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Terror-Prozess
Über die Türkei nach Syrien: Paar wollte einfach mal beim IS vorbeischauen
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Im Landgericht Frankfurt hat der Prozess gegen ein Ehepaar begonnen. Mit einem Geständnis kommen die Terrorverdächtigen gut davon.
- Ein Ehepaar muss sich unter anderem wegen Terrorfinanzierung vor dem Frankfurter Landgericht verantworten.
- Ihnen wird vorgeworfen, dass sie sich 2016 auf einer Reise in die Türkei und nach Syrien dem Islamischen Staat anschließen wollten.
- Sie sollen auch unrechtmäßige Hilfe in fünfstelliger Hilfe von einem Jobcenter bekommen haben.
Frankfurt ‒ Auf die Gnade Gottes ist bloß sehr bedingt Verlass, aber mit dem Frankfurter Landgericht kann man reden. Und so schrumpft die Anklage gegen ein mutmaßlich salafistisches Ehepaar aus Raunheim am Donnerstagmorgen (18.02.2021) dermaßen zusammen, dass ein Deal zustande kommt: Im Gegenzug für zwei Geständnisse können beide mit einer Bewährungsstrafe rechnen.
Angeklagt waren der 28 Jahre alte Mann und seine 29-jährige Ehefrau wegen Terrorfinanzierung, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Betruges.
Landgericht Frankfurt: Paar wollte sich in Syrien dem Islamischen Staat anschließen
Das Paar soll 2016 mit seinen zwei Söhnen im Alter von vier Jahren und einem Jahr in die Türkei gereist sein, um von dort gen Syrien zu ziehen und sich dem IS anzuschließen. Was aber daran scheiterte, dass die türkische Polizei die beiden in einem grenznahen Hotel festnahm und sie mit Kind und Kegel wieder nach Deutschland zurückschickte.
Bei ihrer Festnahme hatten die Eheleute jeweils 8000 Euro in bar einstecken. Das Geld soll vor allem vom Jobcenter Groß-Gerau stammen, bei dem das Paar unrechtmäßig Stütze in fünfstelliger Höhe abgestaubt haben soll. Zum einen hätten beide falsche Angaben zu ihrem Eigenvermögen gemacht, vergessen, ihre Auslandsreisen zu erwähnen, und behauptet, sie lebten getrennt, zum anderen habe der Mann nicht mitgeteilt, dass er nebenbei für eine Spedition arbeite.
Nun sei die Sache aber kompliziert, gibt die Kammer vorab zu bedenken. Um all die Vorwürfe zu untermauern, müsse man schwer erreichbare Institutionen wie die türkischen Behörden oder das Jobcenter Groß-Gerau um Amtshilfe ersuchen, wobei der Erfolg ungewiss sei.
Islamischer Staat: Paar wollte zu der Terrororganisation nach Syrien
Zudem trete der Vorwurf der Terrorfinanzierung juristisch hinter den der staatsgefährdenden Gewalttat zurück – die aber sei schwer zu beweisen, da niemand mit Gewissheit sagen könne, ob die beiden sich tatsächlich in einem IS-Terrorlager an der Waffe hätten ausbilden lassen wollen. Was den Betrugsvorwurf angehe, seien einige Angaben der Staatsanwaltschaft mehr als fraglich, auch sei in dieser Sache eh ein Zivilverfahren vor dem Sozialgericht in Darmstadt anhängig.
Da nun ohnehin nicht viel mehr als die Unterstützung einer Terrororganisation bleibt, räumt der Mann in seinem Geständnis ein, tatsächlich samt Familie nach Syrien gewollt zu haben, um dort zumindest mal unverbindlich beim IS vorbeizuschauen. Radikalisiert habe er sich zuvor unter anderem durch die ständigen Hänseleien seiner Kollegen ob seines Bartwuchses und seiner Betfreudigkeit. Auch seien er und seine Frau ständig von Wildfremden auf offener Straße beleidigt und attackiert worden, die Polizei habe ihn wegen seiner salafistischen Freunde auf dem Kieker gehabt, und mit dem Assad-Regime in Syrien sei er ebenfalls unzufrieden gewesen.
IS: Angeklagter habe angestrebt ein Märtyrer zu werden
Er habe stets angestrebt, Märtyrer zu werden, wobei seine Definition eher liberal ist: „Märtyrer kann auch werden, wer an Fieber erkrankt oder von der Leiter fällt.“ Sein Bruder ist bereits gefallen, wenn auch nicht von der Leiter, sondern im „Heiligen Krieg“. Mittlerweile sei er aber kuriert, habe mit Extremismus nichts mehr am Hut und könne sich „ein Leben ohne Deutschland gar nicht mehr vorstellen“.
Der Prozess wird fortgesetzt. (Stefan Behr)
Kürzlich verübte der IS wieder einen Anschlag mit zahlreichen Toten in Bagdad.