„Stadtwerke in Frankfurt werden ins Minus rutschen“

Geschäftsführer Thomas Wissgott zur Lage der Stadtwerke Holding, die für die öffentliche Daseinsvorsorge verantwortlich ist.
Thomas Wissgott (63) ist Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Stadtwerke-Holding und der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF).
Herr Wissgott, ist absehbar, wie sich die Corona-Krise auf die Stadtwerke-Holding auswirkt?
Die Krise hat jetzt schon erhebliche Auswirkungen. Die Mainova, die Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF), die Bäderbetriebe und die Busgesellschaft ICB sind direkt betroffen.
Wie sieht es bei der Mainova aus?
Die Mainova verkauft derzeit weniger Strom. Das liegt unter anderem daran, dass der Flugverkehr am Frankfurter Flughafen massiv eingeschränkt ist. Das Terminal 2 ist geschlossen.
Mainova-Geschäftsführer Constantin Alsheimer sprach im FR-Interview von einem Rückgang beim Stromverbrauch in Frankfurt um fast zehn Prozent.
Das ist korrekt. Es kann auch sein, dass Privathaushalte wegen der Krise in finanzielle Schwierigkeiten kommen. Wird die Stromrechnung dann gestundet? Diese Frage werden wir uns stellen.

Fraport hat angekündigt, für 2019 keine Dividende zahlen zu wollen. Das wirkt sich unmittelbar auf die Stadtwerke aus.
Fraport hat in Aussicht gestellt, auch für 2020 keine Dividende zahlen zu wollen. Das kostet uns richtig viel Geld. Die Stadtwerke halten rund 20 Prozent der Anteile an Fraport. Wenn man das hochrechnet, kommt man auf rund 37 Millionen Euro im Jahr, die wegfallen. Das Geld hatten wir voll eingeplant.
Zuletzt hatten die Stadtwerke gut 68 Millionen Euro Plus erwirtschaftet. Gehen Sie davon aus, dass die Holding nun ins Minus rutschen wird?
Ja, das ist zu befürchten. Auf der Bilanzpressekonferenz im Sommer werden wir aber auch zeigen, dass das Gesamtkonstrukt deutlich an Wert zugenommen hat.
Zur Person
Thomas Wissgott (63) ist Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Stadtwerke-Holding und der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF).
Die Holding hat sechs Tochtergesellschaften: die VGF (100 Prozent), die Mainova AG (75,22 Prozent), die Bäderbetriebe Frankfurt (100 Prozent), die Abfallverbrennungsanlage Nordweststadt (100 Prozent) und die Busgesellschaften In-der-City-Bus und Main-Mobil Frankfurt (100 Prozent).
Darüber hinaus hält die Stadtwerke-Holding Anteile an der Fraport AG (20,03 Prozent) und der Süwag-Energie AG (5,98 Prozent).
Bei den Stadtwerken finanziert die Mainova etwa die VGF oder die Bäderbetriebe quer. Was bedeutet es, wenn der Konzern ein Minus erwirtschaftet?
Dankenswerterweise haben die Stadtverordneten beschlossen, dass etwaige Verluste bei den Stadtwerken durch Haushaltsmittel ausgeglichen werden. Die Stadtwerke-Holding müsste nicht ihr Eigenkapital aufzehren. Konkrete Zahlen kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht nennen. Aber es ist klar, dass sich die Corona-Krise deutlich bemerkbar machen wird.
Gibt es Corona-Fälle bei der VGF?
Wir haben eine Arbeitsgruppe „Pandemie“ bei der VGF, die täglich per Videokonferenz die Gesundheitssituation mit den Verdachtsfällen oder den bestätigten Fällen bespricht. Bisher – toi, toi, toi – gibt es bei der VGF mit 2400 Mitarbeitern nur einen einzigen bestätigten Corona-Fall. Weniger als ein Dutzend Mitarbeiter sind in Quarantäne. Das liegt wohl daran, dass wir frühzeitig Vorsorge getroffen haben, mit der Arbeit in Teams oder von zu Hause aus und mit dem Aufbau von Reserven. Es hat aber auch mit Glück zu tun.
Ist absehbar, dass die VGF wegen der aktuellen Krise Investitionen nicht tätigen kann?
Bei den Fahrzeugbeschaffungen und den Baumaßnahmen gibt es bei der VGF derzeit keine Einschränkungen. Beim Erhalt der Schieneninfrastruktur haben wir jetzt, da die Straßen leer sind, die Chance, alles zu machen, was geht. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten gerade bis zum Anschlag. Wir wissen aber auch, dass in Spanien und Frankreich, wo unsere neuen U-Bahn-Mittelwagen und Straßenbahnen produziert werden, derzeit die Arbeit in den Fabriken stillsteht.
Wird es zu Verzögerungen bei den Lieferungen kommen? Die neuen U-Bahnen sollten im Herbst, die neuen Straßenbahnen im Winter geliefert werden.
Es wird wegen der Werksschließungen sicherlich zu Verzögerungen kommen, aber in überschaubarem Maße. Wenn das Werk vier oder sechs Wochen geschlossen ist, kommen die Fahrzeuge voraussichtlich vier oder sechs Wochen später.
Die Corona-Krise trifft die Bäderbetriebe besonders hart, weil die laufenden Kosten hoch bleiben, während kein einziger Badegast ins Becken darf. Ist zu befürchten, dass Schwimmbäder dauerhaft geschlossen werden müssen?
Die Bäderbetriebe haben zurzeit null Einnahmen, weil die Schließung der Bäder behördlich angeordnet ist. Gleichzeitig bereiten die Mitarbeiter die Freibadsaison vor. Jeder hofft, dass die Bäder wieder voll werden, wenn die Krise vorbei ist. So, wie ich die Stadtpolitik einschätze, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie zu dem Schluss kommt, wir machen wegen der Krise ein Schwimmbad zu. Bäder sind für die Bürgerinnen und Bürger ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge. Die Bäder haben uns auch vor der Krise schon Geld gekostet.
Interview: Florian Leclerc