Kampf der Klimakrise: ,„Wir sind viel zu langsam“

Die Frankfurter Klimadezernentin Rosemarie Heilig über Hitzetage, Steinwüsten und die Waldbrandgefahr.
Frau Heilig, wie haben Sie an diesem enorm heißen Wochenende geschlafen?
Sehr gut, aber ich weiß, dass viele Menschen bei diesen Temperaturen nicht gut schlafen können und leiden. Ich wohne zum Glück seit Januar in einer Passivhauswohnung und habe gerade jetzt davon enorm profitiert. Viele denken, um Gottes willen, in diesen dick verpackten Häusern erstickt man doch im Sommer! Mitnichten. Man hat es im Winter warm, ohne Heizkosten zu zahlen, und im Sommer angenehm kühl. Das ist der Clou am Passivhaus. Deshalb eignet sich diese Bauweise auch so gut für Krankenhäuser.
Warum haben wir noch nicht mehr davon?
Diese Architektur war lange wegen diverser Vorbehalte sehr umstritten. Man könne kein Fenster aufmachen und es gäbe Schimmel. Dass das nicht stimmt, beweisen wir. Die Stadt Frankfurt hat sich das Ziel gesetzt: Wir werden Passivhaushauptstadt, und das sind wir jetzt. Es wäre gut, wenn es gelänge, möglichst viele weitere Architekt:innen auch davon zu überzeugen. Passivhaus ist nicht nur eine gute, energieeffiziente, sondern auch soziale Bauweise. Man spart immens Heizkosten und das vor dem aktuellen Hintergrund steigender Energiekosten.
Draußen ist es schon wieder heiß. Wird das jetzt normal, Ultrahochsommer schon Mitte Juni?
Es ist erschreckend, wie schnell der Klimawandel fortschreitet. Am 21. Juni ist der kalendarische Sommeranfang – und wir hatten schon zuvor die erste Hitzewelle. Das ist eine dramatische Entwicklung mit erheblichen Auswirkungen auf Mensch, Tier und unsere Vegetation. Die Stadtbäume und auch unser Stadtwald sind in einer absolut bedrohlichen Lage. Diese Entwicklung bedroht auch unsere Gesundheit.
Tun wir genug dagegen?
Jede und jeder kann in seinem direkten Umfeld und seinem Verantwortungsbereich mehr für den Klimaschutz tun. Und alle Akteur:innen müssen schneller handeln. Im Taunus befällt einen die Schockstarre – der Wald ist an vielen Stellen flächenhaft abgestorben. Ich frage mich, wie dramatisch muss die Lage eigentlich noch werden, damit wir Menschen verstehen: Wir müssen dringend von den fossilen Energieträgern weg. Wie dringend das nicht nur im Hinblick auf unser Klima ist, das zeigt uns aktuell die politische Lage.
Und wie wegkommen von den fossilen Quellen?
Solche Hitzetage bringen das Thema Energiesparen immer wieder auf die Agenda. Ich wünschte mir, es wäre nachhaltiger. Es ist so einfach, weniger Strom zu verbrauchen. Etwa Stand-by-Geräte ganz ausschalten oder man kann an Straßen vielleicht auf einen Teil der Beleuchtung verzichten, müssen Schaufenster nachts beleuchtet sein und muss das Licht in Bürogebäuden wirklich immer, auch nachts, brennen?
Das gilt aber auch für die städtischen Gebäude.
Ja, ganz klar, auch hier können wir in vielen Gebäuden nachts das Licht abdrehen. Bei uns im Büro ist es mittlerweile selbstverständlich, dass der Letzte, der geht, noch mal durch die Zimmer läuft und darauf achtet, ob das Licht – vor allem auch im Treppenhaus- und die Kaffeemaschine ausgeschaltet sind, die Computer runtergefahren und ausgeschaltet sind. Im Rahmen der Klimaallianz sind wir außerdem gerade dabei zu schauen, wo in den städtischen Gebäuden Energie bereits eingespart wird und wo weitere Potenziale sind. Ich kann Ihnen sagen, da ist die Stadtverwaltung nicht hintendran. Klar, wir können noch mehr machen und das werden wir. Mit diesem Haushalt wurden bis 2025 bereits 245 Millionen Euro für Klimaanpassungsmaßnahmen bewilligt.
Müsste man nicht jeden Tag überall sehen, wie Frankfurt sich im Kampf gegen den Klimawandel verändert? Stattdessen sieht man überall Häuserbau und erfährt immer wieder: Baurecht schlägt Baumrecht. Wann wird es sichtbarer, dass Frankfurt sich wappnet gegen die Folgen des Klimawandels?
Vollkommen richtig. Wir sind viel zu langsam. Bei der Platzgestaltung haben wir in der Vergangenheit immer zu sehr die künftige Nutzung im Blick gehabt und weniger an den Klimaschutz und Klimaanpassung gedacht. Da sind zum Teil Steinwüsten entstanden. Einige der Plätze sind keine 20 Jahre alt. Wir investieren jetzt viel Geld, um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Auch die Architektur hat zu selten Fassaden- und Dachbegrünung mitgeplant. Diese müssten bei Neubauten in Frankfurt selbstverständlich sein. Auch Quartiere mit Tiefgaragen unter den Plätzen funktionieren nicht im Sinne der Klimaanpassung. Trotzdem werden sie weiter geplant, weil jeder Quadratmeter Boden auch Geld kostet.
Kann eine Stadtregierung das nicht verhindern?
Ja, das lässt sich verhindern und ich hoffe, dieser Standard setzt sich durch. Wenn wir neue Quartiere planen und grüne Plätze wollen, die wir dringend brauchen, darf man unter diesen Plätzen keine Tiefgaragen bauen. Darauf wachsen keine großen Bäume, aber nur die liefern die nötige Verschattung. Jetzt können wir nur noch diese Fehler reparieren, und das ist teuer. So traurig das klingt, etwas anderes ist im Moment nicht möglich. Wir können nachträglich Dächer und Fassaden begrünen, aber unterbaute Plätze können wir nicht nachträglich zu lauschigen Parks mit schönem Baumbestand in der City machen.
Geplant ist aber, Stadtplätze natur- und menschenfreundlicher zu machen. Wann werden die ersten Plätze entsiegelt?
Die ersten Plätze in unserem Programm sind der Paul-Arnsberg- und der Riedbergplatz. Da laufen die Planungen. Wir haben leider die Erfahrung gemacht, wenn es an die konkrete Umsetzung geht, stoßen Interessen aufeinander. Es soll ein Wochenmarkt stattfinden, ein Weihnachtsmarkt oder Stadtteilfeste – dort „stören“ dann jedoch Bäume.
Am Riedbergplatz gab es solche Stimmen.
Der Riedbergplatz ist wirklich furchtbar, eine dramatische Fehlplanung. Und jetzt im Rahmen der Umplanung zu einem klimaangepassten Platz gibt es Kritik der Gastronomie. Auch hier stoßen unterschiedliche Interessen aufeinander und wir müssen die Menschen noch davon überzeugen, dass alle von schattenspendenden Bäumen profitieren. Ich bin sicher, die heißen Tage führen allen vor Augen, wie wichtig ein Paradigmenwechsel ist: Unsere Häuser und Plätze müssen grüner geplant werden als bisher.
Am Arnsberg-Platz haben die Anwohnerinnen und Anwohner selbst mitgeplant. Steht der Zeitplan dort? Umbau bis Jahresende, 30 Bäume, an die 1000 Quadratmeter Stauden-Gräser-Beete und Insektenblumenwiese?
Eine spannende und beispielgebende Umplanung zu einem klimaangepassten Platz, auf den die Anwohner:innen wirklich stolz sein können. Der Zeitplan steht, noch in diesem Jahr geht’s los.
Sollte Frankfurt nicht viel schneller viel mehr Plätze entsiegeln?
Wir brauchen jede noch so kleine grüne Oase. Jede kleinste Anstrengung. Jeder Vorgarten, der heute noch steinern ist, sollte dringend begrünt werden. Leider dominiert immer noch der Parkplatz anstelle des Vorgartens. Wir brauchen viel mehr Initiativen. Wir als Stadt machen es vor und erarbeiten gerade eine Prioritätenliste von Plätzen, die entsiegelt werden müssen. Und wir müssen unsere Grünflächen, Parks und die Wallanlage vor weiteren Eingriffen schützen.
Stichwort Freiraumsatzung: Die Schottergärten sollen verschwinden. Wann sehen wir keine mehr?
Ich bin da sehr ungeduldig und wünsche mir auch, dass künftig keine Schottergärten mehr in Frankfurt am Main angelegt werden. Auch der private Vorgarten ist wichtig für das Klima. Mit der Freiraumsatzung schaffen wir die rechtliche Grundlage für ein Verbot. Ein wichtiger Meilenstein unserer kommunalen Klimapolitik.
Kann die Stadt also hingehen und sagen: Du musst jetzt deinen Schottervorgarten umbauen?
Aktuell nicht. In Zukunft ist ein solches Vorgehen für die Bauaufsicht geplant.
Auch wenn dieser Schottergarten des Grauens schon länger besteht?
Ich setze darauf, dass viele Menschen von sich aus sehen, wie wichtig ein grüner Vorgarten ist.
Es hat ein wenig geregnet. Dem Wald hat es nicht sehr geholfen, oder?
Das ist der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Diesen leichten Landregen bräuchten wir sechs Monate lang 24 Stunden am Tag, damit der Grundwasserspiegel wieder nennenswert steigt. Es werden wieder Verbote kommen, Gärten mit Trinkwasser zu bewässern. Das wäre überhaupt mein Anliegen, dass es selbstverständlich wird, dass wir unser gutes Trinkwasser nicht für das Gießen oder für das Befüllen von privaten Swimmingpools benutzen.
Ein umfassendes Brauchwassersystem werde Frankfurt aber nicht organisieren können, haben Sie gesagt.
Das werden wir in den Bestandsgebäuden nicht hinkriegen. Das sage ich ganz nüchtern. Aber dort könnte man zumindest mit Zisternen den Regen auffangen, um die Gärten damit zu gießen. Es gibt kleine Maßnahmen, die viel bringen.
Werden wir demnächst einen großen Waldbrand erleben, so wie in Brandenburg?
Ich hoffe und bete, dass das nicht passiert. Ich appelliere an die Bevölkerung, sehr vorsichtig und sehr aufmerksam zu sein. Die meisten Waldbrände entstehen durch Unachtsamkeit. Rauchen und Grillen ist im Wald daher auch verboten. Auch eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe kann einen Waldbrand entfachen. Und wer ein Feuer sieht: die 112 anrufen.
Was würde so ein Großfeuer für den Stadtwald bedeuten?
In dem trockenen Zustand, in dem der Wald ist, wird er brennen wie Stroh, das wäre ein Flächenbrand und dann hätten wir die nächste Katastrophe. Solch ein Feuer zu bekämpfen, wäre für die Feuerwehr ein unglaublicher Einsatz. Und der Schaden, der entstehen würde, wäre immens. Ein Wald braucht viele Jahrzehnte, bis er wieder so dasteht, wie er heute aussieht. Die Tierwelt würde extrem leiden. Der Stadtwald ist unsere grüne Lunge. Verlieren wir ihn, wäre das eine Katastrophe für das lokale Klima und damit auch für uns.
Interview: Thomas Stillbauer
