Im Zeichen des Z-Worts

Prozess gegen Mitarbeiter der Nassauischen Heimstätte, der Mieterin rassistisch beleidigte
Der Verteidiger des Angeklagten ist am Dienstagmorgen vor dem Amtsgericht der Ansicht, dass Rassismus auch immer ein bisschen im Ohr des Beleidigten liege. Seinem Mandanten, einem Bauingenieur, wird vorgeworfen, als Beauftragter der Nassauischen Heimstätte bei einer gerichtlich durchgesetzten Wohnungsbegehung in Niederrad im Oktober 2021 die Contenance verloren zu haben. Was darin gipfelte, dass er die Mieterin und die anderen Anwesenden mit dem Ausruf „Alles Scheißzigeuner hier!“ beleidigt habe.
Sein schweigender Mandant, sagt der Anwalt, wolle nicht ausschließen, dass er in Rage das Wort „Zigeuner“ benutzt habe, aber keinesfalls mit Fäkalpräfix. Er sei erbost gewesen, dass die Mieterin, die keine Fotos ihrer sanierungsbedürftigen Wohnung habe dulden wollen, alles mit Planen verhängt und es ausgesehen habe „wie in einer Zeltstadt“, wie man sie von fahrenden Völkern kenne. „Hätte er das Wort ,Nomaden’ benutzt, hätte es keinen gestört.“ Hat er aber nicht.
Der Prozess ist auch ein Treffen der Generationen. Der Verteidiger, wie sein Mandant Jahrgang 1970, schwärmt von einer Zeit, in der das Wort „Zigeuner“ eher romantisierend als diskriminierend gebraucht worden sei und die „Gipsy Kings“ stolz aus allen Boxen dröhnten. Die deutlich jüngere Amtsrichterin will den Begriff „gar nicht in den Mund nehmen“ und umschreibt ihn mit „Z-Wort“.
Durch Z-Wort traumatisiert
Die Mieterin fühlt sich durch das Wort bis heute „traumatisiert“ und verlangt Schmerzensgeld, was aber ein Fall für die Zivilgerichtsbarkeit ist. Heute aber geht es um das Strafrecht. Gegen einen Strafbefehl von 30 Tagessätzen à 40 Euro hatte der Bauingenieur Einspruch eingelegt.
Gegen den Angeklagten spricht, dass die geladenen Zeugen - die Mieterin, ihre Tochter und der als Begehungsbeistand geholte Stadtverordnete der Linken Eyup Yilmaz - alle laut und deutlich „Scheißzigeuner“ vernommen haben. Lustig ist, dass es sich bei keinem der Anwesenden um eine Sintizza oder Romni oder einen Rom oder Sinto handelt. Die Tochter der Mieterin sagt, dass sie relativ häufig rassistisch beleidigt werde, „aber wegen meiner Hautfarbe meistens mit dem N-Wort“.
Für den Angeklagten spricht, dass er nicht vorbestraft ist und mit einer doppelten Staatsbürgerschaft (deutsch/spanisch) selbst Migrationshintergrund hat, wenn auch keinen durch Rassismus belasteten. Zudem zeigt sich vor Gericht, dass die Mieterin ein Naturtalent darin ist, andere auf die Palme zu bringen. Staatsanwalt, Verteidiger und Richterin werden allerdings nur laut, ohne sich im Ton zu vergreifen. Am Ende eines langen und mitunter quälenden Prozesses wird das Verfahren wegen geringer Schwere der Schuld vorläufig eingestellt, der Bauingenieur muss 500 Euro an die Mieterin zahlen.
Das „Z-Wort“ alleine stelle nicht unbedingt eine Beleidigung dar, erklärt der Staatsanwalt. Es komme auf den Kontext an. Wichtig sei, dass der Beleidigte sich beleidigt fühle und der Beleidiger beleidigen wolle. Und er erinnert an einen alten Fall, im dem ein Junge im strafmündigen Alter Polizisten die seine Mutter sprechen wollten, die Tür öffnete. „Mama, die Bullen sind für dich da!“, informierte der Filius seine Erziehungsberechtigte. Die so Angekündigten fühlten sich durch das B-Wort beleidigt, aber das sei nicht die Intention des Jungen gewesen, der daher freigesprochen wurde. „Bullen“ sei in der Familie schlicht der Terminus technicus für die Hüter des Gesetzes gewesen.