dass Badle viel gearbeitet, selten Urlaub gemacht und sogar eine Beförderung, die mit einer Versetzung weg von seiner Schmiergeldquelle verbunden gewesen wäre, abgelehnt hatte.

Solche Indizien finde man „in jedem Handbuch der Korruptionsermittlung“, so Gröschel, der von einem „Kontrollversagen auf ganzer Linie“ sprach. Im hessischen Justizministerium habe es lediglich einen Mitarbeiter gegeben, der mit zehn Prozent seiner Arbeitskraft nach Unregelmäßigkeiten gesucht habe.

Mittlerweile sei die Justiz tätig geworden und habe auch bei der Generalstaatsanwaltschaft dringend notwendige Kontrollmechanismen veranlasst. Darum hatte auch der Landesrechnungshof eindrücklich gebeten. Zukünftig sei also Abhilfe geschaffen. Aber die Aufarbeitung der Verantwortlichkeit für den Justizskandal sei gänzlich ausgeblieben. In jedem privaten Unternehmen wäre auch die Geschäftsführung an den Pranger gestellt worden, tadelte Gröschel und schloss sich damit den Ausführungen eines Verteidigers aus den Plädoyers an.

Gröschel war damit aber noch nicht am Ende seiner Justizschelte. Die Entscheidung, die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Frankfurt führen zu lassen, bezeichnete der Vorsitzende Richter als „katastrophal“. So hätten in der Sache teilweise Personen die Ermittlungen geführt, mit denen Badle während seiner Machenschaften zusammengearbeitet hatte. Auch die Tatsache, das Verfahren am Landgericht Frankfurt zu führen, bezeichnete Gröschel als „nicht glücklich“ und ließ letztlich keinen Zweifel daran, dass bei diesem Wirtschaftsstrafverfahren insgeheim auch die hessische Justiz mit auf der Anklagebank saß.

Auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt musste am Freitag Kritik einstecken. Foto: dpa
Auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt musste am Freitag Kritik einstecken. Foto: dpa © dpa

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