Zimmer am U-Bahngleis in Frankfurt: Künstlerin richtet Glasvitrine als Wohnraum ein

Die Künstlerin Mahya Ketabchi hat eine verlassene Glasvitrine an der Hauptwache in Frankfurt belebt. Noch bis Anfang April ist die Installation zu sehen.
Frankfurt – Wer an der Hauptwache am Gleis der U6 und U7 Richtung Hausen/Heerstraße entlanggeht, muss vielleicht kurz stutzen. Da steht eine Glasvitrine von rund 30 Quadratmetern. Darin sieht es aus wie in einem Zimmer: Auf einem Schreibtisch steht ein aufgeklappte Laptop, am Boden liegen Bücher, und neben dem Bett steht ein halb ausgeräumter Koffer. Es scheint, als sei es gerade nur kurz zum Einkaufen oder Müllwegbringen verlassen worden.
„Ja, es sieht aus, als würde hier jemand wohnen“, sagt Mahya Ketabchi, die Künstlerin hinter dem Projekt. „Das wäre allerdings nicht legal, da es hier keinen Feuermelder gibt.“ Die 31-Jährige kam vor vier Jahren nach Frankfurt, um an der Städelschule freie bildende Kunst zu studieren. Davor studierte sie Grafikdesign und Architektur in Teheran.
Frankfurt Hauptwache: Künstlerin erhält Unterstützung vom Kulturamt
Jedes Mal, wenn sie an der Hauptwache vorbeikam, die demnächst umgestaltet und verschönert werden soll, sei ihr die Vitrine aufgefallen. Mal war sie mit Werbeplakaten beklebt, mal stand sie komplett leer. „Also mailte ich der VGF, und fragte, ob man sie mieten kann. Das ist doch etwas Besonderes: Ein Raum aus Glas mitten in einer U-Bahnstation!“ Für die rund 450 Euro Miete pro Monat bekommt die Künstlerin Unterstützung vom Kulturamt. Laut VGF wurde die Vitrine früher als Werbefläche genutzt. Bevor sie an Ketabchi vermietet wurde, lag sie jedoch geraume Zeit brach.
„Ich hatte nicht erwartet, dass die Menschen es sich tatsächlich anschauen. Für so ein Werbeplakat hat man ja auch maximal zwei Sekunden Zeit“, sagt die Künstlerin. Besonders ältere Menschen und Kinder blieben aber häufig stehen. „Ich wollte hiermit eine Art Riss in der Realität erzeugen.“ Beim Vorbeilaufen denke man zuerst, die Vitrine sei bewohnt. Dann dauere es einen Moment, um zu realisieren, dass dort eigentlich niemand leben kann.
An der Vitrine direkt kann man nicht erfahren, worum es bei der Installation geht. Deshalb hat Ketabchi einen QR-Code angebracht, über den Interessierte ihr schreiben können. Seit Ausstellungsbeginn Anfang Februar habe sie viele Mails bekommen. Die Idee für ein privates Zimmer in einem öffentlichen Raum sei zwar schon immer in ihrem Kopf gewesen, habe sich aber vor allem während Corona gefestigt. „In dieser Zeit war mein eigenes Zimmer das einzige, was ich hatte.
Kunstinstallation in Frankfurt: Neben einer Schlafecke gibt es auch einen Arbeitsbereich
Gefüllt ist der Raum mit allerlei Kleinigkeiten und größeren Gegenständen, wie einem Bett und einer Leiter. Für die Gestaltung des Raums habe sie sich einen Charakter überlegt und basierend darauf den Raum dekoriert. Es gibt einen Arbeitsbereich, eine Schlafecke und eine Art Abstellkammer am Ende der Vitrine. „Die meisten Sachen habe ich von Ebay Kleinanzeigen oder vom Flohmarkt, und ich werde sie auch wiederverkaufen, wenn die Ausstellung beendet ist.“ Andere Dinge seien eigene Skulpturen oder Kunstwerke ihrer Freund:innen.
Sie hoffe, dass die Vitrine nach dem Ende ihrer Ausstellung anderweitig genutzt wird. „Hauptsache keine Werbung. Ich glaube, die Menschen brauchen das.“ Der Großteil der Kunst im öffentlichen Raum seien Statuen. Und diese seien eben meist nicht einmal für die Öffentlichkeit geschaffen worden. „Sie haben ein sehr spezifisches Publikum, das nicht sehr inklusiv ist.“ Die Vitrine habe das Potenzial, zu einem Ort für Kunst zu werden, der sich ständig verändert. Gemietet hat Ketabchi sie erstmal nur für zwei Monate. Die Ausstellung ist bis zum 7. April zu sehen. (Kiki Bruder)