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Kendo-EM in Frankfurt: Die besten Samurai des Kontinents

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Von: Timur Tinç

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Zum ersten Mal findet in Frankfurt die Kendo-Europameisterschaft statt. Bis Sonntag messen sich Jugendliche, Frauen und Männer im japanischen Schwertkampf. Die deutschen Frauen gewinnen am Freitag im Teamwettbewerb die Silbermedaille.

Sofia Ade und ihre französische Kontrahentin Marine Vandenberghe stehen sich lauernd gegenüber. Es ist das Finale im Teamwettbewerb der Kendo-Europameisterschaft. In schwarzen Gewändern, Helm mit Gesichtsgitter und die Bambusschwerter nach vorne gestreckt warten beide Frauen auf ihre Angriffschance. Im nächsten Moment schlagen beide gleichzeitig zu. Einmal, zweimal, dreimal geht ein peitschender Knall durch das Sport- und Freizeitzentrum in Kalbach in Frankfurt, dann fällt Ade auf den Boden und hält sich die Schulter. Dort sind Treffer nicht erlaubt und werden auch nicht von der Rüstung geschützt.

Die 24-Jährige rappelt sich auf und schafft es trotz der Schmerzen, noch einen Punkt zu erkämpfen. Für den Gesamtsieg wird es am Ende nicht reichen. Deutschland gewinnt Silber, Gold geht an Frankreich.

Kendo hatte aufgrund von Corona viele Einschränkungen

Seit diesem Freitag findet in Frankfurt zum ersten Mal die Kendo-Europameisterschaft statt, die 32. Auflage des Wettbewerbs insgesamt. Es ist gleichzeitig der erste internationale Wettkampf überhaupt seit der Corona-Krise für die Sportlerinnen und Sportler der abgewandelten Form des japanischen Samuraischwertkampfs. „Es war sehr viel Stillstand wegen Corona“, sagt Ade, die 2017 EM-Bronze gewonnen hat. Die 24-Jährige habe sogar darüber nachgedacht, aufzuhören mit dem Sport.

Sie musste im Winter drei Monate lang von ihrer Heimatstadt Leipzig nach Halle an die Saale pendeln, um überhaupt trainieren zu können. In Sachsen waren die Corona-Restriktionen zu streng. Die EM ist der erste Wettkampf für sie seit der Deutschen Meisterschaft im vergangenen Herbst.

Hiroyuki Ohno aus Frankfurt ist Kapitän des deutschen Männer-Kendo-Teams

„Eine gewisse Unsicherheit“ wegen der langen Pause verspürt auch Hiroyuki Ohno. Der Kapitän des deutschen Männerteams schaut sich gerade ein Shinai an, so nennen sich die Bambusschwerter, die während des Turniers an verschiedenen Verkaufsständen angeboten werden. „Man braucht immer Ersatz“, sagt der 28-Jährige von Katana Frankfurt. Alleine zum Training fahre er immer mit zwei Schwertern und hat daheim immer drei oder vier als Reserve, falls eines mal kaputtgeht.

Er freut sich riesig auf das Turnier, das für die Männer am Samstag richtig losgeht. Erst mit dem Team und dann am Sonntag im Einzel. „Endlich wieder im Wettkampf zu sein mit Gesichtern, die man lange nicht mehr gesehen hat, das ist schon was Großartiges“, sagt Ohno.

Kendo

Kendo setzt sich aus den japanischen Wörtern Ken (Schwert) und Do (Weg) zusammen und bedeutet übersetzt „Weg des Schwertes“. Das heutige Kendo wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelt. Es entstand die Kendo-Rüstung, die aus Men (Helm), Kote (Handschuhe), Do (Brustpanzer) und Tare (Hüftschutz) besteht. Außerdem das Fechtschwert aus Bambus, dem Shinai. Die Rüstung schützt die erlaubten Trefferflächen.

Für einen gültigen Treffer muss dies zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Form erfolgen. In Wettkämpfen entscheiden drei Kampfrichter:innen über die Gültigkeit eines Treffers. Beim Kendo gibt es festgelegte Formen (Kata), bei denen paarweise Techniken mit dem Bokken (Holzschwert) ausgeführt werden. Beim Kendo gibt es wie in anderen Kampfsportarten ein Graduierungssystem. Das ist aufgeteilt in Kyu-Grade (Schülergrade, 6. bis 1. Kyu) und Dan-Grade (Meistergrade, 1. bis 8. Dan). Zusätzlich können ab dem 6. Dan noch drei Ehrentitel erworben werden (Shogo).

Kendo war ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung der Samurai, der japanischen Ritter. Im japanischen ist der Begriff Bushi für Samurai üblich. Weibliche Samurai wurden Onna-Bugeisha genannt. Zu jener Zeit verschmolz Kendo mit dem Begriff des Bushido (Weg des Kriegers), einem wichtigen Bestandteil der japanischen Geistesgeschichte, und beanspruchte neben der reinen Technik auch die Ausbildung einer geistigen Kraft.

Die erste Kendo-Weltmeisterschaft fand im Jahr 1970 statt. Bei den Männern wurden die Japaner im Team-Wettbewerb nur ein einziges Mal – im Jahr 2006 – nicht Weltmeister, sondern Südkorea. Eine WM für Frauen gibt es erst seit 1994. Kendo-Europameisterschaften für Frauen gibt es seit 1990. Die für Männer seit 1974. tim

Der Deutsche Kendobund (DKenB) ist stolz, die EM nach Deutschland geholt zu haben. „Frankfurt ist ein großes Zentrum für Kendo“, sagt Stephan Hernschier, Vizepräsident des Deutschen Kendobundes. Besonders froh sei er, dass das Team der Ukraine an den Start gehen kann. Viele Nationen hätten mit Geldspenden geholfen, um die nötige Ausrüstung zu kaufen und die Reise zu finanzieren. „Wir haben auch Geflüchtete unter den Zuschauern, die ihre Landsleute unterstützen“, erzählt Hernschier.

Damit so viele Kendo-Fans wie möglich das Event live sehen können, hat Roberto Carrasco Gomez einen Livestream auf seinem Youtube-Kanal eingerichtet. Der 34-Jährige ist der Vorsitzende von Katana Frankfurt. „Wir hatten kurzfristig die Chance, das Event nach Frankfurt zu holen, und haben sie genutzt“, freut sich Carrasco Gomez. Das Sportamt der Stadt Frankfurt sei sehr entgegenkommend gewesen. Viele Vereinsmitglieder haben seit Montag geholfen die Halle herzurichten, stehen am Kiosk und verkaufen Getränke und Obst oder kümmern sich um die Athletinnen und Athleten aus den 32 Nationen.

Die Bambusschwerter haben unterschiedliche Gewichtsschwerpunkte

Mittendrin ist auch Quentin Ball, Gründer von Nine Circles, einem Shop rund um japanische Kampfkunst. „Wir haben spezielle Angebote für das Turnier“, sagt der Brite. Viele Sportlerinnen und Sportler kommen an seinem Stand und probieren die verschiedenen Shinai aus, probieren aus, wie es in der Hand liegt. „Es gibt welche mit dünnen Griffen und dicken Griffen. Bei einigen ist das Gewicht eher vorne, bei einigen hinten“, erklärt Ball.

Je nachdem, ob man bevorzugt, das Schwert über dem Kopf oder vorwärts gerichtet zu halten. Für die Jüngsten gibt es Shinai aus Schaumstoff mit dem sich schon ein kleines Geschwisterpaar ausprobiert. An anderen Ständen werden die Maße vom Kopf genommen, um Helme nach Maß anfertigen zu können.

Der Kendo-Dachverband hat wegen Corona einige Regeln geändert

Sofia Ade hat sich an diesem Freitag kein neues Material gekauft. Aufgrund der Corona-Vorschriften des Kendo-Dachverbandes aus Japan muss seit einigen Monaten ein Plastikschutz im Helm getragen werden, um beim Schreien den Tröpfchenausstoß zu minimieren. Das Schreien ist notwendig, um den Schlag zu verstärken. Während sie den Plastikschutz als gewöhnungsbedürftig empfindet, findet sie die neuen Wettkampfregeln wegen Corona schwierig. „Im Nahkampf sind keine Aktionen mehr erlaubt. Dadurch geht Dynamik verloren“, sagt sie.

Sofia Ade hat am Freitag alle ihre Kämpfe gewonnen und hofft, am Samstag um den Titel im Einzel mitkämpfen zu können. Solange sie die Schulter nicht allzu sehr einschränkt.

Karten für die Kendo-EM in Frankfurt gibt es direkt vor der Halle in Kalbach, am Martinszehnten 2, für zehn Euro. Los geht es am Samstag ab 8.45 Uhr und am Sonntag ab 9 Uhr. Weitere Infos zum Programm unter: www.ekc2022.de

Team Österreich wärmt sich vor dem Wettkampf auf.
Team Österreich wärmt sich vor dem Wettkampf auf. © Renate Hoyer
Wer will, kann sich mit allerlei Souveniers eindecken.
Wer will, kann sich mit allerlei Souveniers eindecken. © Renate Hoyer
Das Kampfrichter-Team zeigt an, welche Kämpferin den Punkt bekommt.
Das Kampfrichter-Team zeigt an, welche Kämpferin den Punkt bekommt. © Renate Hoyer

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