1. Startseite
  2. Frankfurt

Klimaaktivistin Carla Hinrichs in Frankfurt verurteilt

Erstellt:

Von: Stefan Behr

Kommentare

Klimaaktivistin Carla Hinrichs auf dem Weg in den Gerichtssaal.
Klimaaktivistin Carla Hinrichs auf dem Weg in den Gerichtssaal. © Michael Schick

Das Amtsgericht Frankfurt verhängt gegen die „Letzte Generation“-Sprecherin Carla Hinrichs zwei Monate auf Bewährung.

Klimaklebeprozesse werden am Amtsgericht derzeit in Hochfrequenz verhandelt. Am Donnerstagmorgen sind es zwei. Doch einer davon ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich.

Das fängt mit der Prominenz der Angeklagten an. Carla Hinrichs ist Sprecherin der „Letzten Generation“ und mittlerweile eine Art Galionsfigur des Klimakampfs. Die Frau hat Schneid und scheut auch nicht die Auseinandersetzung mit angsteinflößenden Gegnern wie CDU-Mann Philipp Amthor, wenn auch unter Aufsicht von Sandra Maischberger.

Vor dem Amtsgericht steht Hinrichs wegen Nötigung. Am 12. April vergangenen Jahres hatte sich Hinrichs mit anderen in Höhe der Emser Brücke auf der Theodor-Heuss-Allee festgeklebt. Es entstand ein Stau von beachtlicher Länge und ein Strafbefehl über 60 Tagessätze à 30 Euro, gegen den sie Einspruch eingelegt hat.

Hinrichs verteidigt sich selbst. Das ist normalerweise eine schlechte Idee. In diesem Falle nicht. Dass die 26-Jährige ihr Jurastudium zwecks Weltrettung geschmissen hat, ist vielleicht ein Gewinn fürs Klima, für die Justiz aber ein Verlust. Die Einlassung der Angeklagten ist stringent, sachbezogen und für Prozesse dieser Art sensationell kurz.

Sie habe sich „in einer der größten Krisen, die ich mir vorstellen kann, dem Wahnsinn in den Weg stellen“ wollen. Und das in Frankfurt, dem „Zentrum dieses Wahnsinns“. Man habe auf der Heussallee ganz gezielt „den Verkehrsfluss zu den Banken unterbinden“ wollen, die nach wie vor Milliarden in Projekte pumpten, die auf fossile Brennstoffe setzten, und damit die Klimakatastrophe befeuerten.

Die Blockade verlief durchaus gesittet. Zwei der Mitblockierenden blieben unverklebt, um eine Rettungsgasse frei zu halten. Auch einer der als Zeugen geladenen Polizisten bestätigt: „Die haben da friedlich gesessen und sich mit uns freundlich unterhalten.“ Warum die losgeklebte Hinrichs anschließend an einen Fahrradständer gekettet und später in Handschellen abgeführt wurde, wie Bilder beweisen, bleibt eher rätselhaft.

Hinrichs sieht die Aktion „als eine Art Feueralarm. Das Haus brennt, und ich muss alle wachrütteln.“ Sie beruft sich auf rechtfertigenden Notstand – eine Ansicht, die innerhalb der „Letzten Generation“ konsensfähig, juristisch aber eine klare Mindermeinung ist.

Die Staatsanwältin beharrt in ihrem Plädoyer auf dem Strafbefehl. Die für eine Berufslose sehr happige Höhe von 1800 Euro rechtfertigt sie mit der etwas merkwürdigen These, Hinrichs könnte ja durchaus einer bezahlten Tätigkeit nachgehen, wenn sie nur wollte.

Richter Michael Demel verurteilt Hinrichs am Ende zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten auf Bewährung und 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Fröhlich macht ihn das nicht. Demel ist einer, der mit seinem E-Auto nur dann zur Arbeit fährt, wenn die Bahn mal wieder streikt. Bei seinen Verhandlungen trägt er immer noch Maske, aus Sorge um seine betagtere Verwandschaft. Er bedankt sich bei Hinrichs, dass sie gegenüber dem Gericht „großen Respekt gezeigt“ habe, was bei Prozessen dieser Art „nicht häufig“ sei.

Er verurteile Hinrichs „nicht als Bürger, sondern als Vertreter der Dritten Staatsgewalt“. Und diese sehe hier eine glasklare Nötigung. Ein „Sortieren nach Moral“ könne er sich nicht leisten. Nicht, weil er nicht wolle: „Ich darf nicht.“ Ob sich in Frankfurt die „Letzte Generation“ für Klimaschutz oder „in Sachsen die ,Junge Alternative‘ für mehr Abschiebungen auf die Straße klebe“, sei ihm als Mensch nicht egal. Dem Gesetz aber schon. Von der Bewährungsstrafe erhofft er sich – im Gegensatz zur Geldstrafe – eine abschreckende Wirkung. Hinrichs hatte gesagt, sie habe „sehr große Angst vor dem Gefängnis“ – sei aber bereit, schlimmstenfalls für ihre Überzeugungen einzufahren.

Er mache sich „keine Illusionen“, sagt Demel, dass dieser Fall damit beendet sei. „Eine Verurteilung hätte die Angeklagte, einen Freispruch die Staatsanwaltschaft nicht akzeptiert.“ Bereits im März war Carla Hinrichs wegen einer Straßenblockade in Berlin zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt worden. Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Auch interessant

Kommentare