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Kammeroper Frankfurt: „Mir ist Intimität wichtig“

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Von: Claus-Jürgen Göpfert

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Rainer Pudenz muss nicht länger auf der Straße sitzen, sondern erhält mit der Kammeroper ein festes Haus. Rolf Oeser
Rainer Pudenz muss nicht länger auf der Straße sitzen, sondern erhält mit der Kammeroper ein festes Haus. Rolf Oeser © ROLF OESER

Leiter Rainer Pudenz über 40 Jahre Kammeroper und seine Kritik an großen Opernhäusern.

Die Kammeroper Frankfurt soll 40 Jahre nach ihrer Gründung ein festes Domizil bekommen. Ihr Leiter Rainer Pudenz erzählt im FR-Interview, was sich für das von ihm 1982 gegründete Opernensemble dadurch ändern wird und warum er sich dagegen entschieden hat, an großen Opernhäusern zu arbeiten.

Seit 40 Jahren sind Sie ein Vagabund der Bühne.

Ja. Die Kammeroper Frankfurt zieht Schulaulen und im Sommer Open Air im Palmengarten vor.

Können Sie sich noch an die erste Oper erinnern, die sie 1982 als Chef der Kammeroper inszeniert haben?

Das war „Pimpinone“ von Georg Philipp Telemann. Das haben wir in der Aula der Werner-von-Siemens-Schule an der Hamburger Allee gespielt. Ein klassisches Lustspiel über die Beziehung zwischen Mann und Frau, das klassische Thema der Opera Buffa, ein Paar, das zusammenkommt oder auch nicht. Es geht um das Menschliche, Allzumenschliche. Eine große Vielfalt. Das liebe ich bis heute.

Wann kamen sie zuerst mit der Oper in Kontakt?

Im Alter von 14 Jahren, als Garderobier an den Städtischen Bühnen. Damals war Christoph von Dohnányi Direktor der Oper Frankfurt. Es war eine wunderbare Zeit. Dohnányi begann, andere Regisseure an die Frankfurter Oper zu holen. So kam Hans Neuenfels und inszenierte „Macbeth“ als seine erste Oper in Frankfurt. Ich erlebte das total fasziniert. Diese Erfahrung brachte mich dazu, Oper neu zu sehen: Nicht als Tradition, sondern als ein Stück aus dem alltäglichen Leben.

Oper als Teil des Alltags der Menschen?

Ja. Die Themen der Oper sind zeitlos, sie sind auch nicht neu. Ich habe dann als Regieassistent gearbeitet, in Stuttgart, Freiburg und Essen, über drei Jahre hinweg, oft an der Seite des Intendanten Siegfried Schoenbohm. Er war ein Schüler des großen Walter Felsenstein, des Intendanten der Komischen Oper in Ost-Berlin. Dieses Operntheater hat mich geprägt.

Was hat Ihnen besonders gefallen?

Dass Schoenbohm und Felsenstein die Sprache ins Zentrum gestellt haben. Die Oper kommt von der Sprache her. Sprache und Musik dürfen nicht gegeneinander stehen, sondern müssen sich erweitern. Felsenstein hat nur mit deutschen Übersetzungen gearbeitet, er ignorierte Italienisch als Sprache der Oper.

Sie haben sich dann dagegen entschieden, an großen Opernhäusern zu arbeiten, und sich mit der Kammeroper selbstständig gemacht.

Ja. Große Opernhäuser sind wie eine Fabrik. Mir ist dagegen Intimität wichtig. Das gelingt besser mit einer kleinen Besetzung und einem kleinen Orchester.

Kammeroper

Das Jubiläumsprogramm

Samstag, 16. Juli, 20 Uhr: „Die glückliche Täuschung“ („L’inganno felice“)von Gioacchino Rossini, Premiere,

weitere Vorstellungen am 20., 22., 23., 27., 29.und 30. Juli sowie am 3., 5., 6. August.

Konzerte: Mittwoch, 10. August, 20 Uhr: „Oh Freiheit, du bist ein böser Traum“

Freitag, 12. August, 20 Uhr: „Separeé – Ein Abend mit Liebe“

Samstag, 13. August, 20 Uhr: Festkonzert 40 Jahre Kammeroper jg

Woher rührt Ihre Begeisterung für die italienische Oper?

Ich bin italophil. Die Opera Buffa, die ich liebe, wird in großen Opernhäusern als Nebenprodukt betrachtet. Rossini ist mein Lieblingskomponist. Viele seiner Opern, die ich inszeniert habe, kannte man in Deutschland nicht. Rossini hat in meinem Leben sehr viel gute Laune bereitet.

Sie haben in Italien inszeniert.

Ja, in den 90er Jahren in Florenz und Bellagio am Comer See. Ich war damals einer der glücklichsten Menschen, wegen der liebevollen Zusammenarbeit mit den italienischen Musikern. Organisatorisch war es eine Katastrophe, aber am Schluss hat immer alles bestens funktioniert. Ich hatte den deutschen Spitznamen „Panzer“, weil ich versucht habe, zu organisieren wie in Deutschland. Aber das ist in Italien unmöglich. Einmal kamen wir gerade an unserem Spielort an, da schloss die Guardia del Financa das Theater wegen finanzieller Probleme (lacht) .

Sie sollen jetzt nach 40 Jahren bald zum ersten Mal ein festes Theater bekommen, in der alten Fabrik in Sachsenhausen. Was wird sich dadurch ändern?

Der erste Vorteil eines festen Hauses ist, dass die Leute wissen werden, wo es liegt. Ich konnte bisher nie die Frage beantworten: Wo ist eigentlich die Kammeroper? Das Vagabundieren hatte aber auch Vorteile, weil wir die Oper in die Stadtteile geholt haben.

Wie werden Sie in der Fabrik spielen?

Wir werden versuchen, ein junges Publikum anzulocken. Die Proben sollen öffentlich sein, für jeden zugänglich, und so auch junge Menschen für Oper sensibilisieren.

Was unterscheidet Sie von den großen Opernhäusern?

Die großen Opern legen immer mehr Wert auf Kulinarik. In den 70er und 80er Jahren ging es an der Frankfurter Oper um Inhalte, um Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft. Heute geht es vor allem um Kulinarik, schöne Kostüme, schöne Stimmen, Bühnenbilder. Das ist zu groß, zu glatt, zu monumental. Ich werde dagegen weiter nah am Publikum arbeiten. Mit 160 Sitzplätzen in der Fabrik werden sich Intimität und Vertrauen entwickeln.

Wie war früher das Verhältnis zwischen Oper und Kammeroper in Frankfurt?

Der damalige Generalmusikdirektor der Oper Michael Gielen hat in den 80er Jahren die Kammeroper unterstützt. Er kam oft zu unseren Aufführungen. Wir konnten uns bei den Städtischen Bühnen ausleihen, was wir brauchten. Die Dramaturgen kamen zu uns und diskutierten mit uns über Stoffe und Inhalte. Das gibt es heute nicht mehr. Und natürlich hat uns der damalige Kulturdezernent Hilmar Hoffmann mit größtem Enthusiasmus gefördert. Er pflegte mich mit den Worten vorzustellen: Das ist der Mann, der für 5000 Mark Oper macht. Ich habe bisher 130 Opern inszeniert.

Interview: Claus-Jürgen Göpfert

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