Kontakt zu Einheimischen fehlt

Migrantinnen in Frankfurt fehlt es nach Ende des Integrationskurses oft an Kontakten zu Einheimischen und Gelegenheiten, Deutsch zu sprechen. Der Verein Infrau will dies ändern.
Auf dem Tisch steht ein Korb voll Glück. Auf Zettel haben die Frauen Wörter geschrieben, die sie mit dem Hochgefühl verbinden: Liebe, Sonne, Heimat. In einen zweiten Korb werfen sie Zettel mit Wörtern, die sie mögen oder die ihnen kurios erscheinen. „Zack, zack, zack“ hat Francisca Haro Molina notiert, sie höre es häufig in der Restaurantküche, in der sie arbeitet, sagt die 32-jährige Spanierin, „das ist so deutsch.“ „Wurstig, fahrig“ hat die 67-jährige Rosa Maria Hohmann aufgeschrieben – und fordert als einzige deutsche Teilnehmerin die wachsenden Sprachkenntnisse der anderen Frauen heraus. „Das sind deine Worte“, spricht sie der Bulgarin Margaritka Spasova Mut zu, als diese sich zögerlich an „trauen“ und „Wärme“ versucht.
Einmal die Woche treffen sich die Frauen – sieben sind es dieses Mal – mit Kursleiterin Lucia Primavera in den Räumen des Beratungs- und Bildungszentrums Infrau, um gemeinsam nach Worten zu suchen. Die Schreibwerkstatt ist neben einer Theater- und einer Kunstwerkstatt Teil des Projekts „Zeig dich! Stimmen und Gesichter unserer Stadt“, zu dessen wechselnden Themenrunden der Verein seit 2014 Migrantinnen und einheimische Frauen einlädt. Seit Anfang März dreht sich drei Monate lang alles um das Thema „Glück & Unglück“.
Viele der Teilnehmerinnen haben zuvor bereits Integrationskurse bei Infrau besucht. „Unsere Beobachtung war, dass Frauen, insbesondere Mütter, nach Kursende wieder in Community- und Familienstrukturen verschwinden“, sagt Koordinatorin Marlene König. Durch den Kurs hätten sie zwar „technisch Deutsch gelernt“, aber es fehle an Kontakten zu Einheimischen, um die Sprache zu vertiefen, auch der berufliche Einstieg gelinge nicht immer sofort.
Die kulturellen Bildungsangebote mit begleitender Kinderbetreuung sollten deshalb einen Rahmen schaffen, „in dem Frauen verschiedener Herkunft auf Grund eines gemeinsamen Interesses zusammenkommen und sich auf Augenhöhe begegnen können“, sagt König. So entstünden Beziehungen; Sprachkenntnisse und Selbstbewusstsein würden gefestigt.
„Wenn ich hier bin, bin ich glücklich“, sagt die 27-jährige Ghanaerin Sadia Obeng. Zu Hause allein mit ihren zwei kleinen Kindern, sei sie oft traurig. Sie wolle besser Deutsch lernen, um Arbeit zu finden „und weil ich möchte, dass meine Kinder ein gutes Leben haben“. Sie spreche sieben Sprachen – Deutsch aber falle ihr schwer. „Wenn ich Ruhe habe und die Sonne scheint, bin ich zufrieden“, bildet sie vorsichtig einen Satz aus den Wörtern, die sie gezogen hat.
Deutschlernen und Freundinnen finden ist auch für die 41-jährige Pakistanerin Rahat Afza-Nowaz die Hauptmotivation. Francisca Haro Molina indes hat „viel Lust auf Ausdruck. Ich spiele sehr gerne mit der Sprache“. So münden ihre Worte in dem metaphorischen Satz: „Mit ihrer besten Kleidung hat mich heute die Freundschaft mit einem Geheimnis besucht.“ Und auch die Sätze der anderen sind von hoher Poesie: „Für meine Mutter sind ihre Enkelkinder wie Blumen“, formuliert Afza-Nowaz. „Als ich im Winter kam, hatte ich Unmut. Der Winter grenzte mich von der Sonne ab“, liest die Indonesierin Rotna Panjaitan vor. Und die Türkin Serpil Gürel findet: „Ein Schicksalskalender wäre gemütlich.“