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Kunst erinnert an verfolgte Autoren

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Von: Julian Loevenich

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Erdem Gül wurde wegen seiner Berichterstattung inhaftiert.
Erdem Gül wurde wegen seiner Berichterstattung inhaftiert. © Susanne Köhler

Für eine Ausstellung porträtieren 15 Maler ermordete oder inhaftierte Schriftsteller und Journalisten.

Eigentlich war es eine Meldung unter vielen, die von so vielen überlesen werden. Susanne Köhler aber konnte sie nicht überlesen. Und schon gar nicht einfach so vergessen. Wenige Zeilen nur standen in der Zeitung über die Tragödie des mexikanischen Lokaljournalisten Moisés Sánchez. Über die Korruption in seinem Heimatort wollte er berichten. Doch statt aufzuklären, verschwand er – ermordet und enthauptet von Unbekannten.

Fast zwei Jahre ist das her. Köhler konnte danach nicht anders, als diesen Mann in ihrem Heddernheimer Atelier 13 zu porträtieren, dieses Unrecht sichtbar zu malen. Das ist ihre Art als Künstlerin, der Ohnmacht irgendwie Herr zu werden, die sie spürt beim Anblick solcher Meldungen – die immer mehr wurden, desto mehr Köhler recherchierte und desto mehr sich weitere Künstler daran beteiligten.

15 Maler insgesamt konnte Köhler von ihrem Projekt überzeugen, ermordete, inhaftierte, verfolgte Journalisten zu porträtieren und den Vergessenen wieder ein Gesicht zu geben. Über 50 Porträts aus fast 40 Ländern sind es schließlich geworden.

„Das ist vielleicht etwas düster“, sagt Köhler mit Blick an die Wände ihres Ateliers in Alt-Heddernheim. Unzählige Portraits getöteter Journalisten hängen dort aufgereiht in Vorbereitung auf die geplante Ausstellung Mitte Februar. Einen einheitlichen Stil, ein einheitliches Material gibt es bei den Werken nicht. Jedes ist ein Versuch, den Einzelnen in seiner Individualität zu erfassen. Sei es mit einem Aquarell oder bloß einem Bleistift.

Köhler ist studierte Grafikerin. Malen nur um der Unterhaltung willen, das sei nie etwas für sie gewesen. Sie wolle mehr ausdrücken, „den Finger in die Wunde legen“, wie sie sagt. So macht sie es auch bei den getöteten Journalisten. Auf die Frage, warum sie das ausgerechnet mit Porträts tue, antwortet Köhler, dass man sich so mit der Person intensiv auseinandersetze. „Ich sehe das Foto einer Person und weiß, dass sie sterben wird, obwohl es die Person zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste“, sagt Köhler. Ein merkwürdiges Gefühl. Einige der Bilder zeigen glückliche Menschen. Das bedrücke sie, sagt die Künstlerin.

Über das Internet versuchen sie, alle Informationen über einen Menschen zu sammeln, sich seiner anzunähern, sie begegnen ihm. Alles, was sie finden können, wird in Informationstexten zusammengefasst.

„Ich habe immer mit ihm geredet während des Zeichnens und auch geschimpft, dass er ein zweites Mal überhaupt dorthin ist“, sagt Christine Krahé, die den Journalisten James Foley porträtiert. 2014 wird der damals 41-Jährige in Syrien enthauptet.

Es ist eine triste Welt, in die sich Köhler und die anderen immer wieder begeben. Ablenken ist da wichtig. Dafür hat Köhler ihr Atelier. Sie ist leidenschaftliche Comiczeichnerin, bringt für nächstes Jahr wieder einen Kalender heraus mit comichaften Motiven Frankfurts. Sie hat ein Kochbuch im Comicstil geschaffen. „Comics erlauben es, atmosphärisch zu erzählen. Auch Unrealistisches kann man super zeigen.“

In ihrem Atelier gibt sie Zeichenkurse für Anfänger und Fortgeschrittene. Für Erwachsene und Kinder. Das große Ziel aber ist zunächst die Ausstellung. Danach möchte Köhler auf Wanderschaft mit der Ausstellung gehen, immer weiter die Verfolgten zeichnen. „Ein Ende kann es erst geben, wenn keiner mehr umgebracht wird“, sagt Köhler.

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