Krieg und Inflation bremsen Wohnungsbau in Hessen aus

Die hessische Bauwirtschaft fordert mehr Grundstücke von den Kommunen und eine höhere Förderung vom Land. Sonst werden bauen, kaufen oder mieten unbezahlbar.
Die hessische Wohnungswirtschaft fordert von der Politik weniger Auflagen bei Neubauten. Kommunen müssten mehr günstiges Bauland zur Verfügung stellen. Und die Förderung für Sozialwohnungen müsse steigen. Sonst würden Bauen und der Erwerb von Wohneigentum unbezahlbar.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine bringt auch die Bau- und Wohnungswirtschaft in Hessen in Bedrängnis. So seien Baustoffe wie etwa Stahl nicht lieferbar oder nur zu „exorbitant gestiegenen Preisen“ zu haben, sagte Axel Tausendpfund vom Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft am Mittwoch.
Gas viermal so teuer
Für Gas müssten die Unternehmen teils viermal so viel zahlen wie bisher. Im Roh- und Ausbau seien die Preise binnen weniger Monate um knapp 15 Prozent gestiegen, im Holzbau sogar um rund ein Drittel, wie Gerald Lipka, Geschäftsführer des Verbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, erläuterte. Hinzu kämen massiv steigende Zinsen für Unternehmen und potenzielle Käufer:innen.
Hohe Nebenkosten beim Kauf
Grunderwerbsteuer muss gezahlt werden, wenn jemand eine Immobilie kauft. Auf Bundesebene gibt es Pläne, diese zumindest beim erstmaligen Erwerb zu senken.
3,5 Prozent betrug die Grunderwerbsteuer in Hessen 2012. Das Land nahm 563 Millionen Euro ein. 2021 lag die Steuer bei 6 Prozent. Hessen hatte Einnahmen von 1,98 Milliarden Euro. pgh
„Wir sind in einem perfekten Sturm“, so Tausendpfand. Dies sei der branchenübliche Ausdruck dafür, dass der Wind von allen Seiten wehe und die Situation extrem schwierig sei.
An Krieg und den immer noch spürbaren Folgen der Corona-Krise sei die Politik nicht schuld, sagte Tausendpfund. Sie habe bislang aber auch nicht genug unternommen, um gegenzusteuern.
Neubauvorhaben aufgeschoben
Die Folgen seien dramatisch. So würden 70 Prozent aller Neubauvorhaben in Hessen aktuell eingestellt oder aufgeschoben. Das Gleiche gelte für die großen Sanierungsprojekte. „Die Verunsicherung ist groß“, sagte Lipka. So sei es für Investoren nahezu unmöglich, Preise verlässlich zu kalkulieren. Die teils rasant steigenden Baukosten könnten auch nicht auf die künftigen Eigentümer:innen abgewälzt werden. Denn auch für diese habe sich die Situation grundlegend verändert. Sie hätten selbst höhere Lebenshaltungskosten und müssten für Darlehen deutlich mehr als bisher bezahlen. „Bei einem Kredit von 500 000 Euro musste man bisher mit einem Prozent Zinsen kalkulieren“, rechnete Lipka vor. Nun seien es drei Prozent. „Das führt zu Mehrkosten allein an Zinsen von 833 Euro im Monat.“ Für viele Interessierte sei das nicht mehr zu stemmen.
Fast 75 Prozent der Mieter:innen hätten den Wunsch, einmal in den eigenen vier Wänden zu wohnen, berichtete Younes Frank Ehrhardt, Geschäftsführer von Haus & Grund Hessen. Dies werde allerdings immer schwieriger. Überhaupt sei das von der Ampelkoalition in Berlin vorgegebene Ziel von 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr unter den gegebenen Umständen nicht erreichbar.
Entschlackte Bebauungspläne
Die drei Vertreter der Wohnungswirtschaft forderten die Kommunen auf, mehr und günstiges Bauland zur Verfügung zu stellen. Auch das Land Hessen sei in der Pflicht und müsse Spielräume etwa in der Förder- und Steuerpolitik nutzen. Alle politischen Ebenen müssten dafür sorgen, dass sich Bauen nicht weiter verteuere. „Dazu braucht es entschlackte Bebauungspläne, schnelle Genehmigungsprozesse und etwas mehr wirtschaftlichen Realismus“, sagte Lipka.