Gewaltorgie in Frankfurt - Tat auf Supermarkt-Parkplatz macht „fassungslos“

In Frankfurt wird ein 38-jähriger Hundehalter nach einer Gewaltorgie gegen eine 70-Jährige zu vier Jahren Haft verurteilt. Der Tathergang macht den Richter „fassungslos“.
Frankfurt – Was am Abend des 15. März auf dem Parkplatz eines Discounters in Sossenheim geschehen ist, macht nicht nur den Vorsitzenden Richter der Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt „fassungslos“. Gegen 20.15 Uhr will die 70 Jahre alte Rike W. mit ihren Einkäufen nach Hause fahren. Neben ihrem Auto knutscht ein Pärchen, die Hunde der beiden versperren W. den Weg. Sie bittet, Platz zu machen.
Für Jan H. offenbar ein Affront. Er geht zur Fahrerseite des Autos, beschimpft W. als „Hure“, öffnet die Tür, bespuckt sie und schlägt ihr mehrfach die Faust ins Gesicht. Sein Hund beißt die Frau in die Hand. Rike W. gelingt es dennoch loszufahren.
Gewalttat in Frankfurt: Auch der Hund ist dabei
H. rennt ihr - „Hure“ schreiend - hinterher, tritt den Außenspiegel ab, reißt erneut die Tür auf, zerrt die Frau aus dem Auto, schlägt auf sie ein, wirft sie zu Boden, tritt ihr mehrfach gegen den Kopf. Das alles unter den interessierten Blicken zahlreicher Supermarktbesucher:innen, von denen gerade mal zwei den Notruf wählen. Aber W. ist zäh. Ihr gelingt es tatsächlich, sich aufzurappeln, erneut ins Auto zu steigen, loszufahren. Doch an der Parkplatzausfahrt Siegener Straße muss sie verkehrsbedingt anhalten.
Wieder holt H. sie ein. Wieder reißt er die Tür auf. Doch diesmal ist es sein Hund „Damon“, eine Kanarische Dogge, die auf W. losgeht. Er beißt der Frau ein faustgroßes Stück aus dem linken Unterarm. Mit freigelegter Muskulatur, gebrochenem Schulterblatt, einer klaffenden Kopfplatzwunde und zahllosen Prellungen schafft es W. aus eigener Kraft, ins Krankenhaus Höchst zu fahren, wo sie sofort operiert wird.
Bis heute kann Rike W. ihren linken Daumen nicht richtig bewegen. Der Unfall hat sie derart mitgenommen, dass ein ärztliches Attest ihr dringend abrät, bei dem Prozess, in dem sie Nebenklägerin ist, zu erscheinen. Eine Konfrontation mit H. könnte zu einer Retraumatisierung führen. W. bekommt immer noch Panikattacken, wenn sie Hunde sieht – oder Besoffene.
Gewaltorgie in Frankfurt: Was der Angeklagte sagt
Dass H. am Donnerstagmorgen nüchtern am Landgericht erscheint, liegt allein daran, dass im Gefangenentransport keine Erfrischungen gereicht werden. Er sei „zutiefst schockiert über sein eigenes Verhalten“, lässt er über seine Verteidigerin ausrichten, er habe schließlich „selbst eine Mutter, die alt und gebrechlich ist“. Aber er sei an jenem Abend nicht nur stockbesoffen, sondern auch „einfach allgemein unzufrieden mit seinem Leben gewesen“.
Außerdem habe irgendwann seine Freundin auf dem Boden gelegen, und da habe er gedacht, W. hätte sie angefahren. Tatsächlich lag die Freundin irgendwann auf dem Boden – laut Zeugenaussagen, weil sie im Vollrausch über die Hundeleine gestolpert war. Die Frau will sich im Zeugenstand an den Tatabend nicht erinnern können. „Ich habe halt ein bisschen viel im Kopf“, sagt sie, macht aber einen eher gegenteiligen Eindruck.
Frankfurt: Gericht fällt Urteil
Am Ende verurteilt das Landgericht H. wegen gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. „Damon“ bleibt im Tierheim. H. soll 15.000 Euro an Rike W. zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Angesichts der Verhältnisse des 38 Jahre alten Ex-Aushilfsjobbers hat letzteres aber bloß Symbolcharakter. (Stefan Behr)