Jüdisches Leben in Eschersheim
Eine Initiative befasst sich mit der jüdischer Geschichte im Frankfurter Stadtteil Eschersheim.
Als Boheme-Viertel wird der Frankfurter Stadtteil Eschersheim heute wohl von niemandem bezeichnet. Genau diesen Ruf erlangte das Gebiet um den Kirchberg westlich der Eschersheimer Landstraße allerdings Ende der 1920er Jahre. Grund dafür war der jüdische Künstler Hanns Ludwig Katz, der seit Beginn der Dekade in Frankfurt lebte.
Maria Theobald von der Initiative „Liebenswertes Eschersheim“ kennt sich mit der Biografie des Malers bestens aus. Zusammen mit Anne Winkler hat sie sich intensiv mit der jüdischen Geschichte im Stadtteil befasst. „An mehr als zehn Gebäuden in Eschersheim wurden Stolpersteine verlegt“, weiß Theobald.
Zwar sei der Stadtteil nicht so sehr vom jüdischen Leben geprägt gewesen wie beispielsweise das Westend. „Interessante Geschichten verbergen sich hinter den Namen aber allemal“, findet Winkler.
Der in Karlsruhe geborene Katz zog Anfang der 1920er-Jahre nach Frankfurt, zunächst in eine Wohnung an der Großen Friedberger Straße. „Wahrscheinlich wurde die irgendwann für seine ganzen Gemälde zu klein“, mutmaßt Theobald und lacht. 1928 zog Katz in das Eschersheimer Gebäude im Bauhausstil, mit ihm kam das künstlerische Flair. Künstler, Schriftsteller, Maler und Musiker gaben sich nun am Kirchberg die Klinke in die Hand. „Max Beckmann war Stammgast“, weiß Winkler. Katz‘ Ehefrau gab öffentliche Hauskonzerte, die oft vom Rundfunk übertragen wurden. „Für die Alteingesessenen waren das Haus und seine Gäste wohl Fremdkörper“, sagt Winkler.
Mit der Machtübernahme der Nazis wendete sich das Blatt. Durch die Brandmarkung als „entarteter Künstler“ fielen nun die Einnahmen aus. Stark verschuldet gab der Maler sein Geschäft 1935 auf. Nach Verkauf des Hauses im folgenden Jahr gelang Katz die Flucht. Per Schiff gelangte er ins südafrikanische Johannesburg. Dort starb der Künstler 1940 im Alter von 48 Jahren und wurde auf dem jüdischen Friedhof beerdigt.
„Den meisten Juden gelang die Flucht jedoch nicht“, weiß Theobald. Vor elf Gebäuden im Stadtteil sind Stolpersteine angebracht. Die Inschriften ähneln sich häufig. „Deportiert 1941. Ermordet in Kaunas“ steht etwa auf dem Stolperstein des Kaufmanns Ludwig Keller am Weißen Stein 19.
Theobald selbst reiste im Sommer ins litauische Kaunas. „In der dortigen Gedenkstätte des Konzentrationslagers lassen sich viele Frankfurter Spuren entdecken“, sagt die Eschersheimerin.
Mehrere hundert Stolpersteine gibt es im gesamten Stadtgebiet, längst jedoch nicht an allen Gebäuden mit jüdischer Vergangenheit. „In Eschersheim fehlen etwa einige an der Ecke Hügelstraße/Eschersheimer Landstraße“ weiß Winkler. 120 Euro kostet einer der goldenen Gedenksteine. Nun will sich die Initiative überlegen, selbst einen zu stiften.