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Ex-Korruptionsjäger Wolfgang Schaupensteiner und seine Sicht auf Peter Feldmann und den AWO-Skandal in Frankfurt

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Von: Oliver Teutsch

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Ex-Korruptionsjäger Wolfgang Schaupensteiner in seinem Büro in der Frankfurter Innenstadt.
Ex-Korruptionsjäger Wolfgang Schaupensteiner in seinem Büro in der Frankfurter Innenstadt. © Christoph Boeckheler

Der ehemalige Korruptionsjäger erklärt, warum Korruption nicht abnimmt, und spricht über seine Sicht auf AWO-Skandal, Peter Feldmann und Alexander Badle.

Er galt viele Jahre als führender Korruptionsjäger in Deutschland und auch noch heute wird Wolfgang Schaupensteiner bei dem Thema emotional. „Entschuldigen Sie, wenn ich zu schnell spreche“, wirbt er während des Interviews um Verständnis. Nach seiner Pensionierung als Staatsanwalt arbeitet Schaupensteiner heute noch als Rechtsanwalt.

Inwieweit sind Sie noch in Sachen Korruption aktiv?

Ich berate Unternehmen in Sachen Compliance. Unternehmen brauchen eine solche Beratung. Ich trete nicht als Verteidiger vor Gericht auf.

Zuletzt gab es ja in der öffentlichen Wahrnehmung eine Reihe von Korruptionsaffären: Bei der AWO, Schulhausmeistern, Oberstaatsanwalt Alexander Badle – gibt es heute mehr Korruption als früher?

Sie wird zumindest nicht weniger. Die Sensibilität in der Öffentlichkeit nimmt aber zu und damit auch in den Unternehmen. Es gibt aber auch Bereiche, in denen die Korruption abgenommen hat, etwa die Aufmerksamkeits-Korruption.

Aufmerksamkeits-Korruption?

Die Einladung zum Essen, die Flasche Wein zu Weihnachten oder ein Blumenstrauß für das Vorzimmer. Das ist heute alles nicht mehr der Mühe wert, dafür bekommt man keine Aufträge mehr.

Wo fängt denn Korruption an?

Korruption ist der Missbrauch von Einfluss und anvertrauter Macht zum privaten Vorteil oder zum Vorteil Dritter. Jeder materielle oder auch immaterielle Vorteil, auf den der Empfänger keinen Rechtsanspruch hat, kann strafrechtlich relevant sein. Der Gesetzgeber legt da keinen Euro-Betrag fest. Im Geschäftsverkehr sind Vorteilszuwendungen an Angestellte oder Beauftragte eines Unternehmens als Gegenleistung für die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb strafbar. Allerdings kann sich der Betriebsinhaber selbst straflos bestechen lassen, was ich rechtspolitisch als kritisch ansehe. Bei Amtsträgern liegt die Strafbarkeitsschwelle sehr niedrig, da kann man schon über die Einladung zum Pizzaessen ins Stolpern geraten. Ausnahmen gelten nur für die wenigen sogenannten sozialadäquaten Zuwendungen.

Welche Zuwendungen sind denn sozial adäquat?

Als sozialadäquat gelten geringwertige Aufmerksamkeiten, die dem Gebot der Höflichkeit entsprechen, auch Geschenke aus allgemein gebilligten Anlässen wie ein Dienstjubiläum oder ein Trinkgeld, wenn es üblich ist, wie etwa an die Stationsschwestern im Krankenhaus. Der strafrechtliche Korridor ist deutlicher schmaler als die Korruption im moralischen Sinne.

War das die Crux im Fall von Ex-Oberbürgermeister Peter Feldmann?

Der Fall Feldmann ist in der Tat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kritisch. Das Landgericht hat entschieden, dass Herr Feldmann als Gegenleistung für die als unangemessen hoch angesehene Vergütung seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Einfluss auf Auftragsvergaben der Stadt an die AWO geübt hat. Letztlich wird der BGH entscheiden, ob die Voraussetzzungen für Bestechlichkeit im Amt erfüllt sind. Nicht strafbar, wenngleich moralisch verwerflich, war der Maskendeal zweier CSU-Politiker, da diese nicht als Amts- oder Mandatsträger, sondern im Interesse einer Firma gehandelt haben. Die sogenannte Einflusskorruption durch die missbräuchliche Ausnutzung von politischen Beziehungen zu den Entscheidungsträgern zwecks persönlicher Bereicherung ist nach Auffassung des BGH nicht strafbar. Eine weitere Gesetzeslücke.

Der AWO-Komplex bringt ja immer neue Verdachtsmomente auf. Wundert Sie das?

Nein. Es hat immer schon starke Verflechtungen zwischen Privatunternehmen, städtischen Betrieben und der Kommunalpolitik gegeben. Geschäftsbeziehungen über viele Jahre hinweg bei gleichbleibenden Ansprechpartnern auf beiden Seiten begünstigen Korruption. Wenn es keine konkreten Hinweise auf Missbrauch gibt und sich keiner beschwert, wird häufig auch kein Anlass für Kontrollen gesehen.

Auch bei der Generalstaatsanwaltschaft gab es ja einen Fall von Korruption. Ein Oberstaatsanwalt aus den eigenen Reihen hat sich offenbar jahrelang schmieren lassen. Hat die Justiz da zu blauäugig agiert?

Nein, das würde ich nicht sagen. Es hat bei keiner Staatsanwaltschaft jemals einen nur annähernd vergleichbaren Fall von Bestechlichkeit gegeben. Justizangehörige können keineswegs unkontrolliert schalten und walten. In der streng hierarchisch organisierten Staatsanwaltschaft gibt es neben der Fach- und Dienstaufsicht die Kostenbeamten und Revisoren. Die Dauer der Ermittlungen und der jeweilige Abschluss werden statistisch erfasst. Bei der Staatsanwaltschaft ist zum Beispiel auch die Zuweisung von Geldauflagen an gemeinnützige Einrichtungen transparent, um bereits den Anschein einer unverhältnismäßigen Bevorzugung einzelner Empfänger zu vermeiden.

Wenn es aber in diesem Fall keinen Verdacht einer Straftat gab und auch sonst nichts, was geeignet sein musste, Misstrauen zu erregen, dann kann man nicht von Blauäugigkeit sprechen.

Aber dann kann ja jeder Gutgläubigkeit in sein Unternehmen vorschützen. Anders gefragt: Hätte die Generalstaatsanwaltschaft Sie um eine Risikoanalyse gebeten, was hätten Sie unternommen?

Eine Risikoanalyse ist darauf gerichtet, Schwachstellen in der Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens zu erkennen. In einem Unternehmen würde man unter anderem den Einkauf überprüfen, der als Einfallstor für Korruption gilt. Die Beauftragung eines Sachverständigen, dessen Vergütung gesetzlich geregelt ist, kann nicht ohne weiteres mit der Beschaffung von Büromaterial verglichen werden. Ich bezweifele, dass hier das Vier-Augen-Prinzip weiterhilft; auch wird das zweite Augenpaar mangels Fachkunde überhöhte Kosten in den seltensten Fällen erkennen.

Die Auftragsvergabe erfolgte immer an dieselbe Firma und es entstanden extrem hohe Gutachterkosten. Trotzdem wurden viele Verfahren eingestellt...

Zunächst ist der Staatsanwalt bei der Auswahl eines Gutachters weitgehend frei, er kann am besten dessen Eignung für die Sachverhaltsaufklärung beurteilen. Häufig stellt sich aber das Problem, überhaupt einen Sachverständigen zu finden, der bereit ist, sein Gutachten zeitnah und für eine relativ niedrige Vergütung abzuliefern. Ich selbst habe zu meiner Zeit lange nach einem IT-Unternehmen gesucht und dieses dann regelmäßig beauftragt. Wenn die Firma gut und schnell ist, spricht nichts dagegen. Erst wenn ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass wiederholt überhöht abgerechnet sein könnte, dann bietet sich eine fachliche Überprüfung an. Ob das hier der Fall war, vermag ich nicht zu beurteilen. Zu berücksichtigen ist, dass wir es bei dem Angeklagten mit einem überaus erfolgreichen und über die Landesgrenzen hinaus anerkannten Staatsanwalt zu tun haben. Wer sollte da auf die Idee von Korruption kommen?

Und die häufigen Verfahrenseinstellungen?

Häufige Verfahrenseinstellungen sind jedenfalls kein Hinweis auf Korruption. Die meisten Verfahren werden von der Staatsanwaltschaft nicht angeklagt, sondern eingestellt, und Einstellungen mit und ohne Zahlungsauflagen sind die Allzweckwaffe gegen knappe personelle Ressourcen.

Fehlt es bei den Staatsanwaltschaften an Know-how?

Mangelnde Fachkenntnisse sind in der Tat nicht selten ein Problem. In den Wirtschaftsabteilungen geht es oft nach dem Prinzip learning by doing. Man muss wissen, dass ein auf Lebenszeit ernannter Staatsanwalt nicht verpflichtet ist, an Fortbildungsmaßnahmen mit Leistungsnachweis teilzunehmen. Daher war man Oberstaatsanwalt Badle ja dankbar für seine Spezialisierung und sein anhaltendes Engagement.

Können Sie einen Bereich nennen, wo das besonders zum Tragen kommt?

Auf fehlende Rechtskenntnisse und geringen Verfolgungseifer stößt man beispielsweise bei klassischen Wirtschaftsdelikten wie dem Verrat von Geschäftsgeheimnissen oder der Verletzung von Markenrechten. Wenn deutsche Unternehmen im Ausland bestechen, sind sie dafür auch in Deutschland zu bestrafen. Auslandskorruption wird aber in Deutschland so gut wie nicht verfolgt.

Warum?

Die Ermittlungen sind aufwendig, rechtlich anspruchsvoll und durch notwendige Rechtshilfeersuchen im Ausland zusätzlich erschwert. Die Schmiergelder in Millionenhöhe werden über Offshore-Konten und Briefkastenfirmen geschleust. Das Entdeckungsrisiko ist entsprechend gering. Die wenigen Verfahren werden meist ohne Ergebnis eingestellt.

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