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Ein Platz für Nini und Carry Hess in der Frankfurter Innenstadt

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Von: Boris Schlepper

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2020 gab es im Museum Giersch eine Ausstellung über die beiden Fotografinnen.
2020 gab es im Museum Giersch eine Ausstellung über die beiden Fotografinnen. © christoph boeckheler*

Der Ortsbeirat benennt eine Grünfläche nach den zwei jüdischen Fotografinnen. Das freut auch die jüdische Gemeinde.

Wer in den 1920er-Jahren etwas auf sich hielt, ließ sich von Nini und Carry Hess fotografieren. Viele Prominente haben damals Umwege über Frankfurt in Kauf genommen, um sich in einem Atelier in der Börsenstraße ablichten zu lassen. In ihrem Studio gestalteten die beiden Schwestern Porträts von Persönlichkeiten wie Thomas und Katia Mann, Maler Max Beckmann, Psychoanalytiker Carl Gustav Jung und Komponist Paul Hindemith. Mit der Machtergreifung der Nazis war damit Schluss. Jetzt soll nach den jüdischen Geschwistern ein kleiner Platz in der Innenstadt benannt werden.

Bisher ist es nur eine namenlose Grünanlage. Doch künftig soll die Fläche zwischen Hoch-, Tauben- und Börsenstraße nach den Fotografinnen heißen. Dafür hat sich der Ortsbeirat 1 (Altstadt, Bahnhofsviertel, Europaviertel, Gallus, Gutleut, Innenstadt) mit einem gemeinsamen Antrag von Grünen, CDU, SPD, FDP und Linke ausgesprochen. Das Gremium will damit die künstlerischen Verdienste und das fotografische Lebenswerk der Schwestern würdigen und an deren Verfolgung während des Nationalsozialismus‘ erinnern.

Ein Mann aus München habe angeregt, Nini und Carry Hess zu ehren, sagt Grünen-Fraktionsvorsitzender und Antragssteller Alexander Mitsch. Bislang erinnern zwei Stolpersteine vor ihrer letzten Adresse in der Sachsenhäuser Straße Unter den Eichen 7 an sie. Das Museum Giersch sowie das Theatermuseum in München würdigten die Künstlerinnen mit Ausstellungen. Der Ortsbeirat will mit einem Schild auf das Leben und Wirken der Fotografinnen hinweisen. Zudem sollen am Platz zwei Bänke aufgestellt werden.

Geboren wurden Stefanie „Nini“ und Cornelia „Carry“ Hess 1884 und 1889. Sie wuchsen in einer jüdischen Kaufmannsfamilie auf. 1913 gründeten sie ihr Atelier in der Innenstadt, das bald zu den angesehensten Studios in Deutschland gehörte und weltweit einen guten Ruf genoss. Die Fotografinnen waren berühmt für ihre Porträts, Theater- und Tanzfotografien. Auch widmeten sie sich der Akt-, Mode- und Architekturfotografie.

Die Schwestern hatten einen festen Vertrag mit dem Frankfurter Theater. Nach der Machtergreifung der Nazis kündigte das Theater ihnen. Carry Hess flüchtete nach Paris, während ihre Schwester Nini das Atelier weiterführte. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörte die SA das Atelier und das Bildarchiv der Schwestern vollständig. Nini Hess und ihre Mutter Lina wurden deportiert und später in Auschwitz ermordet.

Carry Hess, die 1933 nach Frankreich geflohen war, überlebte den Krieg, auf einem Auge erblindet. Nach einem Streit mit deutschen Behörden um „Wiedergutmachung“ des in der Schoa erlebten Leids starb sie 1957 verarmt. Eines ihrer letzten Bilder zeigt den Arzt Albert Schweitzer, aufgenommen 1952.

Die Jüdische Gemeinde Frankfurt begrüßt den Vorstoß. Einen Platz im Herzen Frankfurts nach den im Nationalsozialismus verfolgten Künstlerinnen zu benennen, „rückt beide fast vergessene Persönlichkeiten in das gesellschaftliche Bewusstsein unserer Stadt“, teilt die Gemeinde mit. Die Namensgebung eröffne zudem die Möglichkeit, das fotografische Werk der Schwestern wiederzuentdecken und somit ihr Wirken in der Kunstszene der Vorkriegszeit zu würdigen. Stefanie und Cornelia Hess erhielten durch die Benennung „wortwörtlich wieder einen Ort in unserer Stadt. Es waren Frauen wie sie, die Frankfurt kulturell mitgeprägt haben. Daher ist es höchste Zeit, dass wir sie als Frankfurterinnen wieder sichtbar machen und ihr Schicksal nie in Vergessenheit geraten lassen“, so die Gemeinde.

Der Antrag wurde ohne Gegenstimmen verabschiedet. Nur die Vertreter von Die Partei und BFF enthielten sich. Mehrere Fraktionen im Ortsbeirat kritisierten, dass die Grünen die Vorlage zunächst alleine gestellt hatten. Grünen-Chef Mitsch lud daraufhin alle ein, ebenfalls Mitantragsteller zu werden. Dem Aufruf folgten CDU, SPD, FDP, Linke und Andreas Eberbach von den Bürgern für Frankfurt (BFF).

Hanna Große Vorholt (Ökolinx) erinnerte die Grünen schließich daran, dass diese im Zuge der Umbenennung des Vorplatzes des Hauptbahnhofs nach dem Ehepaar Schindler versichert hatten, künftig keine gemeinsamen Anträge mehr mit der BFF zu stellen, da diese rechtsextremes Gedankengut vertrete. Die Grünen schlossen daraufhin die BFF als Mit-Antragstellerin wieder aus.

Um diesen Platz in der Innenstadt geht es.
Um diesen Platz in der Innenstadt geht es. © Sauda

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