„Jewrovision“ begeistert Frankfurt

Die jüdische Gemeinde feiert ein ganz besonderes Jugendmusikfestival in der Festhalle
Die Stimmung in der Frankfurter Festhalle ist phänomenal. Tausende Kinder und Jugendliche feiern schon vor Beginn der „Jewrovision“-Show ausgelassen, stehen auf ihren Stühlen, jubeln und tanzen. Besonders die Gewinner des letzten Jahres, Amichai Frankfurt, sind kaum zu stoppen. Die Moderator:innen müssen die jungen Menschen mehrmals auffordern, sich hinzusetzen, sonst könne die „Jewrovision“ nicht starten. Die „Jewrovision“ ist eine Musikshow ganz besonderer Art. Wie der Name schon zeigt, handelt es sich um ein Showkonzept nach dem Vorbild des Eurovision Song Contests. Das „Jew“ im Name verrät jedoch, dass es sich um eine Veranstaltung für Jüdinnen und Juden handelt. Zum 20. Mal findet die Show dieses Jahr statt.
Ausgetragen wird sie seit zehn Jahren vom Zentralrat der Juden. Teilnehmen können jüdische Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland. Der Austragungsort, wie beim Eurovision, richtet sich immer nach dem Gewinnerteam aus dem vorherigen Jahr. Auch der Aufbau der Show ähnelt dem Vorbild sehr, hier jedoch werden die Vorstellungsvideos der Künstler:innen von ihnen selbst produziert, und werden einzeln bewertet. Diese sollen mitunter die eigene jüdische Gemeinde vorstellen. Zum Schluss werden somit zwei Gewinner-Teams gekürt: für das Vorstellungsvideo und für die eigentliche Performance.
Eine prominent besetzte Jury rundet die Veranstaltung ab. Dieses Jahr bewerteten unter anderem Kelvin Jones, Alex Christensen und der TikTok-Comedian @Ruz.Bln die Auftritte der Jugendlichen. Ein weiterer Fokus der diesjährigen Jewrovision ist das 75-jährige Bestehen des Staates Israel. Dies soll auch das Motto „Don’t Stop Believing“ unterstreichen, wie Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, betonte. Das Motto solle zwei Dinge aufzeigen: das erfolgreiche jüdische Leben in Deutschland und das 75-jährige Bestehen des israelischen Staates. Schuster war es auch, der die „Jewrovision“ feierlich eröffnete. Die 13 jüdischen Künstler:innen-Teams „können nicht genug Wertschätzung erfahren“, sagt er. Der Zusammenhalt, den er immer wieder sehe, mache etwas „eigen Jüdisches erkennbar“. Auch die Entscheidung, die Frankfurter Festhalle als „historischen Ort“ als Veranstaltungsort zu nehmen, sei eine bewusste Entscheidung gewesen. Schuster bezieht sich dabei auch auf den Auftritt des Musikers Roger Waters, der trotz antisemitischer Äußerungen Ende Mai in der Festhalle auftreten wird. Man müsse Hass auf Juden mit einem „Fest des Jüdischen begegnen“, so der Präsident des Zentralrats der Juden. „Wir werden uns nicht wegducken“, so Schuster energisch.
Auch die Bundesregierung entsendete zwei Vertreterinnen für die Eröffnung der „Jewrovision“. Lisa Paus (Grüne), Bundesministerin für Familien und Jugend, schickte als Schirmherrin der Veranstaltung eine Videobotschaft in die Festhalle.
Die Auftritte der Jugendlichen waren mitreißend, voller Energie, aber auch emotional und vor allem eines: Sie zeigten, was es für sie heißt, in Deutschland jüdisch zu sein. Das zeigten die Kinder und Jugendlichen auch anhand ihrer Umtextung der Lieder. So entstanden viele Songtexte, die sich aus Deutsch und Hebräisch zusammensetzten, auch englische Lyrics waren gern gesehen. Oft waren auch mehrere Lieder kombiniert, sogenannte „Mash-Ups“, was die Auftritte noch aufregender und abwechslungsreicher machte. Nicht fehlen durften schillernde Kostüme, aufwändige Tanzchoreografien und große Stimmen – ganz wie man es vom richtigen Eurovision Song Contest gewöhnt ist.
Doch das Schönste der ganzen Show war der Zusammenhalt, wie schon zu Beginn angesprochen, der die ganze Festhalle erfüllte. Trotz allem Jubel für das eigene Team fielen sich viele Kontrahenten in die Arme und gratulierten einander zur großartigen Performance. Es ist eben doch jedes Jahr ein Wiedersehen. Das bestätigt auch die 17-jährige Ornella.
Sie hat als Tänzerin für Amichai Frankfurt teilgenommen. Dies ist ihr zweites Jahr auf der Bühne, doch die „Jewrovision“ besucht sie schon seit 2016. Auf die Frage, wie viel sie geprobt haben, kann sie gar keine genaue Antwort geben zu können – seit letztem Herbst aber mindestens einmal die Woche. Ornella hat sich in Frankfurt bei einem eigens eingerichteten Casting durchgesetzt. Jeder habe bis zu 60 Sekunden Zeit für seine oder ihre Präsentation, danach werde man von dem Jewrovision-Komitee des Jugendzentrums Amichai ausgewählt. Doch der Aufwand hat sich mehr als gelohnt. Der Auftritt der Amichai kommt zwar zum Schluss, doch er lässt die Halle beben. Die Frankfurter:innen waren mit ihrer Fanbase definitiv im Heimvorteil. Sie haben das Lied „Ain’t my Fault“ von Zara Larsson in den Titel „Fight For Your Dream“ umgedichtet. Damit wollten sie zeigen, dass man sich selbst treu bleiben muss und seine eigenen Träume immer verfolgen und neugestalten kann, egal wie schwer der Weg sein kann.
Am Ende des Abends gewinnt Chesed Gelsenkirchen & Essen den Preis für das beste Vorstellungsvideo. Sie haben einen emotionalen Rap über das Jüdischsein erarbeitet, und aufgezeigt, wie sie alltäglich von Antisemitismus betroffen sind. Der Preis für die beste Performanz ging in diesem Jahr an das Jugendzentrum Olam aus Berlin. Frankfurt schaffte es auf einen wohlverdienten zweiten Platz.
