Keine Brexit-Verhältnisse

Im Frankfurter Handel und Gewerbe sind Engpässe zu spüren, leere Regale drohen aber nicht.
Leere Regale drohen nicht. „Wir sind weit entfernt von Brexit-Verhältnissen“, sagt Joachim Stoll, Vizepräsident des Handelsverbands Hessen-Süd. Gleichwohl machen sich die aktuellen Lieferengpässe auch bei Frankfurter Händlerinnen und Händlern bemerkbar. „Viele befürchten, an Weihnachten zu wenig Ware zu haben“, sagt Stoll.
Steigende Preise für Containerfracht, Shutdown in China, Corona-Schließungen in Vietnam: All das führe querbeet durch alle Branchen zu Lieferengpässen und Preissteigerungen. Gerade bei großvolumigen Waren. Koffer zum Beispiel. Da passen nur 700 in den Container, die Fracht wird entsprechend teuer. Bei Rucksäcken ist es nicht so dramatisch – die nehmen weniger Platz ein.
Die Vorlieferanten versuchten nun, andere Transportwege zu finden. Etwa von China über Russland mit der Eisenbahn oder dem Lkw. „Flüge sind für die meisten Güter zu teuer.“ In Ansätzen gebe es Bestrebungen zumindest zu eruieren, ob nicht in Europa produziert werden könne, sagt Stoll vorsichtig. Aber in vielen Bereichen fehle inzwischen schlicht das Know-how. Gleichwohl: „Ein Engpass ist kein Notstand“, betont er. Es könne allerdings bis Ostern dauern, bis sich die Lage wieder normalisiert habe, auf welchem Preisniveau, das lasse er mal offen.
„Ich glaube nicht, dass es in Frankfurt leere Regale geben wird“, sagt auch Oliver Schwebel, Geschäftsführer der Frankfurter Wirtschaftsförderung. Er verweist auf den Gesamtzusammenhang. „Am Anfang der Pandemie wussten die Firmen nicht, welche Auswirkungen Corona auf die Nachfrage haben wird. Vorsichtshalber haben sie die Produktion heruntergefahren“, erklärt Schwebel. Das habe Auswirkungen auf die ganze Lieferkette: Wenn die Produzenten weniger Material bestellen, müssen die Zulieferer ebenfalls die Produktion drosseln und weniger Rohstoffe bestellen. Jetzt zieht die Nachfrage wieder an, die Betriebe bestellen mehr bei den Zulieferern, die müssen wieder Leute einstellen und Rohstoffe ordern. Das dauert.
Zumal die Logistik vor dem gleichen Phänomen steht. Vor Corona ist 80 Prozent der Luftfracht mit Passagiermaschinen mitgereist. Wenn aber nicht mehr so viele Passagiere reisen, hat die Fracht sozusagen keine Mitfluggelegenheit. Manche Airlines haben umgebaut, lassen die Fracht alleine fliegen. Das koste aber das Acht- bis Neunfache.
Bei manchen Produkten ist es genau andersherum, erklärt Schwebel. Da ist gerade wegen der Pandemie die Nachfrage in die Höhe geschnellt, und die Produzenten kommen deswegen nicht mehr hinterher. „Die Menschen saßen zu Hause, konnten nicht in den Sportverein oder ins Fitnessstudio.“ In den Urlaub konnten sie auch nicht. Also haben sie das gesparte Geld in Fahrräder, Hometrainer oder wenigstens Wanderschuhe investiert. Gerade bei Fahrrädern gibt es ohnehin einen Boom. Viele Städte bauen die Radwege aus; das Zweirad ist als Sportgerät und Transportmittel attraktiv.
Schwebel kann den Lieferengpässen auch etwas Positives abgewinnen. Sie seien Indikator dafür, dass der Aufschwung in Gang komme. Das sei wichtig: Dem Einzelhandel vor Ort gehe es wieder besser. „Er ist aber noch nicht da, wo er vor der Pandemie war.“ Noch immer habe der Onlineversand die Nase vorn.
Und noch kämen gut 20 Prozent weniger Menschen in die Stadt als vor Corona. Tourist:innen fehlten, Geschäftsreisende, viele Menschen seien noch im Homeoffice. 150 000 bis 200 000 weniger als früher seien in der Stadt unterwegs. Schlecht nicht nur für den Handel. „Das spürt auch die Gastronomie.“ Auch die Hotellerie oder das Taxigewerbe bräuchten mehr Kunden.