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Erstes Länderspiel in Frankfurt – Es diente auch der Völkerverständigung

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Von: Thomas Stillbauer

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Dicht gedrängt 1: Empfang für die Schweizer am Römer vor dem Spiel. Eintracht Museum
Dicht gedrängt 1: Empfang für die Schweizer am Römer vor dem Spiel. © Eintracht Museum

Vor genau 100 Jahren erlebte Frankfurt sein erstes Fußball-Länderspiel. Es diente auch der Völkerverständigung.

Frankfurt – Wer in den 70er Jahren ein Bub war und den Eintracht-Stars nahe sein wollte, wen es danach drängte, Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein, Charly Körbel und Bernd Nickel trainieren zu sehen, der schwang sich aufs Fahrrad und strampelte den mitunter weiten Weg zum Riederwald. Da stand, und da steht immer noch, das Stadion, das lange Zeit Spielort der Kicker mit dem Adler auf der Brust war.

Aber nicht nur das. Das Riederwaldstadion war auch Austragungsort des allerersten Fußball-Länderspiels auf Frankfurter Boden – vor 100 Jahren, am 26. März 1922: die Vertretung Deutschlands gegen die Gäste aus der Schweiz.

Fußball in Frankfurt: 2:2 gegen die Schweiz

Sportliche Begegnungen der Nationen waren damals noch vergleichsweise selten. Seit dem ersten Länderkick 1908 – ebenfalls gegen die Schweiz, damals in Basel – hatte es nur drei Dutzend Spiele gegeben, natürlich auch wegen des Ersten Weltkriegs. In Frankfurt fand Partie Nummer 37 statt. Sie endete 2:2.

„Das Freundschaftsspiel gegen die Schweiz war ein vorläufiger Höhepunkt“, blickt Matthias Thoma, Leiter des Eintracht-Museums, aus Anlass des Jubiläums im Gespräch mit Mirco Overländer für den städtischen Pressedienst zurück. Schon 1907 hatte zwar eine Stadtauswahl gegen den englischen Meister Newcastle United gespielt (2:3). Und 1920 fand auf dem Germania-Platz an den Sandhöfer Wiesen das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft vor 35 000 Zuschauern statt: Der 1. FC Nürnberg gewann gegen die Spielvereinigung Fürth.

Aber ein Länderspiel hatte Frankfurt noch nicht gesehen. „Tatsächlich war ein Fußball-Länderspiel damals eine Sensation“, sagt Thoma. Zumal es wegen der drückenden Reparationszahlungen nach dem verlorenen Krieg und der daraus folgenden schlechten Wirtschaftslage eine Vereinbarung zwischen DFB und den großen Vereinen gab, pro Jahr nur drei Spiele auszutragen. Es war erst das dritte Heimspiel nach Kriegsende 1918, und es brachte mehr Frankfurter auf die Beine als bei allen späteren Länderspielen in der Stadt. Schon am Samstag, 25. März, als noch Schnee lag, sollen rund 40 000 Menschen die Gäste samt deren Anhänger am Hauptbahnhof erwartet haben. Auf dem Bahnhof herrschte Chaos, für eineinhalb Stunden war der Zugverkehr gesperrt, da Reisende nicht zu den Gleisen gelangen konnten.

Fußball in Frankfurt: Schweizer Spielern blieb Tumult erspart

Kurioserweise blieb den Schweizer Spielern dieser Tumult erspart, sie kamen einen Zug früher als in der Presse angekündigt und marschierten unbehelligt ins Hotel Monopol-Metropole. In der Turnhalle der Eintracht am Oeder Weg gab es dann aber einen Begrüßungsabend für sie und am Sonntagmorgen ab 9.30 Uhr eine Stadtrundfahrt „unter sachkundiger Führung“, wie dem Programmheft zu entnehmen ist, das der nicht nur Eintracht-Fans bekannte Sammler Othmar Herrmann aus Rödelheim der Frankfurter Rundschau zur Verfügung gestellt hat.

Dicht gedrängt 2: Volles Haus am Riederwald beim Spiel
Dicht gedrängt 2: Volles Haus am Riederwald beim Spiel © Eintracht Museum

Zwei Stunden später versammelten sich mindestens 15 000 Fans auf dem Römerberg, um das Schweizer Nationalteam zu begrüßen. „Leute waren zugegen, die mit dem Sport nicht das Geringste zu tun haben mögen“, las man in der Mitteldeutschen Sportzeitung. Denn es ging um mehr als Sport. Es war Ausdruck der Dankbarkeit für die Loyalität der im Krieg neutralen Schweizer, die noch im Frühjahr 1922 von Belgien quasi erpresst worden waren. Die Belgier, in deren Land deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg gewütet hatten, wollten ein vereinbartes Spiel gegen die Schweiz an die Bedingung knüpfen, dass diese nicht nach Frankfurt führe. Darauf ließ sich die Schweiz nicht ein.

Dafür lobte sie der Frankfurter Stadtrat Schmude auf der Empore des Römer: „Wir Deutsche werden es niemals vergessen, dass die Schweiz zu einer Zeit, in der die ganze Welt gegen uns stand, ihre unbedingt neutrale Haltung nicht verleugnet hat.“ Er schloss seine kurze Rede mit den Worten: „Unsere Schweizer Gäste und die freie Eidgenossenschaft leben hoch.“

Der Präsident des Schweizer Fußballverbands, ein Dr. Hauser, betonte in seiner Ansprache seinen „Glauben an die völkerverbindende Kraft, die dem Fußballsport innewohne“. Thoma: „Das Länderspiel diente einmal mehr der Völkerverständigung, in Zeiten, in denen sich viele Nationen noch weigerten, gegen den ,Kriegstreiber‘ Deutschland Spiele auszurichten.“ Im französischsprachigen Teil der Schweiz habe sich heftiger Protest gegen das Spiel geregt.

Fußball in Frankfurt: Deutschland verlor Torwart verletzungsbedingt

Ach so, das Spiel. Wie lief es? Es endete 2:2 nach 2:0-Pausenführung der Deutschen, die nach 65 Minuten ihren Torwart verloren. Die Schweizer hatten ihn mehrmals zu heftig attackiert, und weil der DFB keine Ersatzspieler nominiert hatte (!), musste er ausscheiden und wurde durch den Kapitän ersetzt. Der ließ noch zwei Bälle durch. Ein leichter Missklang, der angesichts des friedlichen Rahmens nicht überbetont wurde. Hinterher saß man beim DFB-Bankett wieder zusammen, und alle waren voll des Lobes für die Organisatoren. Im Fachblatt Fußball lesen wir, „die Frankfurter Eintracht ist am vergangenen Sonntag über sich hinausgewachsen“. Das erste Länderspiel in ihrem Stadion war ein glatter Erfolg.

Später verlor das Stadion am Riederwald – viele schwören übrigens, es stehe genaugenommen in Seckbach – mehr und mehr an Bedeutung. Die wichtigen Spiele wurden im neu errichteten und weitaus größeren Waldstadion ausgetragen. Der Riederwald aber, so Thoma, war „eine der Keimzellen des professionellen Sports in Frankfurt“. Die alte Spielstätte wurde 1943 bei Bombenangriffen zerstört und hatte bis dahin fünf Länderspiele gesehen, darunter Fritz Walters Debüt beim 9:3 gegen Rumänien (1940).

1952 entstand westlich der Pestalozzischule das neue Riederwaldstadion mit 40 000 Plätzen. Seit Gründung der Bundesliga 1963 spielt die Eintracht im größeren Waldstadion, nicht zuletzt, weil dort viel mehr Parkplätze zur Verfügung stehen. Auch das Trainingszentrum der Profis zog schließlich in den Stadtwald um, dorthin, wo seit 2021 offiziell die Adresse „Im Herzen von Europa“ heißt.

Der Riederwald bleibt als Vereinsleistungszentrum Herzstück und Trainingsort der Jugendmannschaften. „Der Verein mit seinen fast 100 000 Mitgliedern ist hier zu Hause“, sagt Matthias Thoma. „Wenn man mal ins Riederwaldstadion geht, sieht man noch die mächtigen Wälle, auf denen einst die Stufen der Stehränge waren. Mit ein wenig Fantasie kann man sich ausmalen, wie die Eintracht an der Stelle vor 40 000 Zuschauern gespielt hat.“ (Thomas Stillbauer)

Frankfurt erlebte schon berühmte Schlachten und die einzige Begegnung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die jemals abgebrochen werden musste.

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